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Forum: "Kriterien für die Empfehlung an die weiterführenden Schulen"
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| Kriterien für die Empfehlung an die weiterführenden Schulen | | von: clausine
erstellt: 28.10.2006 18:00:22 |
Liebe KollegInnen,
ich hoffe, Ihr gähnt nicht. Ganz brav habe ich die Suchfunktion betätigt und bekam 135 Seiten mit diversen Schulrallyes und Schreibanlässen zu den weiterführenden Schulen. Nein, das brauche ich jetzt nicht! Wir in NRW müssen in diesem Schuljahr erstmals eine Empfehlung für die weiterführenden Schulen schreiben, die auch eine weitere Empfehlung "mit Einschränkung" beinhalten kann.
Ich verzweifele bei einigen Schülern daran. Habe mir eine Klassenliste angelegt, positive und negative Gründe für / gegen bestimmte Schulformen für jeden einzelnen Schüler aufgeschrieben und merke mal wieder: es gibt einfach nicht DEN Realschüler, DEN Hauptschüler usw. Erschwerend kommt noch, finde ich, hinzu, dass meine Klasse überwiegend aus potentiellen Hauptschülern besteht und ich bei jedem, der nur eine Winzigkeit mehr beherrscht oder mehr Fleiß an den Tag legt, schon mit der Realschule winke. Dabei tue ich diesen Schülern vielleicht die dicke Überforderung an. In dem Fall ist es gut, das es die Empfehlung "mit Einschränkung" gibt.
So, lange Rede....meine Frage an GymnasiallehrerInnen, RealschullehrerInnen und HauptschullehrerInnen:
-Was sind die "typischen Merkmale" eines Schülers, der Eurer Schule gewachsen ist? (Kriterien etwa; Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen, Sozialverhalten, Selbstständigkeit beim Lernen, Auffassungsgabe bei neuen Inhalten, Entnehmen des Sinns aus Gehörtem und Gelesenen, Methodensicherheit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Unterstützung durch das Elternhaus???????)
Clausine |
| Böse gesagt, | | von: ishaa
erstellt: 29.10.2006 00:47:46 |
schickt man uns auf die Hauptschule die Kinder, bei denen keine der genannten Fähigkeiten/Faktoren zutreffen. Idealerweise sind es Kinder, die in den Punkten Selbständigkeit beim Lernen, Auffassungsgabe bei neuen Inhalten und Entnehmen des Sinns aus Gehörtem und Gelesenen (schöne Kriterien übrigens) Defizite aufweisen. Denen könnten wir wirklich gut weiterhelfen. Aber die treffen natürlich auf die Mehrzahl derjenigen mit Defiziten in den anderen Bereichen, und dann stehen sie sich gegenseitig im Weg. Die einen könnten, wollen aber nicht und werden nicht dazu angehalten und die anderen wollten schon, können aber nicht so richtig.
Nun gut, wir haben unter den nur drei Grundschulen, von denen wir Kinder aufnehmen, zumindest eine etwas merkwürdige. Von dort kommen Kinder, die kaum lesen und schreiben können, ohne das dies angemerkt wird!
In unserem jetztigen 5. Schuljahr haben wir acht Kinder, die die Uhr nicht lesen können! Vom Verhalten in der Klasse haben wir manchmal den Eindruck, dass diese Kinder noch nie eine Schule besucht haben.
Bei den Realschulen gibt es so riesige Unterschiede, dass du dich an den Realschulen am Ort orientieren solltest. Die für unseren Bereich zuständige Realschule liegt niveaumäßig nicht viel über uns. Nur, wer sich nicht benimmt, wird aussortiert.
Und vor allem: Schickt sie lieber gleich zu uns. Die Rückläufer nach der 6 oder gar noch später, die kriegen wir vom Arbeits- und Sozialverhalten oft nicht mehr hin. Ein Sonderschullehrer sagte mir übrigens das gleiche in Bezug auf Hauptschüler.
Ich möchte nicht in eurer Haut stecken. Es sit ein Unding, so früh die Weichen stellen zu müssen!
LG
ishaa |
| Schwer zu sagen | | von: veneziaa
erstellt: 29.10.2006 08:43:49 geändert: 29.10.2006 08:46:22 |
wenn man die Verhältnisse bei euch nicht kennt.
Auch ich kann hier nur aus der Erfahrung etwas sagen, und mein Rat lautet:
Trefft euch mit Vertretern der aufnehmenden Schulen, alle gleichzeitig. Bei uns geht das sofort nach dem Halbjahreszeugnis los. Da stehen bei uns (der aufnehmenden additiven Gesamtschule, die leider auch schon ab Klasse 5 in die verschiedene n Schulzweige einteilen MUSS, Hess. Schulgesetz)) schon die Klassenlehrer fest, die natürlich auch bei den Gesprächen dabei sind. Es ist eine u.U. große Runde, aber sie nimmt allen Beteiligten die Angst vor Fehlentscheidungen..
