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Forum: "Wozu brauche ich das alles?"
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 | Wozu brauche ich das alles? |  | von: ivok

erstellt: 19.02.2012 08:55:53 |
Immer wieder konfrontieren mich meine Schüler mit der Sinnfrage:
Wozu brauche ich das alles? Warum soll ich Französisch lernen oder Logarithmen? Wenn ich groß bin, suche ich mir sowieso einen Beruf, der mir Spaß macht und dann brauche ich das alles nicht, Einstein war auch schlecht in der Schule usw. ...
Natürlich ist mir selbst klar, wozu man das alles braucht, dass es wichtig ist, sich eine breite Bildungsgrundlage anzueignen, sich auch mit Dingen zu beschäftigen, die einem nicht so einfach zufallen, idealerweise in das Prinzip des lebenslangen Lernens hineinzuwachsen, Bildung als Wert und Lebenssinn zu begreifen, Spaß an geistiger Tätigkeit zu haben, sich so die Chance zu erarbeiten, einmal zu einem selbständig und unabhängig denkenden Individuum zu werden, denn letztendlich kann sich die Menschheit nur durch solche Triebkräfte weiterentwickeln.
Aber wie verpacke ich dieses intellektuelle Blabla nun pubertätsgerecht? Wenn ich so an die Sprüche meiner Lehrer denke, à la Du lernst nicht für die Schule, sondern für's Leben, dann hat mich das damals auch nicht wirklich überzeugt.
Vielleicht hat ja der eine oder andere von euch für solche Situationen ein paar knackige Argumente oder Strategien parat, die auch bei etwas kürzeren Menschen ankommen.
Gruß, ivok |
 | neulich mit 9ern in Mathe diskutiert |  | von: ttthat

erstellt: 19.02.2012 11:48:32 |
Genau die Frage kam neulich auf, nachdem wir uns eine gefühlte Ewigkeit mit der (eigentlich sinnlosen) Berechnung von Kegeln und Pyramiden herumgequält hatten. Die Schüler ganz fatalistisch: "weil's im Buch steht", "weil wir müssen"...
Dann habe ich mich zum advocatus diaboli gemacht und gefragt, wer denn ehrlich glaubt, dass irgendein Mensch die Volumenberechnung von Kegeln braucht. Die Schüler ganz brav "in der Eisdiele..." Ich: "Quatsch, in der Praxis reicht die Erfahrung und ein grobes Überschlagen. - Wozu also?"
Meine Antwort: "Wir lernen das nicht, weil wir genau diese Kompetenzen irgendwann brauchen würden. Wir lernen hier mathematische Rezepte anwenden, abwandeln und auf komplizierte Probleme übertragen. Das braucht jeder, der irgendwann mal was mit Naturwissenschaften, Ingenierwissenschaften, Handwerk, Wirtschaftswissenschaften zu tun haben wird. Überall Formeln, die man kennen und anwenden muss.
Wozu brauchen Leute das, die z.B. mal Jura studieren wollen? Weil es auch hier darum geht, bekannte Rezepte auf neue Probleme anzuwenden." Die Schüler hat die Offenheit beeindruckt. |
 | ähnlich wie ttthat |  | von: caldeirao

erstellt: 19.02.2012 12:36:06 |
ich nutze auch viele Gelegenheiten um einen Bezug zur Praxis herzustellen. Meine SuS sind zwar leistungsmäßig schwächer und da ist es mit dem Bezug zur Praxis sicher einfacher, aber das Problem steht trotzdem.
z.B. habe ich Gleichungen mit meinen SuS bis zum Abwinken geübt. Es ging mir darum, dass sie lernen, einen Algorithmus abzuarbeiten. Quadratische Gleichungen gelangen ihnen ganz gut, z.T. besser als den MitschülerInnen. Ich nutzte die Chance, noch mal auf den Fakt, dass wir damals so intensiv Gleichungen gelöst haben, hin und wecke damit präventiv die Einsicht, dass das für die gesamte Entwicklung wichtig ist.
Aber ich kann die SuS zum Teil auch verstehen. Oftmals werden sie mit Hilfe des Trichterprinzips mit Wissen abgefüllt. Wenn ich sehe, dass z.B. das Trägheitsgesetz mit F=0, a=0 und v=konstant (Vektorpfeil weggelassen) gelehrt wird, dann frage ich mich wirklich, wozu das Hauptschüler brauchen. Mit dem Satz, wenn die Resultierende aller Krafte gleich null ist, dann befindet sich der Körper in geradl. gleichförmiger Bewegung oder in Ruhe, damit können die SuS nichts anfangen, weil sie weder wissen was die Resultierende ... ist, noch sich das vorstellen können. Wenn sie fleißig sind, lernen sie maximal für die Arbeit diesen Satz auswendig, der morgen vergessen ist. So könnte ich jetzt seitenweise Beispiele anfügen. Und dann ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit aus meiner Sicht berechtigt.
Lange Rede kurzer Sinn
Lernstoff mit Praxisbezug und handlungsorientiert vermitteln
präventiv darauf hinweisen, wenn wir Techniken, die wir früher gelernt haben, jetzt anwenden |
 | An der HS einfacher |  | von: ishaa

erstellt: 19.02.2012 14:34:07 |
An der HS ist es z.T. einfacher zu begründen, warum die Schüler bestimmte Dinge lernen sollten. Mathe lasse ich da jetzt mal außen vor, da ich mich da in den oberen Klassen nicht so auskenne.
Viele Schüler sehen z.B. nicht ein, warum sie irgendetwas an ihrer katastrophalen Rechtschreibung verbessern sollten. Im Chat versteht man sie auch so, der Compi hat die Rechtschreibprüfung und für die Bewerbungen findet sich immer jemand, der sie korrigiert. Da erzähle ich dann gerne mal aus der Zeit, in der ich Lesen und Schreiben für Erwachsene in Abendkursen unterrichtet habe. Von der jungen Frau, der der neue Freund immer nette Zettelchen in der Wohnung hinterlassen hat und die das auch gerne mal tun wollte, aber Angst hatte, dass er dann merkt, dass sie nicht richtig schreiben kann. (Heute wären das dann eher SMS). Von den jungen Vätern, deren Kinder kurz vor der Einschulung standen und die sich plötzlich mit der Frage rumschlugen, was sie denn machen sollen, wenn Sohnemann sie fragt, wie man etwas richtig schreibt etc.
In den Sachfächern unterrichten wir eh sehr lebensnah (ich jedenfalls ), dann haben wir (in NRW) so viele schöne Fächer wie Technik, Hauswirtschaft etc., wo sich von selbst versteht, warum das von Bedeutung ist. Vieles fasse ich unter die Rubrik: "Man soll euch später nicht übers Ohr hauen können." Sie sollten in der Lage sein, ihren Mietvertrag zu lesen, einen Überblick über Ratenzahlungen zu haben, wissen, ob das Geld im Portemonaie fürs Bezahlen an der Kasse reicht, wissen, wann sie mit ihren Kindern dringend zum Arzt gehen sollten etc.
Ich kann mir vorstellen, dass das Begründen an anderen Schulformen manchmal etwas schwieriger ist. |
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