Dieter Bohlen ist das Gegenteil eines Pädagogen, meint man. Er haut Sprüche raus, die wir uns als Lehrer nie getrauen würden zu sagen. Doch sollten wir uns fragen, ob unser Umgang mit Schülern wirklich der pädagogischere Ansatz ist.
Hat eine Schülerin etwa wieder vergessen, wie die schriftliche Division geht, versuchen wir sanft dem Mädchen entgegenzukommen und erläutern die schon mehrfach wiederholten mathematischen Sachverhalte auf ein Neues und hoffen auf ein Aha-Erlebnis der Gepiesackten. Dieter Bohlen würde in einem solchen Fall sagen: "Das einzig Positive, was mir zu deiner Performance einfällt, ist: Was man nicht kann, kann man auch nicht verlernen!".
Gibt es Schüler in einer Klasse, die gerne mitmachen, sich oft melden, aber auch manches Unrichtige von sich geben, würde ein Lehrer vorsichtigerweise immer wieder darauf verweisen, man möge doch erst mal überlegen, ob die Antwort richtig sei, bevor man sich meldet. Bohlen würde sagen: „Ihr habt 'n bisschen was von 'ner Luftmatratze. Viel Luft und nix dahinter.“
Erleben wir mal wieder einen Morgen, bei dem das Gefühl vorherrscht, die Klasse hat heute aber gar keine Lust auf Unterricht, würden wir uns selbstkritisch hinterfragen und darüber nachgrübeln, was besser zu machen sei. Würde dann noch ein Schüler eine völlig abwegige Behauptung aufstellen, die bar jeder Lebensrealität ist, würden wir vorsichtig mit wohlfeilen Worten das Geäußerte in Frage stellen. Der Schüler soll ja sein Selbstbewusstsein behalten. Bohlen würde den Pennäler so in die Schranken verweisen: "Den ganzen Vormittag hatte ich das Gefühl, am Abgrund zu stehen. Mit dir sind wir einen Schritt weiter."
Wir kennen die Schüler aus dem Sportunterricht, die eigentlich nicht mitmachen wollen, etwa weil sie keine Lust haben oder weil ihnen die Bewegungsbegabung völlig fehlt. Wir würden einem derart benachteiligten Schüler mit aufmunternden Worten entgegenkommen und hoffen, ihm Mut vermitteln zu können. Bohlens Reaktion wäre diese: "... und bewegen tust Du Dich wie ein angeschossenes Wildschwein."
Es gibt Schüler, die verfallen ins Träumen, wenn man etwa historische Sachverhalte versucht zu vermitteln. Wenn man merkt, alles geht an dem Schüler vorbei, würde man ihn aufheitern, damit er doch noch ein wenig Konzentration aufbringen möge. Bohlen würde einfach rufen: „Du guckst immer so wie Bruno, die Klofliege."
Schüler, die immer wieder Probleme haben, Dinge zu begreifen, erhalten von uns oft ein aufmunterndes Schulterklopfen, das wir mit positiven Worten begleiten. Bohlen würde einfach sagen: "Der Nachteil bei dir ist, dass du keinen Vorteil hast."
Das dicke Lob ist das A und O unseres pädagogischen Motivationsaufbaus. Bohlen würde die Schüler so hochschätzen: "Das war super... super schlecht!"
Die falsche Antwort eines Schülers versuchen wir ins Positive zu biegen, denn irgendwie findet man immer noch einen Teilaspekt, der auf die Frage des Lehrers passt. Bohlen hätte da weniger Nachsicht: "Für mich hast du gerade zum zweiten Mal die Titanic versenkt. Wir sind hier nicht bei 'Deutschland sucht das Mittelmaß'."
Über die Kleidung unserer Schüler schweigen wir uns aus. Wir wollen niemanden zu nahe treten. Und über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Bohlen ficht eine solche Überlegung nicht an. Er würde das aussprechen, was er denkt: „In so einem Outfit geht meine Freundin Unkraut jäten."
Wer ist nun der bessere Pädagoge? Derjenige, der durch die staatliche Ausbildung sozialisiert immer wieder sich in die Lage des Schülers versetzen lässt und ihn auf Händen durchs Schulleben trägt, oder derjenige, der klar ausspricht, was Sache ist, der einfach die Sprache der Schüler aufgreift und sie ihnen an den Kopf wirft, genauso wie die Jungs und Mädels das im Alltag selbst tun?
Anmerkung: Zitate alle von Dieter Bohlen