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Forum: "Quereinstieg von Lehrern umstritten"
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| Quereinstieg | | von: missmarpel93
erstellt: 09.08.2008 07:40:53 |
Hallo,
um mich zu outen, bin selber einer. In NRW gab es zwei Möglichkeiten des Seiteneinstieges:
a) Anerkennung (normaler Vorbereitungsdienst) und
B) Seiteneinstieg (berufsbegleitender Vorbereitungsdienst)
Die Seiteneinsteiger hatten die Stellenzusage nach schulscharfer Stellenausschreibung an einer Schule erhalten, da keine ausgebildeten Lehrkräfte verfügbar waren. Sie hatten ein 3/4 Deputat und mussten berufsbegleiten den Vorbereitungsdienst absolvieren. Diese Fallgruppe umfasste 10-15% der Fälle.
Der überwiegende Teil der Quereinsteiger waren Anerkenner, unser 1. Staatsexamen wurde in Folge des Mangelfacherlasses für bestimmte Fächer anerkant. (z.B. Bau-Ing ==> Mathe/Technik). Ebenso gab es Anerkennungen im Einzelfall durch die Bezirksregierung, wenn das Studienfach nicht im Nangelfacherlas benannt worden war. Die Anerkenner (Alter zwischen 30 und 45) wurden in den "grundständigen Vorbereitungsdienst" zusammen mit den "grundständigen" (aber jüngeren)Lehramtskandidaten in den Vorbereitungsdienst in gemischten Seminargruppen übernommen.
Früher wurden zwei Fächer anerkannt, heute wird nur noch ein Fach anerkannt. Das zweite muss durch ein zusätzliches Studium für Lehramt einschließlich Erziehungswissenschaften nachgeholt werden. (Diese Regelung hat den Seiteneinstieg mehr oder weniger beendet)
Lediglich die orginären Seiteneinsteiger waren in einer eigenständigen Hauptsminargruppe zusammen gefasst. In den Fachseminaren saßen wir alle unabhängig von der Fallgruppe und vom Lehramt zusammen.
Die "orginären" LAAs hatten alle auf SekI studiert, während die Anerkenner und Seiteneinsteiger das Lehramt GHR (HRGe) zugesprochen bekommen hatten.
Anerkenner und Seiteneinsteiger mussten im Vorbereitungsdienst zusätzlich eine erziehungswissenschaftliche Prüfung und eine fachdidaktische Prüfung (Grundlagen) für Grundschule in Deutsch oder Mathematik bestehen. Wer die versemmelte war weg "vom Fenster".
Nach bestandenem Vorbereitungsdienst war man den "grundständigen Lehramtsbewerbern" gleichgestellt und hat sich auf die gleichen Stellen beworben.
So in NRW, wie BW und HE das handeln blicke ich nicht wirklich. Es scheint sich aber um die bewährte Vorgehensweise "friss oder stirb" zu handeln. Man nehme einen Bau-Ing, stelle ihn vor eine Klasse und sagt: "Mach 'mal!" Na ja, das bereichert den Erfahrungswert im Bereich "entdeckendes Lernen". Und bei dem innovativen Konzept springen tatsächlich Kandidaten ab, ich fass es nicht |
| Alternative? | | von: emiliach
erstellt: 12.08.2008 12:12:13 |
Was haben wir jetzt davon? Einen unvollständigen Stundenplan, Verschiebungen in den Kollegenplänen, neue Suche ...
Liebe veneziaa,
was wäre denn aus Deiner Sicht eine machbare Alternative gewesen?
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| Der Knackpunkt | | von: kajakwolfi
erstellt: 12.08.2008 13:05:15 |
in Veneziaas Beitrag ist die Formulierung "entsprechende Zusatzqualifizierung als Lehrer".
Hier ist nicht die Rede von einem Vorbereitungsdienst (Referendariat)in üblicher Länge, wo pädagogische Erfahrung gesammelt werden kann - eine harte Zeit der Ausbildung und absolut unerlässlich.
Wenn Leute, die als ursprünglichen Berufswunsch nicht "Lehrer/in" hatten, nun aus einer oft beruflichen Notlage heraus (und nur dann sattelt man in der Regel um!)in den Schuldienst gestopft werden, und das mit einer sehr abgeschwächten "Zusatzqualifizierung" - dann hat Venziaa recht:
Übrig bleibt das Chaos in der Schule und bei den Betroffenen das Gefühl, ein Versager zu sein.
Dass das hier natürlich sehr pauschal gesprochen ist und in Einzelfällen anders aussehen mag, brauche ich nicht zu betonen.
