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Forum: "Elternvorwurf: Maßnahme ist ungerecht und überzogen!"
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| Elternvorwurf: Maßnahme ist ungerecht und überzogen! | | von: bger
erstellt: 01.05.2012 15:20:36 |
Ich habe einen Jungen (17) in meiner Klasse, der hat
ADHS und ist auch sonst etwas schwierig, quatscht und
stört gern, arbeitet wenig. Hausaufgaben Fehlanzeige,
Stillarbeitsphasen im Unterricht nutzt er kaum, falls er
überhaupt seine Materialien dabei hat, in
Klassenarbeiten stiert er lange vor sich hin und lässt
oft ganze Schreibteile weg. Dabei ist es schade, denn er
ist clever und sprachbegabt, versteht bei Texten schnell
den Kerngedanken und kann gut Dinge auf den Punkt
bringen. Jetzt stehen wir kurz vor den ZPs und sein
Abschluss ist stark gefährdet. Als er in der letzten
Doppelstunde - Stillarbeit zur Prüfungsvorbereitung -
wieder weder Hausaufgaben noch Materialien dabei hatte
und in der ganzen Zeit gerade sechs Zeilen zu Papier
gebracht hatte, platzte mir der Kragen. Ich forderte ihn
auf, mir die Aufgaben am Montag zum Elternsprechtag
vorbeizubringen und, falls sie nicht vollständig seien,
dort so lange zu bleiben, bis er sich nachgearbeitet
hätte.
Gestern war also besagter Elternsprechtag. Die Mutter
kam allein, natürlich ohne die Aufgaben. Sie beschwerte
sich, die Maßnahme sei ungerecht und überzogen, denn die
anderen Schüler hätten ja zwei Tage länger (bis
Mittwoch) für die Aufgaben Zeit und außerdem müsse ich
ja noch die 50 %-ige (bescheinigte) Schwerbehinderung
ihres Sohnes berücksichtigen. Ihr Sohn habe das also
nicht machen müssen. Ich erklärte der Frau ruhig, dass
ich ihren Sohn irgendwie dazu bekommen müsse, sich auf
die ZPs vorzubereiten, damit er vielleicht dort noch
etwas herausreißen kann - was ihm intellektuell
zuzutrauen wäre! -, aber sie verstand das nicht. Sie
meinte auch noch entschuldigend, das habe er von ihr,
sie habe auch nie gern geschrieben! Ich habe dann
notgedrungen die Abgabefrist auf übermorgen verlängert,
aber da hieß es auch gleich, zum Nacharbeiten könne er
wegen eines Arzttermins nicht länger bleiben. Die gute
Frau kümmert sich fast nie um ihren Sohn (der auch
lieber bei den Großeltern wohnt), ist aber immer schnell
beim Beschweren. Was ich auch mache, jede
Disziplinarmaßnahme wird torpediert und der Junge macht,
was er will! Die Frage ist ja auch, wo ist noch die
Krankheit schuld - und wo handelt es sich um pubertäre
Unlust? |
| @caldeirao | | von: petty1412
erstellt: 02.05.2012 08:58:56 |
Na, das ist aber hart. Nicht jeder kann nach Ende des Schuljahres sofort alles abhaken und die Schüler in die "Archiv"-Schublade stecken.
Ich kann verstehen, das bger sich Sorgen macht. Ich möchte auch immer, dass meine Schüler einen möglichst guten Abschluss machen und gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wenn man dann sieht, dass ein Junge, der mehr könnte, kurz vor dem Abgrund steht, weil er in der Familie keinen Rückhalt hat, darf man doch versuchen, dies zu ändern.
@bger:
Allerdings sieht es so aus, als würdest du hier gegen eine Wand rennen. So was erleben wir doch alle immer wieder. Manchmal sind wir einfach machtlos.
Was das Nacharbeiten angeht. Sowas habe ich auch schon gemacht und habe noch nie Probleme damit bekommen. Wir hatten letztlich zum Beispiel einen Studientag - die SuS also schulfrei... eigentlich... bis auf EINEN
Der musste antanzen und solange bleiben, bis er seine Arbeit erledigt hatte. Und da er anfangs meinte, das schlurig machen zu können...dauerte es eben länger als gedacht. Überzogen war deine Maßnahme nicht. |
| Nachteilsausgleich und Elterngespräch | | von: jumahe
erstellt: 06.05.2012 11:42:16 geändert: 06.05.2012 12:50:24 |
Da ADHS Schwierigkeiten mit der Selbststrukturierung beinhaltet, kann es dem Schüler helfen, wenn er sich eine "To-Do-Liste" neben die Arbeit legen darf, die Ihr vorher gemeinsam erarbeitet und festlegt. Darin kann z.B. stehen, welche Schritte er der Reihe nach leisten soll (Text lesen, Antworten auf W-Fragen anstreichen, Einleitung schreiben, ... Rechtschreibung kontrollieren). Auf diese Weise sitzt er nicht vor einem Berg Arbeit (> so viel schaff' ich eh nicht - fang ich gar nicht erst an), sondern vor mehreren kleinen Portionen.
