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Forum: "Politik im Berufsvorbereitungsjahr"
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| Hei jamjam, | | von: hesse
erstellt: 29.10.2004 17:50:12 |
ich unterrichte zwar, wie Du weißt, in Bayern, und hier jeißt das "Sozialkunde".
Ich richte mich v.a. nach dem Lehrplan der zehnten Klasse mit Themen wie Arbeitswelt im Wandel, Arbeit und Beruf (Tarifverträge, Gewerkschaften,...), Sozialversicherungen, soziale Beziehungen usw.
In vorletzten BVJ habe ich aber auch aktuelle politische Themen eingebaut, die Schüler haben in einer kurzen Presseschau entsprechende Ereignisse vorgestellt und dann haben wir diskutiert bzw. ich habe einen Unterricht daraus gemacht.
Ich war überrascht, wie informiert einige Schüler waren.
Vielleicht habe ich Dir ein wenig helfen können - rühr dich ruhig nochmal.
Liebe Grüße Hesse |
| Ob es so funktioniert wie man sich es vorstellt | | von: hesse
erstellt: 30.10.2004 15:57:40 |
weiß man nie. Ich bin auch immer am Ausprobieren. Für diese Art von Schülern sollte es möglichst konkret und anschaulich sein bzw. einen Bezug zu ihrem Leben herstellen.
Zum Einstieg trägt entweder ein Schüler etwas z.b. zu einem aktuellen Thema vor, daraus ergibt sich meistens eine Anschlußmöglichkeit. Aber ich habe auch schon mit einer Kartikatur, einer Schlagzeile, einem Kartenausschnitt oder einem Foto ... angefangen.
Neulich hatte ich in einer Jungarbeiterklasse das Thema "Kann ich meinen Beruf frei wählen?" Nach der Theorie (GG Art. 12) sollten die Schüler die Praxis, also ihre Erfahrungen, Kenntnisse usw. als Plakat, Kollage u.ä. zu Papier bringen. Eine Schülerin brachte dann in der nächsten Stunde ein DIN A 2 großes Papier mit, auf der sie u.a. Zeitungsausschnitte von Karstadt/Quelle usw.
geklebt hatte. Aus der Betrachtung durch die anderen Schüler ergab sich von alleine ein ganz neues Thema, das ich eigentlich gar nicht vorgesehen hatte.
Wenn ich Zeitungsberichte nehme, dann NIEMALS BILD. Es gibt ja auch in den Regionalzeitungen den ein oder anderen brauchbaren Artikel (evtl. sogar von der Jugendseite!), die sind meistens einigermaßen verständlich geschrieben und nicht sehr lang. Ansonsten muß auch mal das Schulbuch herhalten.
Du wirst merken, daß du eine sehr heterogene Gruppe vor Dir hast (ist es eine gemischte oder eine reine Jungen- bzw. Mädchenklasse?), acu was die persönliche Reife angeht.
Was sollte ein Staatsbürger wissen? Mein Credo lautet: Unsere Demokratie ist nicht vom Himmel gefallen und somit kein Selbstläufer. Daß Wahlen (und andere Möglichkeiten der Beteiligung) wichtig und nicht sinnlos sind, versuche ich ihnen nahe zu bringen. Auch daß sie Rechte, aber auch Pflichten haben. Hier kann es durchaus zu hitzigen Diskussionen Theorie (Unterricht) und Praxis (Angst vor der Kündigung, wenn ich z.B. auf Einhaltung der Pausen nach JArbSchG poche) kommen. Darauf sollte man sich einstellen.
Es wäre gut, wenn Du Dir einen Lehrplan der zehnten Klasse oder vielleicht sogar einen Stoffverteilungsplan eines Kollegen bzw. vom Fachbetreuer Sozialkunde (bzw. Politik) besorgen kannst.
Der Ablauf könte z.B. so etwa aussehen:
1.Ausbildung und Beruf (Ausbildungsverhältnis, Arbeitsverhältnis, Tarifverhältnis, Mitbestimmung)
2.Arbeitswelt im Wandel (Veränderungen, Arbeitslosigkeit)
3. Soziale Sicherung (Gesetzliche Sozialversicherungen, Krise der GSV)
4. Recht (Recht in Gesellschaft und Staat, Rechte und Pflichte,. Gerichtsbarkeit, Strafverfahren)
5.Soziale Beziehungen (Persönlichkeitsentwicklungen, Sozialisation, Rollenerwartungen -konflikte, Familie, ihre Aufgaben, Wandel usw.)
Die Punkte in den Klammern werden dann noch weiter ausdifferenziert. Das habe ich jetzt aus Platzgründen hier nicht alles aufgeschrieben. Das wäre erstmal ein Überblick. Wenn Du noch weitere Fragen hast, rühr Dich einfach.