Teilnehmer könnten sein: Die abgebenden Grundschul-KlassenlehrerInnen und -leiterInnen, die aufnehmenden Schulzweigleiter und Klassenlehrer mit ihrem Schulleiter. Wir haben z.B. ein großes Einzugsgebiet mit 5 versch. Grundschulen, da sind bei solchen Gesprächen zur Abklärung der Kriterien bzw. der Beratungshilfen auch schon mal 20-25 Leute beteiligt.
Unsere KollegInnen der Grundschulen sind dafür sehr dankbar und nehmen die zusätzlichen Termine gerne an.
Natürlich haben wir als wenigstens noch additive Gesamtschule die Möglichkeit, "Irrtümer" leichter zu korrigieren. Deshalb lassen wir relativ großzügig den Elternwunsch gelten und widersprechen nur in den äußersten Fällen. Nach 1 Jahr (lt. Gesetz) wird dann entschieden. Aber bei manchen weiß man schon nach wenigen Wochen, dass das Kind den von den Eltern gewünschten Bildungsgang nicht schaffen kann. Da werden intensive Elterngespräche geführt, damit das Kind in einen anderen Schulzweig umgesetzt werden kann.
Ich sag euch jetzt ein krasses Beispiel meiner derzeitigen Klasse (5. Klasse Gymnasium). Ein Junge hat die 2. Klasse wiederholt, hat im ersten Halbjahr der 4. Klasse ein "Versetzung gefährdet", bekam aber wegen des dringenden Elternwunsches die "Eignung mit Bedenken" für die Realschule (oh Wunder!). Nu wurden die Eltern unverschämt: Wunsch Gymnasialzweig! So, und nun habe ich den armen Kerl da sitzen, er bemüht sich ja wirklich, aber .. er kann ganz einfach in dieser Klasse (auch noch eine Turbo-Klasse: In 8 Jahren zum Abitur!! mit hammerharten Vorgaben an Inhalt und Menge) nicht mithalten.. Natürlich muss im Interesse des Kindes diese Fehleinteilung bald korrigiert werden, aber der Arme hat sich bis dahin mehr Frust abgeholt als es in der Realschule der Fall gewesen wäre. Und dass wir die "Korrekturen" dann nur über schlechte Noten leisten müssen, finde ich ganz schrecklich!
Mehr dazu gerne, schreib mich an. LG veneziaa |
| Fehlentscheidungen vermeidbar? | | von: mahakal
erstellt: 29.10.2006 09:17:13 |
Vor 3 Jahre habe ich noch an einer OS gearbeitet und bin nun an einer Realsachule. Dort habe ich eine R6 übernommen, in der auch ein Großteil meiner vorherigen OS Schüler waren und konnte daher die Kriterien zum Übergang und ihre Gültigkeit nun selber erleben. Diesmal war es zwar schwierig, da wir nach nur einem Jahr die Kinder einschätzen sollten. Aber durch die Klassenkonferenz ist es uns schon recht gut gelungen, wenn man gemeinsam Fähigkeiten, Arbeitsweise, Kritikfähigkeit der Schüler betrachtet. So mußte ich wie erwartet nach einiger Zeit Eltern mitteilen, die trotz anderer Empfehlung, die Kinder an der RS angemeldet haben, dass ihr Kind es nicht schafft und Frust durch die Überforderung aufbaut. Andererseits scheint es auch durchaus Einzelfälle zu geben, die durch erhöhte Anforderungen, sich erstmal "Warmlaufen". Wir müssen uns von dem Gedanken also trennen, dass wir hier immer richtig liegen können. Aber sagt auch nicht Pisa, dass es für unsere Kinder besser sein sollte, sie möglichst lange gemeinsam lernen zu lassen, eventuell mit unterschielichen Kursen, denn ich erlebe immer wieder Hauptschüler, die in Mathe so manchen Realschüler weit überflügen, sicher mag das auch für den sprachlichen Bereich zutreffen, oder anders Realschüler, die nur in Mathe und Nawi, kein Land mehr sehen.
Ich denke daher, die Entscheidung sollte daher auch den Blick auf das Kind haben, läßt es sich leicht entmudigen oder wird es durch höheren Anspruch eher beflügelt. Trotzdem, wir stecken nicht in dem Kind und wir sehen von dem Kind nur das, was es uns sehen läßt und nicht immer, was in ihm steckt. Im Zweifelsfall sollte der Wechsel in beide Richtungen möglich sein. Wichtig ist auch zu erkennen, will das Kind im Grenzfall die höhere Stufe besuchen, oder spricht es den Elternwunsch aus. Deswegen ist es für mich dann immer wichtig gewesen, intensive Gespräche mit en Eltern zu führen. Mal konnte ich sie überzeugen und mal war ihre Entscheidung schon sehr fest. |
| Fehlurteile inbegriffen | | von: veneziaa
erstellt: 29.10.2006 12:22:55 geändert: 29.10.2006 12:23:33 |
Das ist leider so: Fehlurteile werden in jedem Fall getroffen werden, das ist auch schon durch Untersuchungen bewiesen.
