Nordrhein-Westfalens Kultusministerin Behler versucht das Unmögliche: das lange und komplizierte Lehrerstudium zu verändern. Einen Bachelor machen und dann Lehrer werden - oder was anderes aus Düsseldorf ISABELLE SIEMES
Zu lang und zu praxisfern, so lautet seit langem die Kritik am Lehrerstudium. Deutsche Lehramtsstudierende verbringen zu viele Semester an der Hochschule. Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Gabi Behler (SPD), Herrin über 14 Universitäten, drückt jetzt bei der Paukerausbildung aufs Tempo. Nachdem Experten ihr im Februar Vorschläge für eine Reform des Lehramts übergeben hatten, machte Behler in nur vier Monaten einen konkreten Entwurf daraus: Die Lehrer sollen künftig einen Bachelor-/Masterstudiengang (BA/MA) absolvieren.
Alle Studierenden, Lehrer und Magister sollen künftig zunächst ein gemeinsames sechssemestriges Bachelor-Studium absolvieren. Zusätzlich zu den Fachseminaren besuchen sie dabei Praktika und Seminare, in denen so genannte soft-skills wie Kommunikation, Fremdsprachen und Didaktik gelehrt werden. Danach können die BA-Absolventen einen Master daraufsetzen. Sie können einen wissenschaftlichen Master of science oder eben einen Lehramts-Master wählen. Für Gymnasiallehrer soll der Master vier Semester dauern, für Grund-, Haupt- und Realschullehrer zwei.
Neues Referendariat
Die Ministerin ist sogar willens, das umstrittene, aber gegen Veränderungen bislang gefeite Lehrer-Referendariat zu verändern, das ist die zweijährige Praxisphase nach Abschluss des Studiums. Der Eintritt ins Referendariat könnte dann auch direkt nach dem Erwerb des Bachelors erfolgen.
Die NRW-Hochschulen sollen noch bis Ende des Jahres Konzepte entwickeln, um die Lehrerausbildung in das BA-Studium einzupassen. "Wir wollen aber keinen eigenen Lehramts-Bachelor", betont Behler. Anfang 2002 will die schnelle Ministerin entscheiden, welche Unis den Zuschlag für eine siebenjährige Erprobungsphase erhalten. Konkurrierende Konzepte sind dabei ausdrücklich erwünscht. Parallel zum 7-Jahres-Plan soll das traditionelle Lehramt weitergeführt werden.
In den meisten Hochschulen wird noch hinter verschlossenen Türen an der schwierigen Verzahnung von Magister bisher mit einem Haupt- und zwei Nebenfächern, Diplom mit einem Hauptfach und Lehramt mit zwei Hauptfächern in einen gemeinsamen BA-Studiengang getüftelt. Die Uni Bochum will schon im kommenden Wintersemester BA-MA-Studiengänge einführen, die auch das künftige neue Lehramt ermöglichen. Durch Module soll das Studium durchlässig und flexibel machen. Module sind sechs oder acht Semesterwochenstunden umfassende Lehreinheiten, die auch für andere Studienabschlüsse verwendbar sind.
Kern des Bochumer Modells sind so genannte Wahlpflichtbereiche, in denen die Lehrerstudenten zusätzlich zum Fachstudium berufsqualifizierende Module wählen: Praktika in Industrie, Wirtschaft oder Schulen sowie Seminare zu Kommunikationskompetenz, Fremdsprachen und Wissensvermittlung. Der BA soll in Bochum für Studis angeboten werden, die sich auf ein oder zwei Fächer konzentrieren. "Wer von Anfang an Lehrer werden will, beginnt einen 2-Fach-Bachelor und kann sich im Wahlpflichtbereich schon auf den Lehrerberuf vorbereiten", erklärt Roland A. Fischer, Prodekan der Uni Bochum.
Studis, die nur ein Fach gewählt haben, können während der BA-Phase fachwissenschaftliche Scheine für das zweite Fach sammeln. In der Master-Phase werden die fehlenden Module fürs zweite Fach nachgeholt. Zudem können die Studis sich Module aus dem ersten Fach, etwa bei der Kombination Chemie und Biologie, anrechnen lassen.
Auch Behlers Angebot, den Master mit dem Referendariat zu verbinden, wird an machen Unis diskutiert. So führt die Uni Bielefeld bereits Gespräche mit den Studienseminaren, die fürs 2. Staatsexamen zuständig sind. Wenn Referendariat und Praxisphasen im MA fusionieren, würde die Lehrerausbildung deutlich beschleunigt. "Derzeit dauert die Ausbildung sieben Jahre, künftig können Studenten nach dem BA in drei Jahren ihren Beruf planen", preist Gerhard Sagerer, Prorektor der Uni Bielefeld, das neue Modell, in dem die Jobperspektiven viel besser absehbar seien. In der Uni Düsseldorf, die schon seit 1997 ihre Studenten zu Realitätserkundungen in Museen, Verlagen und Presse schickt, wollen die Reformer den Praxisanteil vom zweiten Semester an ausbauen. "Die bestehenden Module sollen durch Schulpraktika und Medienkompetenz ergänzt werden", sagt Didaktiker Gerhard Rupp.
Kritisch sieht der Pädagoge Ewald Therhart von der Uni Bochum das neue Lehramt: "KMK und Bundesregierung halten am Konzept der grundständigen Lehrerausbildung fest." Statt einen "Sonderweg" zu beschreiten, solle NRW lieber das bestehende Lehramtsstudium reformieren. Verstärkung erhält Therhart von Johannes Wildt vom Hochschuldidaktischen Zentrum der Uni Dortmund: "Aus Sicht der Lehrer gibt es keinen zwingenden Grund umzusteigen." Gerade die späte Anbindung an die Praxis wiederhole die Fehler des bisherigen Studiums, an dessen Reform NRWs Pädagogen seit drei Jahren arbeiten. Seit einem Jahr liegen bereits eine Novelle des Lehrerausbildungsgesetzes sowie eine neue Prüfungsordnung vor. Auch die sollen Wirklichkeit werden - denn die Ministerin will den neuen Masterlehrer und gleichzeitig eine Reform des alten Lehramts. Das bessere Modell soll siegen.
(Quelle: taz Nr. 6481 vom 27.6.2001, Seite 17, 178 TAZ-Bericht, ISABELLE SIEMES)