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Forum: "Wertschätzung der Arbeit im deutschen Schulsystem ein Fremdwort?"
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| Wertschätzung der Arbeit im deutschen Schulsystem ein Fremdwort? | | von: kimcorinne
erstellt: 10.07.2007 16:32:09 |
Hallo!
Ich muss mir einmal etwas von der Seele reden. Und ich wäre dankbar für ein paar Rückmeldungen von euch - auch wenn ich mich nicht kurz halten konnte...
Ich bin vor drei Jahren nach einem längeren Auslandsaufenthalt zurück in diesen Beruf gekehrt, weil mir die Arbeit mit Kindern sehr viel Freude bereitet. Nebenher habe ich meinen zweiten Job zwar nie ganz aufgegeben, aber stark reduziert. Mittlerweile frage ich mich, ob das die richtige Entscheidung war, denn was in unserem System Schule abläuft, finde ich verachtend gegenüber Eltern, Kinder und Lehrern.
Ich frage mich, ob man als Lehrer an seiner Schule wirklich so leicht ersetzbar ist -egal, wie engagiert man ist. Verzichtet das ganze System lieber auf Qualität, bevor es sich dazu durchringt einer Person einmal Danke zu sagen oder ihre Arbeit wertzuschätzen?
Ich habe an meiner Schule viele Aufgaben übernommen, ich bin zweifache Klassenlehrerin, Verbindungslehrer, halte 4 AGS und unterrichte drei Fächer fachfremd bei 5 sprachlichen Hauptfachlehraufträgen.
An sich hat man für zusätzliche Aufgaben - so hieß es zumindest – vor meiner Zeit durchaus eine entsprechende Ermäßigung erhalten. Nun war es aber so, dass an unserer Schule außer einer Theater- und Chor-AG nie viel lief. Seit drei Jahren gibt es eine kleine Gruppe von Lehrern, die damit begonnen hat, viele notwendige Bereiche wie Streitschlichter, Schülerzeitung usw. einzuführen und zu betreuen. Wir sind an sich immer die gleiche Gruppe. Nur: Es gibt für jeden von uns eine halbe und allerhöchstens einmal eine ganze Stunde Ermäßigung für Tätigkeiten, die über das Vierfache hinausgehen. Wohlgemerkt im Ganzen betrachtet. Wer sich mehr engagiert, hat Pech, denn schließlich (O-Ton-Direktor) kann man nicht einer Lehrperson drei Stunden Ermäßigung zugestehen. Dennoch schreibt die Schule oder die Schulleitung sich all das auf die Fahnen, was wir als Kleingruppe betreuen. Das habe ich jetzt gut zwei Jahre mitgemacht – natürlich habe ich hier und da auch gefordert. Relativ zwecklos.
Nun habe ich auch – überwiegend auf eigene Kosten – eine spezielle Ausbildung im Bereich Sprachförderung neben der Schule absolviert. Da ich auch als Fachberaterin tätig bin, zieht auch die Schulaufsicht ihren Nutzen daraus. Nun schickt man etliche Eltern deren Kinder in diesem Bereich ein Problem haben, zu uns, da es ja an unserer Schule jemanden gibt, der hier beraten kann: nämlich mich, wer hätt’s gedacht. Mir hat die Schulleitung für diesen Bereich eine Stunde Ermäßigung zugesprochen, wobei ich eine Förderung von 2 Stunden in der Woche leiste – nicht mitgerechnet der vielen Beratungen und Tests. Im nächsten Schuljahr plant zudem die Schulaufsicht mich hier verstärkt einzusetzen, vor allem soll ich nun das, was ich in der Ausbildung erfahren habe, anderen Schulen weitergeben. Auch hier will man mir für einen Halbtagsjob gerade einmal eine Stunde zugestehen. Toll, ich habe für meine Ausbildung bezahlt, jetzt wollen andere der Nutznießer sein. Eine Extrastunde hat man der Schule, an der ich tätig bin, für diesen Bereich nicht eingeräumt, obwohl es für mich wichtig gewesen wäre, hier noch mehr praktische Erfahrungen zu sammeln.
Jetzt ist mir der Geduldsfaden gerissen, da ich auch ziemlich erschöpft bin und ich habe meine Fachberatertätigkeit niedergelegt und meiner Schulleitung gesagt, dass ich nächstes Jahr nur noch den Kurs und die Beratungen weiterführe, die wir dieses Jahr angefangen haben.