Leider, leider mussten wir in Hessen uns von der Förderstufe trennen, so dass wir zurück in die 50er, 60er Jahre fallen (mussten) und die Kinder wieder nach der 4. Klasse in die verschiedenen Schulzweige eingestuft werden müssen, im G-Zweig sogar mit verschärften Vorzeichen: G 8
Man könnte meinen, es solle ja kein Kind, bei dem die Leistung im Alter von 10 Jahren noch nicht so stabil ist, auf die Idee kommen, Abitur machen zu wollen...
Oh ja, Hochbegabtenförderung, die haben wir. Und wie!!
Für unsere "armen Socken", die schon von ihren eigenen Eltern oftmals im Stich gelassen werden, kann die Schule manchmal recht wenig tun... Unsere Hauptschullehrer leisten enorme Arbeit - und werden dafür auch noch schlechter bezahlt! Das ist einfach eine Tatsache!!
Wir müssen vielen Kindern schreckliche Erfahrungen antun, weil die Verantwortlichen NICHT zusammenarbeiten!! Damit meine ich hauptsächlich die Eltern, deren Kinder einen hohen Schulabschluss erlangen sollen, aber man lässt sie damit allein...
Da wird durch PISA aufgezeigt, dass unser Schulsystem so hundsmiserabel ist... und was passiert? Die verantwortlichen Politiker machen es NOCH schlechter..
und wir Lehrer versuchen mal wieder, die Karre (für einzelne Kinder wenigstens) aus dem Dreck zu ziehen..
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| typisch deutsch | | von: poni
erstellt: 29.10.2006 14:51:55 geändert: 29.10.2006 14:54:53 |
finde ich ist in diesem Zusammenhang, dass man sich eben gute Beispiele aus Nachbarländern NICHT zum Vorbild nimmt, sondern starr an uralten Vorstellungen festhält, bzw. in die pädagogische Steinzeit zurückfällt nach dem Motto, das haben wir schon immer so gemacht und früher war alles besser.
Gute Schulen in Deutschland schielen gerade auf andere, die mit guten Beispielen vorangehen, dabei aber nicht nach den Drillländern, sondern nach den freiheitlich-demokratischen.
Dieses Einteilen-MÜSSEN in einem Alter, wo noch nix feststeht, jednfalls bei vielen Kindern nicht, ist im Grunde ein Eingriff in das Grundgesetz: Jeder Mensch hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit!!!!! Und die armen GS-Lehrer müssen vielleicht über eine ganze Zukunft entscheiden.
Ich schiele über die Grenzen und sehe, dass es Länder gibt, in denen kein Kind zurückgelassen werden soll. Bei uns werden die, die nicht ins Raster passen, meistens nach unten abgeschoben, das nenn ich unfair und unsozial. Wen wundert da noch das Gerede über neue Unterschicht!!!! |
| Da muss ich poni zustimmen! | | von: veneziaa
erstellt: 29.10.2006 15:06:45 |
Es ist wirklich typisch deutsch, an dem alten System festzuhalten bzw. es sogar wieder hervorzukramen...
In keinem Land der Welt werden so früh die Entscheidungen getroffen, die ein ganzes Leben betreffen (können).
Warum hat man uns in Hessen nicht die wirklich gut funktionierende kooperative / additive Gesamtschule gelassen, wenigstens als Option? Da hätte man ja gesehen, dass auch Elterns diese starre Dreigliedrigkeit mit den frühen Weichenstellungen nicht wollten und nicht wollen.
Viele Jahre lang habe ich die Förderstufe in meiner Schule begleitet, konnte Vergleiche ziehen zwischen den voraussichtlichen Schulzweigzuweisungen und den tatsächlichen.. Obwohl nur zwei Jahre dazwischen lagen, hätten sich die Grundschullehrer bei vielen Einschätzungen geirrt... Eine bem,erkenswert hohe Zahl an Kindern hat sich immerhin so weiter entwickelt, dass der Besuch eines höheren Schulzweigs Aussichten auf Erfolg gewährte...
Mir tun alle Grundschullehrer leid, dass sie solche Entscheidungen treffen müssen.
Und hier eine Liste aufzustellen, dies und das und jenes will ich gerne haben für meine Realschulklasse o.ä., nein, das funktioniert nicht.
Ein schwieriges Thema - und ich weise nochmal auf meinen vorletzten Beitrag hin.
Setzt euch zusammen und beratet gemeinsam, damit die Kinder nicht ganz falsch geleitet werden.
Aus Erfahrung sag ich dir: Als aufnehmende Schule gehen wir den Grundschullehrern sehr weit entgegen und bieten Hilfen an...
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