Hallo zusammen,

im Juni habe ich an einer Privatschule den Deutschunterricht übernommen. Die Klassen sind sehr klein, gerade mal 15 Kinder, was es aber ehrlich gesagt nicht leichter macht. Ein Fall ist in einer 6. Klasse ein Schüler, der mich ständig unterbricht, selbst bei kurzen Arbeitsanweisungen. Nichts hilft, keine Ermahnung, kein Ignorieren, nichts. Die anderen Kinder fingen auch schon an, sein Verhalten zu kopieren. Nun habe ich die Klasse im kommenden Schuljahr wieder. Was kann ich tun? Der Junge ist zu Hause der Star, sollte ich noch erwähnen....

zu raten.

Macht das der Schüler nur bei dir oder ist es ein Grundsatzproblem ?

Wenn es ein Grundsatzproblem ist, dann sprich mit anderen Kollegen über Maßnahmen.

Wenn es eher bei dir ist, arbeite langfristig an deinem Auftreten den Schülern gegenüber.

Die Unterbrecherei ist ein sehr störendes Verhalten den Mitschülern und dem Lehrer gegenüber, der unterrichten will, das müssen sowohl Kind als auch Eltern einsehen. Ignorieren hat im Klassenverband in der Regel keinen Erfolg. Das kann man als Eltern machen, aber in einem Raum, wo gelernt werden soll, ist das i.d.R. nicht durchführbar. Früher hätte man solche Schüler spontan vor die Tür geschickt, das geht heute leider nur schwer.

Was noch zu überlegen wäre, ob der Schüler nur ein großes Mitteilungsbedürfnis hat (das kann man besser steuern) oder bewusst provozieren will.

Mitteilungsbedürfnis: In der Grundschule habe ich immer wieder Schüler mit einem großen Mitteilungsbedürfnis. Wenn man es ihnen bewusst macht und dass sie sich melden sollen, bevor man etwas herausruft (lernt man schon in der ersten Klasse), sind sie schon bereit das zu ändern. Wenn man ihnen dann auch sagt, dass man um ihr Wissen weiß, sie sich aber melden sollen, dass man das sieht, sehen sie es schon ein. Außerdem sollte man ihnen bewusst machen, dass in der Klasse auch andere sind.

Ich würde versuchen:

1) mit dem Schüler alleine reden und mit ihm besprechen, warum ein solches Verhalte nicht geht und Ziele festlegen, wie er das ändern kann. Wenn es auf diesem Weg geht, ist das meistens am nachhaltigsten.

2) ein Gespräch mit den Eltern führen

3) Wenn Nr. 1 keinen Erfolg bringt, konsequente Maßnahmen ergreifen. Falls die Schule in einem solchen Fall keinen Maßnahmekatalog hat, müsstest du dir eine sinnvolle Maßnahme überlegen. Das würde ich im Gespräch mit anderen Kollegen in der Schule machen. Ich würde demjenigen wahrscheinlich erst einmal eine Nachdenkaufgabe während des Unterrichts geben, die er in einer anderen Klasse oder im Unterricht zu bearbeiten hat. Wichtig ist dann auf jeden Fall konsequentes Verhalten.

Viel Erfolg!

an ysnp für die vielen Tipps. Es hat sicher auch mit meinem Auftreten zu tun. Im Kollegenkreis hat sich ergeben, dass er das wohl nur bei Frauen macht, aber ja, bei anderen Lehrerinnen auch. Ich denke ich werde die Maßnahmen : Gespräch mit dem Schüler, dann auch mit den Eltern konsequent durchziehen. Danke, nochmal

Aus meiner Sicht ist die große Frage, ist das ein provozierendes Verhalten oder ein ungesteuertes Verhalten. Entsprechend anders ist die Intervention. Ist es ungesteuert, dann helfen Verstärker, wie auch immer (Token, Smileys, Ampel, Stopkarte usw.) Ist es ein provozierendes bzw. respektloses Verhalten, dann sollten Konsequenzen in Form von Sanktionen erfolgen. Der Schüler muss merken, dass du dir das nicht bieten lässt.

Ich würde aber diese Frage nicht vorschnell beantworten. In einem Gespräch mit dem Kind kann man Vieles klären. Danach kannst Du immer noch die Palette der Maßnahmen nutzen.