Liebe Grüße Hesse
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| weiss ich nicht | | von: jamjam
erstellt: 31.10.2004 20:06:33 |
deine ideen fand ich gut. ich bin nur unsicher ob ich sie anwenden kann. ich weiss gar nicht, auf welchem niveau ich den schülern begegnen soll.
auf keinen fall möchte ich bei ihnen den eindruck hinterlassen, ich nehme sie nicht ernst und halte sie eh für versager, was ihnen oft von anderen auch lehrern gespiegelt wird. ich möchte sie aber auch nicht überfordern.
der satz der klassenlehrerin "es sind diesmal keine analphabeten darunter" hat mich etwas verunsichert.
dazu kommt, dass die jungs sich mit sicherheit schon seit dem sommer kennen, und sie evtl. bisher immer freitags nach der vierten frei hatten. mein start in der klasse finde ich daher etwas unglücklich.
auf der einen seite möchte ich also am anfang nicht zu sehr in politische themen einsteigen, auf der anderen seite wüsste ich nicht wie ich an von der klassenlehrerin vorgeschlagene themen interessant ran gehen soll (Mietvertrag, Führerschein, Sozialversicherung, Girokonto)
ich denke mir halt, wenn ich die erste stunde überstehe (nur wie?) dann weiss ich mehr und kann mich besser auf die schüler einstellen. seufz
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| Mach Dich nicht zu verrückt | | von: hesse
erstellt: 04.11.2004 12:23:08 |
und laß dich nicht so sehr verunsichern. Das Niveau (insofern ist der zynische Kommentar der Klassenlehrerin nicht sooo falsch, wenn auch unangebracht!) ist nicht besonders hoch. Wahrscheinlich kommen die meisten ohne Abschluß von der HS - da kannst du Dir vorstellen, sehr viel ist nicht da...
An dem unglücklichen Start kannst du auch nichts ändern, das würde ich vor den Schülern auch nicht so sehr betonen, ganz im Gegenteil: Gehe einfach drüber hinweg. Du merkst schon, wenn da "Redebedarf" ist. Das Wichtigste aus meiner Erfahrung sind v.a. folgende Dinge: Du bist Du - und Du bist der Boß!! Das klingt jetzt erstmal schlimm, aber glaube mir: Sie akzeptieren klare Grenzen, und sie testen die Grenzen aus. Gerade der ungünstige Termin bietet sich für sie an.
Dies schließt nicht aus, daß Du sie ernst nimmst und wie vernünftige Menschen behandelst, ganz im Gegenteil! Du mußt für Deine Schüler echt und berechenbar sein - das ist das A und O! Wenn Du nicht Du bist, ist auch Dein Respekt ihnen gegenüber nicht echt. Ich habe Schüler, die mit mir durchaus zusammengerasselt sind. Und wenn ich sie heute sehe, grüßen sie und freuen sich, wenn sie mich sehen!! Ich war selbst ganz überrascht.
Zum Einstieg: Du kannst in der ersten Einheit vielleicht einen Überblick geben (an der vorangehenden Vorstellung würde ich - vielleicht etwas abgeändert - festhalten). Du bemerkst ja die Reaktion. Achte darauf, daß es lebensnah und nicht so theoretisch ist. Du wirst u.U. überrascht sein, was die Jungs so zu manchen Dingen zu erzählen haben. Auch wenn es nicht immer zum Thema paßt, was sie da sagen: Würg sie nicht gleich ab. Nimm Dir die Zeit etwas über sie zu erfahren.
Und gib ihnen die Chance etwas über Dich zu erfahren. Dazu gehört auch: Stelle klare Regeln auf und sage, was Du erwartest (Du merkst, ich komme wieder darauf. Das ist wirklich wichtig und hat nichts mit autoritär zu tun!). Nicht nur Du mußt Dich auf sie einstellen, auch die Schüler müssen sich auf Dich einstellen!
Eines ist noch sehr wichtig: Falls Du den einen oder anderen Störenfried drin hast, gehe mit ihm kurz vor die Tür, und lege ihm ruhig dar, was passiert, wenn er sich nicht einfügt. Oft hast Du so auch Chance etwas über die Gründe für sein Verhalten zu erfahren. Und Du trägst keinen Machtkampf vor der Klasse aus!
Aber Du wirst sehen, daß die meisten eigentlich ganz nette Jungs sind, deren Verhalten sich i.a.R. nicht gegen dich richtet, sondern gegen die Schule insgesamt, die Zeit, usw. Für Zuwendung und Aufmerksamkeit sind sie echt dankbar.
Kopf hoch, es ist alles halb so schlimm.
Liebe Grüße
Hesse
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