Daraufhin habe ich nur ein Achselzucken geerntet. Schließlich habe ich mir das ja auch freiwillig aufgeladen. (An sich wahr, aber wer honoriert dies nicht? Mit entsprechenden Ermäßigungsstunden wäre die Durchführung der Zusatzaufgaben ja an sich auch nie ein Problem gewesen)
Wir haben aber nun mehrere Anmeldungen von zukünftigen 5. Klässlern, die eben aufgrund dieser Förderung kommen wollen, die ich aber nächstes Jahr nicht mehr anbiete, weil ich nicht einsehe, dies auf Kosten meiner Freizeit zu leisten. Mal gelinde gesagt, ist das doch eine Verarschung der Eltern!
Zudem finde ich, dass meine Arbeit mit Füßen getreten wird. Man hat jemanden mit dieser Qualifikation und man nutzt es einfach nicht. Es hieß, dass man für den anderen Kurs ja dann einen Studenten anstellen könnte. Toll zu wissen, dass ein Student zukünftig die Arbeit machen soll, für die ich eine zweijährige Ausbildung genossen habe. Nebenbei bemerkt weiß ich schon, wer diesen Studenten betreuen wird und wer seine Tests auswerten wird.
Tja, wer mich nicht zu schätzen weiß, muss sehen, wie er zurechtkommt, denke ich mir. Ich habe angekündigt, dass ich einen Versetzungsantrag stellen werde - in der Hoffnung an eine Schule zu kommen, die meine Qualifikation und mein Engagement zu schätzen weiß. (Allerdings frage ich mich, ob es an anderen Schulen besser ist.) Auch hierzu erhielt ich nur ein Achselzucken und ich frage mich, was ich meinem Schulleiter eigentlich noch Wert bin.
Mich macht das sehr traurig, denn von Kollegen und Schülern erhalte ich so viel positives Feedback und Tränen über meine Entscheidung. Das macht mich wiederum traurig, denn an sich ist mir am wichtigsten, dass mich meine Schüler und meine Kollegen schätzen. Aber wie soll ich motiviert arbeiten, wenn man für eine Schulleitung ersetzbar ist und dieses Gefühl auch vermittelt bekommt? Und mich ärgert es, dass ich ein tolles Kollegium und tolle Schüler verlasse.
Ich habe den Eindruck, dass unser Schulleiter total überfordert ist und den guten Ruf, den die Schule einmal hatte, mit Krachen vernichtet. Ihm mag es egal sein, wenn diese AG oder diese Förderung nicht mehr stattfindet – aber den Schülern und Eltern nicht. Letztes Jahr hat er es noch ausgekostet, dass er sich vor dem neugestalteten Schulhof und dem neugestalteten Innenbereich der Schule hat ablichten lassen dürfen und pries am Elternabend der neuen 5er das hohe Engagement und die höchst soziale Richtung der Schule an. Das alles wird es dann so aber nicht mehr geben, denn es gibt einfach niemanden, der dies weiterführen wird. Kann einem das so egal sein?
Viele Grüße von Kim
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| Hallo liebe Doris, | | von: kimcorinne
erstellt: 10.07.2007 19:07:07 |
das ist alles schon geschehen. Mehrfach. Ich habe mitgeteilt, dass ich erschöpft bin und so auch nicht mehr länger arbeiten kann. Ich habe ihm mitgeteilt, dass wenn die Arbeit weiter laufen soll, ich dies nicht mehr auf Kosten meiner Freizeit ausüben kann. Ich, ich, ich... seufz - so langsam hasse ich das Wort. Ich mag nicht immer diejenige sein, die an der Rektorenzimmertür kratzt, um ein wenig Respekt oder Wertschätzung zu erhalten Kann man denn so blind sein? Kann einem das so egal sein, was momentan an der Schule für Arbeit auf Kosten der Freizeit von Kollegen läuft, um den ehemaligen Ruf der Schule gerecht zu werden? Uns im Kollegium ist Wertschätzung so wichtig und das möchten wir auch den Kindern und Eltern entgegenbringen. Aber wie, wenn wir nur noch hetzen und hoffen, dass alles am Leben bleibt, weil dort der eine nicht mehr kann, hier der andere. Wo bleibt die Wertschätzung gegenüber den Kindern und Eltern? Wie soll ich Werte vermitteln, wenn unsere Schulleitung keine Zeit für die Probleme der Kinder, der Eltern und der Lehrer hat? Wenn alles abgetan wird oder die Reaktion ein Schulterzucken ist oder schlicht nur: Wir haben keine Stunden mehr. Unser Profil ist eine Farce - getragen von einigen noch funktionierenden Hüllen.