Welche Maßnahmen und Sanktionen Du ergreifst hängt einerseits von deiner Persönlichkeit ab. Nicht jede Maßnahme passt zu dir. Andererseits muss sie auch zum Kind passen. Beispielsweise war der Entzug von Zuwendung an der Förderschule eine sehr erfolgsversprechende Maßnahme- dazu braucht man aber ein gutes L-S-Verhältnis. An meiner jetzigen GS interessiert das die Kinder gar nicht, dann gehen sie eben zum Nächsten. So musst Du deinen Weg finden.

Ich würde nach dem Vieraugen-Gespräch mit dem Schüler und ggf. einem Folgegespräch mit den Eltern einen Verhaltensvertrag mit dem Schüler abschließen.

Lässt er sich auf den Vertrag nicht ein, dann hast du einen guten Grund die Schulleitung, mit Maßnahmen wie die Versetzung in eine Prallelklasse, einzuschalten.

Lässt er sich darauf ein, kannst du in der Folge vollkommen emotionslos die vorgesehenen Maßnahmen ergreifen und dokumentieren. Die wiederholte und uneinsichtige Vertragsverletzung rechtfertigt dann auch die Einforderung von tiefergreifenden Maßnahmen ... nützt ja nichts!

Hallo Litamin!

Es ist natürlich schwierig, so von weit weg Tipps zu geben - aber ich versuche es trotzdem.

Mein Ansatzpunkt wäre: Was will erstens der Schüler? Und was will zweitens die Lehrperson? Und dann würde ich versuchen, das erstere nur noch nach dem zweiten zu geben. Konkret:

2. ist einfach herauszufinden; Du möchtest reden können, ohne unterbrochen zu werden. Für den Anfang müssen es ja keine stundenlangen   Vorträge sein; ein paar Sätze ohne Störung wären schon eine Verbesserung.

Zu 1.: Meine erste Vermutung wäre: Aufmerksamkeit; die Lehrerin soll sich bitteschön exklusiv um ihn kümmern.
Vielleicht geht es ihm aber auch um Anerkennung von den Klassenkameraden? Möchte er "cool" wirken; bewundern die Klassenkameraden sein Verhalten?
Oder steckt noch etwas anderes dahinter? 

Nehmen wir an, der Junge möchte Aufmerksamkeit. Dann ist der Fall recht gut zu lösen: Du suchst das Gespräch mit ihm (eventuell mit einem Freund dabei) und erklärst ihm nochmal, dass seine Unterbrechungen Dich stören (Ich-Botschaft!) und fragst ihn freundlich und höflich, ob er gelegentlich darauf verzichten kann.
Vielleicht dreimal pro Unterrichtsstunde? Das könnte er doch schaffen! (Stachel seinen Ehrgeiz an!)
Wichtig ist, dass Du ihn in den folgenden Stunden jedesmal mit einem ehrlichen Lob bedenkst, wenn er z.B. Deine Arbeitsanweisung nicht unterbrochen hat.
Das erscheint viel, aber er soll ja merken: Wenn ich die Lehrerin nicht unterbreche, bekomme ich ihre Aufmerksamkeit. 
Schon nach wenigen Unterrichtsstunden reicht auch eine Geste (Daumen hoch) oder ein freundlicher Blick als Bestärkung - und nur noch manchmal bekommt er ein verbales Lob.
Wenn Du mitzählst, wie oft pro Stunde er es schafft (er kann eventuell auch eine Strichliste anlegen), kannst Du ihn nach ein paar Stunden fragen, ob er es auch fünfmal/ zehnmal/ ... schafft - was Du auch wieder begeistert lobst. 
(Grundsätzlich sollte das Lob direkt nach dem erwünschten Verhalten kommen; das ist wirkungsvoller als z.B. beim Blick auf die Strichliste am Ende der Woche. Je nach Typ funktioniert eine Strichliste aber als zusätzliche Motivation.)
Solange Du auf diese Weise mit ihm übst, solltest Du auf Unterbrechungen möglichst wenig reagieren. Du kannst z.B. einfach den Kopf schütteln oder den Finger über Deinen Mund legen, um ihn daran zu erinnern, dass es Dich nicht unterbrechen soll. Schimpfen oder Strafen wäre aber kontraproduktiv.

