dass das Problem der Zahlendreher an der Sprechweise der Zahlen im Deutschen liegt. Für Ausländer, die jahrzehntelang eine andere Sprechweise gewöhnt sind, mag das auch zutreffen.
Unser unsystematisches Zahlwortsystem macht durchaus Probleme, und das beginnt damit, dass manche Erstklässler, die vorschulisch wenig Erfahrung mit Zahlen jenseits der Zehn sammeln konnten, schlechter von 9 bis 13 zählen können als von 13 bis 19. Daneben wird das Zahlwort 'zwölf' erstaunlich häufig mit 'zwanzig' verwechselt. Das sind Themen der Förderung im 1. Schuljahr, Zahlendreher gibt es da so gut wie nicht, obwohl das inverse Zahlwortsystem bereits ab der 13 zum Tragen kommt. Die Zahlendreher-Problematik betrifft primär das 2. Schuljahr.
Das Hauptproblem bei Zahlendrehern betrifft Raum-Lage-Wahrnehmungsstörungen, die unsere Kinder heute in erstaunlichem Umfang aufweisen. Reihenfolgeprobleme, und dazu gehören die Zahlendreher, sind eines der Symptome der betroffenen Kinder. Potenziell haben die betroffenen Kinder nicht nur Probleme mit Zahlendrehern, sondern auch mit dem Vorgänger-/Nachfolger-Begriff, mit der Orientierung auf dem Hunderterfeld, und in Deutsch mit der Reihenfolge von Buchstaben neben der Verwechslung von 'b' und 'd' und anderen spiegelbildlich dargestellten Buchstaben. Und allgemein mit der Unterscheidung von Links und Rechts.
Ich fände es auch gut, wenn dem im Unterricht entgegenwirkt würde, und bezüglich der mathematischen Themen ist das sogar einfach.
Das Stellenwertsystem wird üblicherweise im 2. Schuljahr über die Zehnerbündelung vermittelt. Das führt zum Verständnis von Zehner- und Einerziffern, wobei das sogar explizit dargestellt wird, indem über die Zehnerstelle ein 'Z' geschrieben wird und über die Einerstelle ein 'E'.
Und genau das führt zur Zahlendreher-Problematik bei Kindern mit den entsprechenden Raum-Lage-Wahrnehmungs-Problemen: die richtige Reihenfolge von Zehner- und Einerziffer. Für diese haben die betroffenen Kinder keinen Sinn.
Kann man das Dezimalsystem so einführen, dass Zahlen zwischen 13 und 99 sich in der symbolischen Darstellung nicht als eine Abfolge zweier einstelliger Ziffern verstehen?
Man kann, und das sogar mit Vorteil.
Bezüglich des Dezimalsystems kann man die Zahl 24 auch als die Kombination der Zahlen 20 und 4 ausdrücken. Die dazu passende Darstellung geschieht mit den (Montessori-)Zahlenkarten, die es für die Zehnerzahlen 10, 20, 30, ... und die Einerzahlen 1, ..., 9 gibt. Zur symbolischen Darstellung der 24 legt man die 4 auf die 20.
Viele leistungsschwächere Kinder haben bei der Eroberung des Zahlenraums bis 100 übrigens ein ernsthaftes Zählproblem, vor allem an den Zehnergrenzen. Seit ich mir angewöhnt habe, die Kinder anhand der Zahlenkarten zählen zu lassen, ist das schnell gelöst. Die Kinder erleben handlungsorientiert, dass sie von 21 bis 29 einfach weiterzählen können, indem sie die nächste Einerkarte auf die 20 legen. Bei der 29 geht das nicht mehr, und sie müssen zwangsläufig zur nächsten Zehnerzahl 30 greifen. Ich verlange den Kindern auch das jeweilige Zahlwort ab, und mit dem inversen deutschen Zahlwortsystem haben sie keinerlei Probleme.