Liebe Grüße von Kim |
| Mehr Rückgrat zeigen | | von: veneziaa
erstellt: 10.07.2007 19:55:22 |
sollte der Schulleiter!
Wenn er sich zusätzliche Angebote, die offensichtlich gebraucht und (von Eltern und Schülern) anerkannt werden, auf die Fahnen schreibt, sollte er auch für entsprechende Stundenzuweisung sorgen! Man kann z.B. mit Maßnahmen des GU (Geimeinsamer Unterricht für Nichtbehinderte und Behinderte) eine Menge Stunden zusätzlich an die Schule holen oder durch die Zusammenarbeit mit einer (Sonder-)Förderschule eine ausgelagerte Erziehungshilfeklasse bilden und somit einen So-Schul-Lehrer an die Schule holen, der nominell alle Kinder, die jedoch im regulären Klassenverband bleiben, fördert. Oder er soll seine Schule mit Ganztagsangebot an min. 3 Tagen beantragen... Wenn der Schulleiter clever wäre, könnte er dir auch Stunden für Sonderaktivitäten zur Verfügung stellen, allerdings nur im kompensatorischen Bereich, nicht für AGs, d.h. Förderstunden LRS, Dyskalkulie u.ä.
Ja, du hast Recht, die Wertschätzung der Arbeit ist in Deutschland nicht immer gegeben. Wenn dies von Seiten der SL ist, finde ich es besonders schlimm.
Der Vorschlag von skole gefällt mir nicht. Ich persönlich würde meinen "Kampf" nicht gern auf dem Rücken der Kinder austragen... |
| Liebe skole, | | von: kimcorinne
erstellt: 10.07.2007 19:57:59 |
ich gebe dir in vielen Dingen Recht. Aber an sich profitiere ich ja auch durch mein Engagement. Die Schüler lernen mich bei diesen AGs, als Verbindungslehrer etc., ja auch anders kennen. Disziplinschwierigkeiten im Unterricht kenne ich nicht. Was ich da von anderen Kollegen höre, erschreckt mich und zu einem gewissen Grad habe ich dies sicherlich auch meinem Engagement für Schüler zu verdanken. Ich sehe auch ein Problem als Schule gar nichts mehr anzubieten - das bekräftigt ja dann auch das Vorurteil "faule Säcke". Durch mein Engagement erlebe ich viel mehr, dass mich Eltern fragen, wie man das alles bewältigen kann. Und ein Hinweis auf die vielen anderen faulen Kollegen, die sich ja mal beteiligen könnten. Ich verteidige meine Kollegen, aber sehe wie tief die Vorurteile sitzten und bei manch einem Kollegen mag das dann auch zutreffen. An sich habe ich jetzt auch keine Nebenaufgaben übernommen, die mir keinen Spaß machen, denn ich kann mich durchaus verwirklichen. Ich liebe Kunst und in meinen AGs verwirkliche ich neben der Arbeit mit meinen Schülern auch viele Ideen durchaus auch für meinen privaten Gebrauch. Diese zusätzlichen Engagements sind auch nicht das, was mich stört. Für einen Bereich habe ich ja auch extra studiert. Aber für diesen will man mir jetzt keine Stunde geben, aber davon dennoch jede Menge profitieren. Ich brauche Praxis und das weiß man. Und ich finde das mehr als nur Hohn, dies ausnutzen zu wollen.
Mich stört schlicht das Prinzip, dass der, der sich engagiert, nicht damit rechnen darf, wo anders entlastet zu werden. Das heißt, ich habe mich nicht um die 5 Hauptfachlehraufträge gerissen - zumal bei uns das höchste neben mir drei Hauptfachlehraufträge sind. Egal, was ich für Aufgaben habe, ich musste eine dritte Korrektur übernehmen, obwohl man für diese Aufgabe noch 5 andere Kollegen zur Auswahl gehabt hätte usw. Kleinigkeiten, die sich in der Masse als Riesenbelastung entpuppen. Ein wenig mitdenken würde ich mir vom Rektor wünschen. Es kann nicht sein, dass ich jetzt anfangen muss auf dem Rücken meiner Kollegen dies auszutragen: "Der hat aber nur..., die habt aber nur..." Das ist für mich Chef-Sache, die aber nicht funktioniert.
Liebe Grüße von Kim |
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