Wenn es dem Kind um die Anerkennung der Klassenkameraden geht, ist es schwieriger, denn die Mitschüler finden es ja eben nicht so   "cool", wenn man "brav" ist - da kommt es sehr auf die Klasse(ngemeinschaft) an.
Du könntest aber das gewünschte Verhalten (also das Nicht-Unterbrechen) mit einer für die ganze Klasse positiven Sache verknüpfen. Beispielsweise: Wenn der Schüler es schafft, Dich in einer Stunde dreimal ausreden zu lassen, beendest Du den Unterricht fünf Minuten früher und lässt sie ein Spiel spielen (oder ein Bild malen oder ... - es muss etwas für die Klasse erstrebenswertes sein).
Wenn das gut klappt, steigerst Du die Anforderung: Nun muss er nicht nur drei kurze, sondern drei längere Ansagen schaffen ... und dann fünf kurze ... dann fünf kurze und eine lange ... Wie beim Sport: Abwechslungsreiches Training, und jede Steigerung ist ein Erfolg!

Auf jeden Fall würde ich das ganze möglichst freundlich und spielerisch angehen. Ich würde mir sagen:
"Das Kind verhält sich nicht so, weil es böse ist, sondern weil es zur Zeit noch nicht anders kann. Es hat sich etwas angewöhnt, was es sich nun mühsam wieder abgewöhnen muss! Oder ihm fehlt ihm zuhause etwas, was es dringend braucht (Anerkennung, Bestätigung, sinnvolle Beschäftigung - was weiß ich).
Auch in diesem Fall kann ich (ein bisschen) Mitleid mit ihm haben und versuchen, ihm auf einen besseren Weg zu helfen.
Ich kann da drüber stehen." (und mich jeden Tag freuen, dass am Nachmittag und am Wochenende jemand anders für den Jungen zuständig ist  )

Ich würde auf die beschriebene Weise versuchen, das Kind mit ins Boot zu holen. Falls ich innerhalb von ungefähr vier Unterrichtsstunden keinerlei Verbesserung bemerken würde, wäre immer noch Zeit für die nächste Eskalationsstufe, also Elterngespräch oder Termin bei der Schulleitung oder was auch immer.

Ich hoffe, meine langen Gedankengänge helfen Dir ein bisschen weiter! Liebe Grüße,
Julia  

Für Einzelgespräche hilfreich:

Ben Furmann: Ich schaff's 

https://www.amazon.de/schaffs-Spielerisch-praktisch-Lo%CC%88sungen-Kindern/dp/3896705008

Das ist ein 15 schrittiges lösungsorientiertes Programm. Ich versuche den Grundgedanken in Einzelgesprächen allerdings abgewandelt umzusetzen. die 15 Schritte setze ich nicht so um, nehme aber einzelne Sachen daraus. Gut finde ich auch die Gesprächsführung.

Z.B.: Welches Ziel? Was konkret? Was könnte dir dabei helfen?

Wenn du nach "Ich schaff's" googelst, kommst du auch auf andere Unterlagen.

Liebe Julia,

vielen Dank für deine Hilfe, das sind ja wirklich konkrete Tipps für einen Perspektivwechsel. Er möchte tatsächlich  cool sein, wird auch von den anderen Jungs ( es ist eine Jungenklasse, das wird sich aber im September ändern

Moin Litamin! (oder servus, wenn Dir das lieber ist  )

Wie läuft es denn im neuen Schuljahr bei Dir? Hast Du schon etwas versucht? Klappt es besser?
Ich drücke Dir die Daumen, dass Du nicht genervt bist und Ideen findest, die für Dich umsetzbar sind.

  Liebe Grüße von Julia

Moin Julia,

ja, es wird gerade besser. Wir haben uns im Kollegium ausgetauscht und vermuten dass es einerseits um Aufmerksamkeit geht, andererseits um den Coolnessfaktor in der Klasse. Wer ermahnt wird, ist der King. Ich habe mit den Schülern gemeinsam Regeln aufgestellt, zB. dass  ich auf Reinschreien nicht reagiere.

Außerdem plane ich ein Zeitkonto. Die Schüler haben vierteljährlich Zeit zur Verfügung, in der wir zB einen Film sehen. Die Unterbrechungen sind ja auch Zeitschinderei. Ist die Zeit durch ständige Störungen weg, ist sie weg. Dann versuchen wir es erneut. Mal sehen, ob es klappt...

Vielen Dank.liebe Julia, für die Nachfrage!

Litamin= Astrid