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Forum: "schule 2020"
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 | schule 2020 |  | von: rolf_robischon

erstellt: 24.01.2004 18:42:42 |
dieses interview hab ich bei StormingBrains gefunden, bei den schul-utopien.
kann doch auch mal hier zu lesen sein, oder?
Fitte Vierjährige in die Schule
Unsere Bildungsstrukturen müssen über den Haufen
geworfen werden - zu diesem Ergebnis kommt die Studie
des Baseler Prognos-Instituts im Auftrag der Vereinigung
der Bayerischen Wirtschaft. An "Bildung neu denken! Das
Zukunftsprojekt" (Leske + Budrich-Verlag) arbeiteten mehr
als 70 Experten aus Wissenschaft und Erziehungspraxis
mit. Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin
und Erziehungswissenschaftler, stellt die Ergebnisse vor.
Herr Lenzen, im Jahr 2020 sind Sie wie alt?
73, wenn ich noch lebe.
Was werden Sie dann tun?
Immer noch arbeiten und mich fortbilden, wie der größte
Teil der Bevölkerung. Denn Bildung wird in Zukunft einen
ganz anderen Stellenwert haben.
In Ihrem Szenario steht: Einschulung mit vier Jahren. Ist
das Ihr Ernst?
Ja, künftig werden Kinder früher zur Schule gehen, mit
spätestens 17 Abitur machen und mit 21 ihr Studium
abschließen. Ihre Mütter werden nach der Geburt viel
früher an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Wir werden es
uns im Jahr 2020 angesichts einer dramatisch
schrumpfenden Arbeitsbevölkerung gar nicht mehr leisten
können, arbeitsfähige Menschen außen vor zu lassen.
Manche Vierjährige malen schon Buchstaben, andere
haben Mühe, einen vollständigen Satz zu sagen oder fünf
Minuten still zu sitzen. Wie sollen die lesen lernen?
Man wird nicht jeden Vierjährigen in ein Klassenzimmer
setzen können. Wir haben Vierjährige, die sind so weit wie
Achtjährige und umgekehrt. Diese Unterschiede muss man
aber nutzen.
Wie?
Die Grundschule der Zukunft wird viel flexibler und eng
verzahnt mit dem Kindergarten sein. Fitte Vierjährige aus
dem Kindergarten üben in einer Lerngruppe mit
Grundschülern lesen und schreiben. Entscheidend ist nicht
mehr das Alter, sondern die individuelle Fähigkeit.
Der klassische Kindergarten mit Vorschule ist somit ein
Auslaufmodell?
Ja, er wird Teil der Grundschule, wo vor allem gelernt wird.
Spielen bedeutet doch auch lernen.
Nein, Spielen ist kein Lernen. Lernen muss angeleitet sein,
damit es einen Effekt hat, lesen lernen etwa.
Stiehlt der Staat den Kleinen damit nicht ein Stück
unbeschwerte Kindheit?
In Holland lernen schon Vierjährige lesen und schreiben.
Unser Einschulungsalter liegt bei 6,5 bis 6,7 Jahren. Das ist
zu spät. Die Hirnforschung zeigt, dass sich Lernfenster, die
Kinder besonders aufnahmefähig für Fremdsprachen und
Mathematik machen, mit 5,5 Jahren schließen.
Darüber streiten sich die Gelehrten noch. Sie setzen Kinder
und Eltern einem ungeheuren Leistungsdruck aus.
Ja, wir brauchen massiven Druck auf die Gesellschaft. Die
hat noch nicht begriffen, dass nicht das Gesundheitssystem
oder die Rente unser größtes Zukunftsproblem ist, sondern
unsere Bildung. Sie ist unsere einzige Ressource und der
wichtigste Schlüssel, um unsere Probleme zu lösen.
Packen Sie damit nicht zu schwere Lasten auf
Kinderschultern?
Das wird individuell verschieden sein. Manche Kinder
werden wie heute zehn Jahre alt sein, wenn sie die
Grundschule verlassen, andere jünger. Das gilt auch für die
weiterführenden Schulen, das Gymnasium oder die neue
Sekundarschule.
Moment mal, wollen Sie Hauptschule und Realschule
abschaffen?
Das dreigliedrige Schulsystem ist gescheitert, wir werden
nur noch die Sekundarschule und das Gymnasium haben.
In einigen Bundesländern ist die Hauptschule ohnehin nur
noch Restschule.
In Baden-Württemberg besuchen 20 Prozent der Kinder, in
Bayern immerhin 38 Prozent eine Hauptschule, die als
klassisches Reservoir für Facharbeiter gilt. Was wird aus
ihnen?
In Zukunft lernen stärkere und schwächere Kinder in einer
Gruppe, das System wird viel durchlässiger, die Kinder
werden nicht mehr frühzeitig auf einen einzigen
Bildungsweg festgelegt. Wir wollen damit das Niveau
erhöhen, denn wir brauchen im Jahr 2020 vor allem
Facharbeiter auf hohem Niveau und Akademiker.
