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Forum: "Haftbefehl"
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| Haftbefehl | | von: xypp
erstellt: 11.01.2012 01:25:42 |
Meine Tochter (17, 10.Klasse Förderschule) kam ein paar Wochen vor Weihnachten nach Hause, gab mir empört einen Zettel mit einem Text mit den Worten: "Mama, guck mal, was wir in Deutsch gemacht haben. Da hab ich nicht mit gemacht" Ein Rap: Haftbefehl .. ich nehm dir alles weg ...
( den Text könnt Ihr im Internet nachlesen)
Ich war entsetzt - Telefonat mit dem Lehrer - es gab von 2 weitere Doppelstunden Deutsch unter diesem Thema, Gruppenarbeit usw. Heute wurde bei einer anderen Lehrerin dieser Rap gespielt und 2 Jungen tanzten und sangen dazu, die dann wegen ihrer guten Darbietung auch gelobt wurden.
- Telefonat mit dem Schulleiter, der sagte, die Schule würde schließlich angehalten, diese Themen aufzuarbeiten.
Meine Frage an Euch Lehrer. Ist das wirklich üblich, so einen Text in der Schule zu bearbeiten? Wäre es nicht klüger, sich allgemein davon zu distanzieren?
Oder, wie bearbeitet Ihr so einen Text?
Meine Tochter kannte den Text vorher nicht. Nun kann sie ihn mir auswendig vorsingen - und als ich ihr sagte, schmeiß das mal schnell wieder aus deinem Kopf raus, antwortete sie mir. Das war auch ganz weg. Aber seit heute hab ich das wieder im Ohr und ich weiß nicht, wie ich's rauskriege.
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| Vulgarismus als moderne Textkunst alltagstauglich? | | von: ensifera
erstellt: 11.01.2012 06:08:38 |
Hallo,
ich denke, dass sich die Schule heute schon der Jugendkultur stellen muss. Provozierende und vulgäre Textakrobatik fasziniert Jugendliche schon lange. In der heutigen, offenen Gesellschaft wird man Jugendliche (und Kinder) kaum noch effektiv vor obszönem Vokabular "schützen" können. Ich fände eine sachliche und kritische Auseinandersetzung mit einem solchen Kulturgut eigentlich schon wichtig. Ich weiß nicht, ob gerade solche Texte heute in der Schule üblich sind, aber Songtexte von zurzeit angesagten Bands und Musikern sind inzwischen in den Fächern Deutsch und Englisch bei Lehrern als Unterrichtsmaterial sehr beliebt. In den Englischbüchern meiner Schüler findet man sogar einen Songtext der kanadischen Band Nickelback. Die sind im Vergleich zu "Haftbefehl" allerdings eher harmlos.
Ich würde es für bedenklich halten, wenn eine Schule den Eindruck erwecken würde, sie ermutige ihre Schüler dazu, Sprachgebrauch unterhalb der Gürtellinie als normal zu empfinden oder diesem sogar zugetan zu sein. Es kann eigentlich keine Schule wollen, dass das Sprachniveau und das Niveau der Umgangsformen sich bei den Schülern auf einer recht niedrigen Stufe einpendelt. Aber wir wissen alle, dass alles, was wir Erwachsenen naserümpfenderweise aus dem Leben der Kinder und Jugendlichen verbannen wollen, bei diesen eben gerade eine starke Anziehungskraft auslöst. Wir Lehrer sollten natürlich schon klar Position zu den Werten beziehen, die wir idealerweise den Schülern vermitteln wollen und uns nicht damit abfinden, dass das Abgleiten der Sprache in die tiefsten Niederungen zur Normalität wird, was bei Rappern (und nicht nur bei denen) offenbar zu einer modernen Form der darstellenden Kunst erhoben worden ist!
Schön, dass deine Tochter dieser Form der darstellenden Kunst kritisch und abweisend gegenüber steht!
Ich bin mittlerweile recht müde und hoffe, dass ich mich einigermaßen nachvollziehbar ausgedrückt habe. Meine Konzentration schwächelt aber nun doch zusehends.
Grüße
Andreas |
| Ich kenne den entsprechenden Lehrplan nicht, | | von: hesse
erstellt: 11.01.2012 09:00:46 |
will dazu aus meiner Sicht aber Folgendes zu bedenken geben: Grundsätzlich haben Lehrer nicht nur einen Lehr-, sondern auch einen Erziehungsauftrag, das heißt also auch Werte zu vermitteln.
Insofern ist die Schule durchaus ein geeigneter Ort, solche Dinge zu thematisieren, denn sie verschwinden nicht dadurch, daß man sie ignoriert!
Und in vielen Familien erfolgt eben leider keine Auseinandersetzung mit solchen Phänomenen.
Und wenn man sich heute das Vokabular bereis vieler Kinder anhört, fragt man sich schon, welcher Ton und welches Klima wohl in manchen Elternhäusern herrschen.
Insofern muß ich den Ball zurückspielen: Viele Eltern nehmen heute ihre Aufgaben eben nicht mehr so wahr, wie man es eigentlich erwarten könnte, einige Eltern bemühen sich dagegen sehr und schauen auf ihre Kinder.
Über das "Wie", also die Umsetzung, kann man sich natürlich streiten; dies kann ich aber von außen nicht bewerten. Sicher ist es ein schmaler Grad und eine Frage des pädagogischen Geschicks, wie man ein heikles Thema so umsetzt, daß bei den Schülern das entsprechende Bewußtsein geweckt wird.
Kontraproduktiv wäre es, gingen die Schüler hinterher mit einem neuen "coolen" Song singend und tanzend nach Hause (wobei es immmer Einzelne geben wird, bei denen man nichts erreicht), insofern sind die Anforderungen an die Lehrkraft bei der Planung und Durchführung einer solchen Unterrichtssequenz sehr hoch!
LG
Hesse |
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