Ein weiterer Vorteil der Darstellung des Dezimalsystems über die Zahlzerlegung ist der Zusammenhang mit den Rechenstrategien des 2. Schuljahrs. Diese benutzen fast ausnahmslos genau diese Zahlzerlegung (siehe z.B. das Zwerg-Riesen-Prinzip). Und mit den Zahlenkarten lassen sich die Rechenstrategien bestens darstellen. Anders als bei der Verwendung mengendarstellenden Materials gibt es dabei auch kein Transfer-Problem von der erklärenden Darstellung zum symbolischen Rechnen. Im 2. Schuljahr verzichte ich deshalb bei Addition und Subtraktion vollständig auf mengendarstellendes Material. Dieses verwende ich im 2. Schuljahr ausschließlich für Zählübungen bezüglich großer Objektmengen und bei der Einführung von Multiplikation und Division.
Für hartnäckige Zahlendreher-Fälle kann man die Zahlzerlegung bei jedem Schreiben von zweistelligen Zahlen einfordern. Von einem solchen Kind verlange ich, dass es beispielsweise die 24 so schreibt, dass es erst eine 20 schreibt, also die Ziffern 2 und 0, und in die 0 hinein die 4! Dazu muss die Ziffer 0 etwas größer geschrieben werden als üblich.
Mit dieser Schreibweise sind Zahlendreher ausgeschlossen.
Die anderen mathematikbezogenen Probleme mit Raum-Lage-Wahrnehmungsstörungen lassen sich noch konsequenter und einfacher vermeiden. Ich verwende die Begriffe 'Vorgänger' und 'Nachfolger' nicht mehr, und lasse die Kinder schlicht vorwärts- und rückwärts zählen. Das ist begrifflich-inhaltlich dasselbe, und damit haben die Kinder keine Probleme. Und mit dem Hunderterfeld (das ich einmal für genial hielt) beschäftige ich mich überhaupt nicht mehr, seit ich erkannt habe, dass es für absolut nichts gut ist und sogar eine mathematikfremde Zahlvorstellung fördert. Die Zeit, die man für das Hunderterfeld sinnlos verbrät, kann man besser nutzen, indem man mit den Kindern das Zählen übt, insbesondere an den Zehnergrenzen, die Kinder zur Vertiefung einfachste Aufgaben bezüglich der Zehnergrenzen rechnen lässt wie 29+1, 31-2. Auch die Abfolge der Zehnerzahlen 10, 20, 30, ... vor- und rückwärts ist es wert, intensiv geübt zu werden, sowie das beliebige Addieren und Subtrahieren von Zehnerzahlen. Hier zeigen erstaunlich viele Kinder Schwierigkeiten, welche dann als fehlende Basisfertigkeiten die Kinder bei den Rechenstrategien des 2. Schuljahrs behindern.
Gegen eine zusätzliche Systematisierung des Zahlwortsystems spricht natürlich nichts, dann aber bitte nicht schmalspurmäßig nur an die Zehner-Einer-Reihenfolge denken! Die 13 sollte dann analog zur 23, 33, etc. 'dreiundzehn' genannt werden und 11 und 12 selbstverständlich 'einsundzehn' bzw. 'zweiundzehn'. Und bitte die Zehnerzahlen nicht vergessen, die erst ab der 40 mit dem 'zig' am Ende systematisch werden, mit 'zig' als Abkürzung für 'Zehner' oder 'mal zehn'. Also die 30 bitte 'dreizig' nennen, die 20 ''zweizig' und die 10 'einszig'. Damit nennen wir die 11 natürlich 'einundeinszig', die 12 'zweiundeinszig' und die 13 'dreiundeinszig'. Ups, da habe ich doch glatt die nicht-inverse Darstellung vergessen. Also 'einszigundzwei' für die 12!
An die armen Franzosen wollen wir da gar nicht erst denken, bei denen das Zahlwortsystem sogar bis zur 16 nicht-dezimal ist und bei denen die 92 vier-zwanzig-zwölf genannt wird. Im Zahlenraum von 71 bis 99 sind die Rechenfertigkeiten der Franzosen sicherlich hundsmiserabel mit einem solchen Zahlwortsystem!?
An einem bestehenden Zahlwortsystem sollte man nicht ohne weiteres Änderungen vornehmen. Auf der sprachlichen Ebene gehen auch nicht-mathematische Kriterien ein, z.B. eine brauchbare Rhythmik im Wort. Deshalb variiert beispielsweise die Sprechweise 'und' zwischen Zehner und Einer im Deutschen und Französischen. Dem obigen Vorschlag für ein systematisches deutsches Zahlwortsystem mangelt es sehr deutlich an rhythmischen Qualitäten.