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Forum: "Unsere Geschichte - uns egal?"
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| Unsere Geschichte - uns egal? | | von: snoopy65
erstellt: 07.03.2006 19:14:01 |
Also, ich behandle mit meinen Schülern gerade das Thema "Vom Deutschen Bund 1815 zum Deutschen Reich 1871" und wollte eigentlich hier bei 4teachers mal schauen, was KollegInnen denn so zum "Lied der Deutschen" Von Heinrich Hoffmann von Fallersleben" so gemacht haben ...
Und ...? Nichts, nothing, nada, rien ...
Startet so eine Anfrage - in der Entsprechung natürlich - mal in Lehrer-Foren in England, Frankreich oder gar den USA!
Wenn ich darüber nachdenke, wird mir ganz anders.
Geschichte, liebe Leute, fängt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger 1933 an und wird von einem kollektiven Kopfschütteln gefolgt, am Besten noch mit der Frage "Wie konnte es so weit kommen!?"
Vielleicht würde es helfen, in die eigene (!) Geschichte zu sehen, zu sehen wo für so manches - hinterher pervertiertes - die Ursachen liegen.
Auch zeigt mir dieses Nicht-Behandeln unserer - übrigens demokratischen - Staatswurzeln ein so gestörtes Verhältnis zu unserer Heimat, dass ich mich über so manche tagespolitische Diskussion nicht wundere.
Wollte ich mal loswerden, evtl. gar als Anstoß mal nachzudenken!
LG snoopy 65
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| Der Anstoss ist ja nicht schlecht.... | | von: rhauda
erstellt: 07.03.2006 19:59:59 geändert: 07.03.2006 20:01:26 |
...ich glaube schon, dass der Geschichtsunterricht, so wie ihn die heutige Didaktik vorsieht, eine Diskussion wert ist.
Ich möchte einmal meine Erfahrungen schildern:
Ich habe Wahlpflichtkurse in Kunst und mache immer in Klasse 9 und 10 neben den Praxis linear einen Streifzug durch die Kunstgeschichte, beginnend mit dem frühen Mittelalter, endend bei zeitgenössischen Künstlern.
Ich weiß, dass die Kollegen in Geschichte eine Menge durchgenommen haben. Ich weiß, dass die Reformation rauf und runter gemacht wurde. Ich weiß, dass der ganze Jahrgang den Luther-Film gesehen hat.
Dass niemand bei dem Stichpunkt bahnbrechende Neuerungen in Wissenschaft, Religion und Politik in der Renaissance auf Buchdruck, Weltumsegelung, Entdeckung Amerikas oder Reformation kommt, dass sie überhaupt irgendetwas nennen können, das innerhalb dieser fast 200 Jahre
passiert ist, daran habe ich mich ja schon gewöhnt.
Dass bei Schülerinnen und Schülern aus der 9. Klasse (von denen 2/3 konfirmiert sind) nicht EINER sagen konnte, WAS Luther denn reformiert hat oder wer Luther war, das machte mich beim ersten mal sprachlos. Mittlerweile fange ich also wieder bei Adam und Eva an, lasse knallhart Zahlen und Fakten lernen und prüfe sie auch ab in Zusammenhang mit den Künstlern und den Kunstwerken. Ganz linear, immer wieder zurückgreifend und Entwicklungen aufzeigend.
Das ist richtig Vortragsunterricht, Lehrerzentriert und paukschulenmäßig.
Die Schüler finden es klasse, die Rückmeldungen der an das Gymnasium gewechselten Schüler sind außerordentlich positiv, sie fühlen sich durch den Kunstunterricht für Geschichte besser vorbereitet als durch den Geschichtsunterricht und die Schüler sagen: "AAAAACH soooo. Das hab ich vorher nie richtig verstanden." (oder sich nie richtig interessiert).
Liegt es an den immer schlimmeren KÜrzungen in der Stundentafel? Liegt es an dem Verwenden des Exemplarischen (nach demMotto "wir machen EINE Revolution, egal welche") oder an dem ewigen Standbilder bauen zur Französischen Ständegesellschaft? Auf jeden Fall stehen all die Mühen der Kollegen in keinem Verhältnis zur Ertrag. Erst wenn es ernst wird und um die Abschlüsse geht, wird sich mal richtig mit einem Thema beschäftigt.
Es kann doch wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass nur reine Paukerei zum Ziel führt.
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