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Forum: "Pfui, sowas sagt man nicht."
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| Pfui, sowas sagt man nicht. | | von: queereinsteiger
erstellt: 19.03.2005 20:40:45 |
Ich bin Referendar und hatte neulich ein Praktikum am Internat. War also enger mit Schülern zusammen als sonst so im Unterricht. Beim Mittagessen, als dann der eigentlich aufsichtsführende Lehrer weg war, erzählten die Schüler sich Witze über Sex. Plötzlich verschluckte sich einer fast mit Seitenblick auf mich in der Erkenntnis "Es ist ja ein Lehrer da!" Und ich dachte mir bloss: "Tja, da ich hab wohl gerade meinen Einsatz verpasst."
Denn eigentlich gestört hat mich nur einer der Witze. Nicht wegen der Worte "ficken" oder "Nutten", sondern in dem Fall wegen der Abwertung (Was ist der Unterschied zwischen einer Nutte und einer Pizza? - Ne Pizza gibt es auch ohne Pilze), die die Gesellschaft (nicht nur pubertierende Schüler) auch nach dem neuen Prostitutionsgesetz diesem Dienstleistungsberuf noch entgegenbringt (und auch die Freier, die den Service aufsuchen, verstärken diese Doppelmoral oft nur). Wenn ich also was kommentiert hätte, dann nicht die Wortwahl (sowas sag ich privat auch, allerdings weiss ich genau, wie ich dann dazu stehe und sage es ohne Verachtung), sondern die Thematik an sich.
Wie findet ihr das? Wie sollen sich Lehrer/innen verhalten? Euch ermahnen, euch informieren, oder euch einfach in Ruhe lassen? Sollen sie authentisch sein und zu dem stehen, was sie selber leben, oder sollen sie ein moralisches Vorbild sein - und wenn ja, was ist ein moralisches Vorbild? Jemand, der nicht ficken sagt oder jemand, der zum Thema Ficken eine Grundethik hat(wichtig ist, dass alle Beteiligten das, was sexuell abgeht, wirklich wollen; dass es für alle Beteiligten geil ist und niemand gezwungen oder überredet wird und das man auch hinterher noch respektvoll(!) miteinander umgeht und nicht übereinander lästert "voll die perverse Schlampe, die hat sich das-und-das machen lassen"; dass man sich klar drüber ist, was man tut und auch hinterher noch zu stehen kann, was man im Bett mag; dass man es nur in klarem Zustand (nicht voll auf Alk. etc) und verantwortlich (safe) macht)? Soll ich lieber sowas vermitteln (würde Schüler/innen sowas helfen???) oder besser den Mund halten oder einfach nur dafür sorgen, dass Sex in Gegenwart eines Lehrers tabu bleibt??? |
| Das sagen, was dich genau in dem Moment stört | | von: rub
erstellt: 19.03.2005 21:10:12 |
ist wohl das sinnvollste, kommt auch auf dich an. Ich hätte sicher gesagt, dass ich solche Witze ziemlich daneben finde, aber weiß, das Schüler in einem gewissen Alter eben nur noch auf dieser Ebene kommunizieren können. Ich weiß aber, dass die SuS, wären sie bei mir gewesen, mich kennen würden und natürlich auch wissen würden, dass ich sie mit einer solchen Äußerung nur ein bischen hochnehmen, nicht abwerten will. Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass die Kritik kurz rüber kommt, aber auch ein gewisses Augenzwinkern. Nichts schlimmer als ein ausführlicher moralischer Vortrag, bringt meiner Ansicht nach in dem Alter sowieso nur in absoluten Ausnahmefällen was.
Die SuS müssen sich schon auch in dem Bereich ernst genommen fühlen, da eben leider in einem gewisen Alter gerade bei Jungs im Kopf für nicht mehr viele andere Dinge Platz ist.So zu tun, als wäre Sexualität und alles was damit zusammenhängt für Schule und Lehrer ein Tabuthema ist ja wohl eher lustig, vor allem wenn man nur ein halbes Stündchen abends fern sieht.
Denke es macht eher Sinn das dann mal grundsätzlich im Unterricht aufzugreifen und eine Stunde zu Sprache und damit verbundene Wertungen zu machen. lg rub |
| Authentizität | | von: queereinsteiger
erstellt: 19.03.2005 21:31:40 |
Danke, Rub. Aus deinen Beiträgen hör ich raus, dass dich aber schon auch die Sprache und die massive Betonung von Sex stört. Damit hab ich (28) gar kein Problem - ausser dass ich denke, dass ich als Lehrer nach Meinung der Kollegen und sogar der Schüler scheinbar eins damit haben sollte. Es gab auch Witze darunter, die ich selbst lustig fand. Ich hab dann eher das Problem, als Lehrer nicht auf demselben sprachlichen Level reagieren zu dürfen, wie ich es vielleicht spontan täte.
Allerdings gibt es auch immer wieder mal Situationen im Alltag, wo ich es wichtig finde, Stellung zu beziehen. (Auch ohne Witz kann man eine verächtliche Aussage über "die Damen vom horizontalen Gewerbe" machen, auch da stört mich dann die Verachtung - vielleicht sogar noch mehr: bei den Schüler/innen möchte ich gern dafür sorgen, dass sie als Erwachsene nicht genauso
doppelmoralin werden...) Das ist privat nie eine Moralpredigt, sondern immer auch ein Outing, eine Preisgabe, wo ich sehr zu mir stehe und auch Dinge über mich erzähle, die ich in der Schule ganz sicher besser nicht sage (und auch damit hab ich dann ein Problem, denn eigentlich find ich die persönliche Stellungnahme wichtig)...
Es wär aber schön, wenn auch noch ein paar Schüler/innen hier ihre Meinung äußern...
wie geht's euch damit, wie sehr erwartet ihr vielleicht von einer/m Lehrer/in auch eine gewisse Konventionalität/Konservatität!?
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| klartext reden | | von: skole
erstellt: 20.03.2005 18:48:10 geändert: 20.03.2005 18:48:47 |
also gerade als frau fühle ich mich mit einigen witzen meiner schüler überhaupt nicht wohl, vor allen dingen wenn sie ein frauen, bzw.männerbild wiedergeben, dass ich mir für unsere gesellschaft nicht wünsche.
ich finde da muss man auch mal klartext reden und mit den jugendlichen darüber sprechen, wo die wertschätzung eines anderen anfängt.
dabei geht es weniger um begrifflichkeiten,sondern um inhalte.manche wörter machen ja auch spass, weil sie andere verunsichern..
die besten erfahrungen habe ich damit gemacht, die schüler ernst zu nehmen und mit ihnen über ihre witze und das was sie auslösen zu reden.
und ich finde witze über sex gehören zur normalen entwicklung dazu, oder?
gibt doch auch gute witze..
vielleicht sollte man die dann mal thematisieren und von den anderen, verachtenden witzen abgrenzen.
bei mir in der klasse hängt eine regel: spaß ist, wenn beide seiten lachen...
in diesem sinne, machen wir den kindern das leben nicht zu schwer, zeigen wir ihnen nur was wir mögen und was nicht...
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