Im BaWü, wo ich arbeite, gibt es bisher in diesem Segment der Beschäftigung nur die sog. "Pädaogischen Assistenten", sehr schlecht bezahlte HiWis, die keinen eigenständigen Unterricht halten dürfen, nur assistierende Tätigkeiten sind erlaubt.
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| Immer auf die Schwächsten | | von: caldeirao
erstellt: 12.08.2008 23:15:18 |
Ich arbeite mit mindestens 20 ausgebildeten LuL zusammen, von denen ca. 50% nicht in der Lage sind, die Anforderungen in Bezug Unterricht zu meistern. Bei ausschließlich ausgebildeteten LuL und die eigentlich auch genug Berufserfahrungen haben müssten, gibt es eine Quote von ca. 30%, der SUS, die das Klassenziel nicht erreichen- in einer 7. Klasse über 50%, 20% aller Neunklässler verlassen die Schule ohne Abschluss und in der 8. Klasse sind es immernoch 5%, die unsere Schule ohne Abschluss verlassen. Auf der Zensurenkonferenz hatte dabei auch keiner Bauchschmerzen. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass das ein Seiteneinsteiger schlechter hinbekommen hätte.
Natürlich kann ich mir den Seiteneinstieg recht problematisch vorstellen. Aber wer von uns hatte als Berufsanfänger keine Schwierigkeiten. Mal Hand aufs Herz. Anstatt hier hilfreich unter die Arme zu greifen, wird gewartet und geguckt, wann der Seiteneinsteiger endlich auf die Fresse fliegt und das Handtuch wirft. Der kann schon merken, dass der Lehrerberuf kein Zuckerschlecken ist.
Wenn meine letzten Worte ein bisschen übertreiben, ein Fünkchen Wahrheit ist schon dabei. Worte, wie Seiteneinsteiger sind im wirtschaftlichen Arbeitsleben in der Sackgasse gelandet oder so ähnlich, zeigen aus meiner Sicht, dass man ihnen ein Scheitern unterstellt und man nun aus Mangel an Möglichkeiten zu diesem Strohhalm greift.
Außerdem welche Alternativen gibt es. Jeder LoL gibt 4 Stunden mehr oder Unterrichtsausfall oder höhere Klassenfrequenzen ????
Ich würde mir für meine Schule mal Seiteneinsteiger wünschen, die mal ein paar Storrys aus der Wirtschaft bzgl. Arbeitseinstellung und -belastung erzählen, dass die KollegInnen mal auf den Boden der Realitäten kommen. |
| Meine Meinung als | | von: lupenrein
erstellt: 12.08.2008 23:16:03 geändert: 12.08.2008 23:22:08 |
Nicht-ganz-Quereinsteiger
- nach Lehre, Beruf, Studium, 2 Semester Uni Münster zur Vorbereitung
-Anerkennung des Ing.-Studiums als 1. Staatsprüfung
-2 Jahre Refereendariat mit KollegInnen, die rund 25 - 30Jahre jünger waren als ich:
Die reinen Seiteneinsteiger sind wirkliuh ganz arme Schweine, weil sie in der Schule keinen Mentor haben, der ihnen den Spiegel vorhält. Sie werden vor eine Situation gestellt, die man nur beschreiben kann als: "Nur die Harten komm´n in´n Garten!" Wer das dann trotzdem schafft - Chapeau!
Mir ist es durch das klassische Ref. viel leichter gefallen, obwohl ich auch eine Weile gebraucht habe zu erkennen, was meine eigentliche Aufgabe als Lehrer in der Schule ist.
Mir kam allerdings auch ein wenig meine Erfahrung mit der Erziehung einer Tochter - jetzt fast 34 - und aus langer Vertriebs- und Führungserfahrung zugute.
Liebe veneziaa. ich darf dich einmal bitten darüber nachzudenken, was so ein armes Würstchen von gerade fertig gewordenem Lehrer nach Schule, Uni, Schule eigentlich für eine Bereicherung und Stütze der Kollegen im Anfang sein kann.
Da kommt noch hinzu, daß diese außer ihrem eigenen Erleben von Schule nur die Theorie in Uni und Seminar sowie das bißchen Praktikum und Ref. auf ihrer mentalen Haben - Seite ihr eigen nennen.
Ob du damit wirklich immer besser bedient bist?
Der Lehrer von heute benötigt nach meiner Auffassung sowohl mehr Sensibilität als auch mehr dickes Fell als früher - ein Spagat, den viele der "reinrassigen" Lehrer heute auch nicht so 100%ig packen, meine ich.
Ich denke, eine vernünftige Änderung der Lehrerausbildung mit mehr Praktika und mehr Möglichkeiten, regelmäßig auch als Lehrer in der (außerhalb des Lehrerdaseins befindliche) Berufswelt zu hospitieren wäre gar nicht schlecht.
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