Es kann auch helfen, wenn die Liste in Tabellenform geschrieben wird und ein Extra-Feld zum Abhaken für bereits Erledigtes hat. Die Übersicht über Erreichtes motiviert manchmal.
Wenn die Arbeit stockt, kann man durch ein einfaches Tippen auf den nächsten Punkt der Liste schon im Vorbeigehen noch einen kleinen Impuls geben weiterzumachen, ohne die anderen in ihrer Arbeit zu stören.
Übrigens: Für ADHS - Kinder ist es oft hilfreich auf mehreren "Kanälen" angesprochen zu werden. Eine Berührung an der Schulter, Ansprechen mit Namen, Augenkontakt, - je mehr desto besser...
Über die Art erlaubter Hilfen muss - glaube ich - eigentlich im Rahmen der Klassenkonferenz ein Beschluss gefasst werden. Das wird allerdings oft in den Schulen recht nachlässig gehandhabt.
Nun noch ein Gedanke zu Elterngesprächen:
Ich habe in Elterngesprächen oft den Eindruck, dass Sachebene und Gefühlseben sich gegenseitig behindern.
Die meisten Eltern reagieren auf die Aussicht, ein Gespräch mit "der Schule" zu führen, mit einem natürlichen Verteidigungsreflex. Man will dem Kind nichts nachsagen lassen, es vor dem (bösen) Lehrer beschützen, seine Interessen wahren. Aus dieser Haltung heraus können Eltern manchmal nicht wahrnehmen, dass man trotz einer kritischen Aussage dem Kind nichts Böses will.
Auch die Mutter in Deinem Beispiel reagiert ja mit der Aussage:"Die Maßnahme sei ungerecht und überzogen, denn die anderen Schüler hätten ja zwei Tage länger (bis Mittwoch) für die Aufgaben Zeit und außerdem (müsstest Du) ja noch die 50 %-ige (bescheinigte) Schwerbehinderung ihres Sohnes berücksichtigen. Ihr Sohn habe das also nicht machen müssen."
Tatsächlich hatte der Junge aber zuvor die gleiche Hausaufgabenzeit wie alle anderen auch und bekommt nun von Dir sogar zusätzliche Zeit um seine Arbeit abzugeben.
Nach meiner Erfahrung hilft es manchmal, wenn man die Eltern auf der Gefühlsebene anspricht. Eine Eröffnung mit: "Ich mache mir Sorgen um (Name)" ermöglicht es manchen Eltern, eine andere Haltung zum Lehrer und dem Gespräch einzunehmen. Sie sehen dann, dass man sich - wie sie selbst - um ihr Kind sorgt und sind eher bereit, das Problem nicht beim Lehrer zu suchen, sondern in der jeweiligen Sache und mit einem gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auch während des Gesprächs ist es hilfreich, die Gefühlslage anzusprechen, wenn sie deutlich zu spüren ist, z.B. "Ich sehe, Sie machen sich Sorgen." oder "Sie sind jetzt ganz traurig, dass das wieder passiert ist." Dann ist manchmal der Druck aus dem Kessel.
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| Was immer du tust: Denk´bitte daran, dass du | | von: lupenrein
erstellt: 06.05.2012 13:10:26 |
auch nach der ZP dieses Jungen weiter guten Unterricht machen willst.
Lässt du zu, dass du, nachdem du dir mit dem Knaben "ein Bein ausgerissen hast" und er trotzdem die ZP versiebt, weil er nicht will
(er ist trotz ADHS 17! und weiß ganz genau, was er tut),
auch nur den Anflug eines Schuldgefühls entwickelst, weil dieser Stiesel eigene konträre Vorstellungen entwickelt hat, ist das für deine seelische Hygiene kontraproduktiv, aber sowas von!
Jedes Jahr einen von der Sorte übermitfühlend begleiten, macht aus dir einen Kandidaten für seelische Probleme.
Lass das nicht zu! |
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