Was macht Ihr neues Schulsystem besser?
Es geht stark auf das einzelne Kind und sein Lerntempo
ein. Die Lehrer machen nicht mehr Mathematik, Kapitel 13,
für 20 Kinder, sondern bereiten für jedes Kind ein
individuelles Pensum vor.
Wie sieht der Lehrer der Zukunft aus?
Er ist Lehrprofi auf höchstem Niveau, ohne Beamtenstatus.
Das erfordert diagnostische Fähigkeiten, die
anspruchsvoller sind als die eines Arztes. Er hilft seinen
Schülern, Lernprozesse selbst zu steuern, zeigt ihnen, wie
sie individuell am besten Vokabeln lernen. Er ist ganztags
in der Schule und Ansprechpartner auch für Eltern und den
"Kiez", also die Umgebung; er berät Kinder bei
Hausaufgaben und betreut sie, wenn sie Sorgen haben.
Gibt es 2020 noch Zeugnisse?
Nein, es gibt Leistungspunkte und inhaltliche Bewertungen.
Die sagen mehr aus als Noten. Auch Sitzenbleiben wird es
nicht mehr geben.
Statt Ferien will Ihre Expertenrunde kürzeren "Schulurlaub"
einführen.
Wir werden alle sehr viel mehr arbeiten müssen. Das
müssen auch die Kinder frühzeitig lernen.
Was bedeutet Bildung im Jahr 2020? Immer noch Schiller,
Goethe und Pythagoras?
Unser Bildungsideal stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Damals löste eine bürgerliche Elite die Adelsgesellschaft
ab. In Zukunft weist Bildung keine Standesgesellschaft
mehr aus, die andere ausschließt. Jeder wird sich ein Leben
lang weiterbilden müssen, bis ins hohe Alter. Denn Bildung
wird nicht mehr darüber entscheiden, ob wir parlieren
können. Sondern ob wir genug zu essen haben.
Interview: Ingrid Eißele |
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
erstellt: 24.01.2004 19:55:54 geändert: 24.01.2004 19:57:22 |
hab den artikel von rolf nur überflogen (mehr schlecht als recht aus zeitmangel).
Aber kaan, schließt lernen denn das spielen aus? ich merke immer wieder ob mit 5ter oder 10ter KLasse, dass ich durch spielen in sämtlichen ausprägungen super sachverhalte vermitteln lassen kann. weil: spielen = trieb = intrinsische motivation = GAL (nein, nicht GAU) = größtmöglicher Lernzuwachs.
also, was spricht gegen spielerisches Lernen. Bin jetzt nicht der Grundschulspezialist, aber wird sowas nicht auch schon in der Vorschule mit 4jährigen gamacht?
nuja, später mehr von mir,
gürße vom arbeitsamen ruedi
P.S. warum sollte es 4teachers 2020 nicht mehr geben? Wenn auch unter anderem Namen, 5 Jahre haben wir auch schon fast auf dem Buckel. Außerdem hab ich meinen Auto vor 13 Jahren auch nicht mehr allzu lange gegeben. Mittlerweile isses 41 Jahre alt. Nur ne Frage der Pflege, hehe! |
 | Und überall sonst... |  | von: thomas

erstellt: 09.02.2004 21:28:16 geändert: 09.02.2004 21:48:59 |
...lernen sie bereits ab der Geburt...
(aber vielleicht sogar auch in Irland, wer weiß... )
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Ein wenig ernsthafter: @inumi: mit der POS hast Du, denk ich, vor allem insofern recht, als dass sich doch immer wieder zeigt, dass die frühe Aussortiererei nix taugt - aber darüber gibts ja auch jede Menge Studien, und dass deutsche Grundschüler im Vergleich mit sanderen Ländern besser abschneiden als die Schüler der SEK I, spricht auch eher gegen diese frühe Stigmatisierung...
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"Man wird nicht jeden Vierjährigen in ein Klassenzimmer
setzen können." - Schlimm wär das, wenns ginge... - vor allem muss man vielleicht doch mal vom Klassenzimmer wegkommen...
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Und Spielen und Lernen schließen sich doch nicht aus, denk ich.
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Und schließlich: Neil Postman sagt ja vor allem, dass die Kindheit als geschützter Raum entfällt - oder anders: dass es immer weniger Abgrenzungen zwischen Kindheit und Erwachsenenalter gibt, die unter anderen (und vor allem) durch den Zugang der Kinder zu Massenmedien entfallen... - Wenn Lenzen nun aber meint: "Wir werden alle sehr viel mehr arbeiten müssen. Das müssen auch die Kinder frühzeitig lernen" - dann tut er genau das, was Postman kritisiert - nämlich den geschützte Raum Kindheit weiter reduzieren. |
 Beitrag (nur Mitglieder) |
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