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Forum: "Instrumentale Vorbildung der Schüler immer schlechter?"
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| Instrumentale Vorbildung der Schüler immer schlechter? | | von: harrywepper
erstellt: 14.02.2010 20:34:03 |
Hallo,
ich habe folgende Feststellung gemacht und würde gern mal wissen, ob ihr, die Musikkollegen, ähnliches "beklagen" könnt.
Ich war 10 Jahre lang an einer Hauptschule tätig. Dass es da mit Vorkenntnissen am Instrument nicht allzu gut bestellt ist, ist wohl klar. Noch vor 5 - 10 Jahren konnte ich immer eine Schülerband aufziehen. Wenn mal Instrument nicht besetzt war, bin ich halt eingesprungen. Aber es war immer möglich, etwas auf die Beine zu stellen.
Die letzten Jahre jedoch wurden die Fähigkeiten der Schüler immer geringer. Wenn mal jemand Kenntnisse besaß, war er sehr unzuverlässig oder lustlos. Nachher hab ich dann nur noch mit Playbacks gearbeitet, zu welchen ein paar Mädels gesungen haben.
Mittlerweile arbeite ich an einer Realschule, mit - man sollte meinen - Kinder der mitteleren Bildungsschicht. Hier versprach ich mir etwas mehr Vorbildung, was die Instrumentalausbildung angeht, um wieder mal nach einigen Jahren "des Verzichts" Ensembles ins Leben zu rufen. Dieses Vorhaben hab ich jedoch sehr schnell wieder begraben. Es gibt bei ca. 450 Schülern keine 5, mit denen so etwas möglich ist! Unglaublich!!!
Gleiches erlebt ein Kollege an einem doch eher gehoben Gymnasium in ländlicher Gegend. Viele Jahre hatte er eine Rock-AG mit immer wieder unterschiedlichen Musikern. Jahr(zehnt)elang gab es Schülerbands, manchmal sogar mehrere gleichzeitig. Jedoch ist seit ungefähr 5 Jahren auch hier kein Potential mehr vorhanden, und das bei 1200 Schülern (eines Gymnasiums!!!).
Da stimmt doch irgendwas nicht, oder? Habt ihr auch solche Entwicklungen erlebt. Wenn ja, was sind die Gründe, was kann man dagegen tun?
Würde mich freuen, wenn ihr mal euren Senf dazu gebt!
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| Nicht nur! | | von: bger
erstellt: 15.02.2010 00:46:52 geändert: 15.02.2010 00:50:10 |
Wir haben lange schon mindestens 2, zwischenzeitlich sogar 3, Musiklehrerinnen, dazu einen fachfremd Unterrichtenden und zwei Hobby-Musiker, die sich früher um die Band gekümmert haben. Und trotzdem haben wir keine Schulband und auch keine Instrumentalklassen mehr (letzteres hat wohl mit den städtischen Geldern zu tun).
Übrigens gibt es bei uns auch weder Instrumental-AGs (eigentlich auch keine anderen AGs mehr!) noch einen Schulchor.
An einigen Grundschulen gibt es hier in NRW ein Projekt, nach dem die Kinder verschiedene Instrumente ausprobieren können, bevor sie sich für eins entscheiden.
Das hier passt wohl nicht so ganz zu unseren Erfahrungen: http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulsystem/Projekte/Instrument/Jeki_Essen/index.html |
| Der Begriff "Band" | | von: kajakwolfi
erstellt: 15.02.2010 01:03:27 geändert: 15.02.2010 14:14:29 |
ist heute seit dem Hype um die Casting-Shows den Schülern nicht mehr klar.
Im Fernsehen wird der Begriff "Band" fälschlicherweise für "Vokalensemble" verwendet.
Das bedeutet: Wenn man für die Schulband wirbt, wird darunter eine Form von kleinem Schulchor verstanden.
Instrumente spielen? Fehlanzeige.
Oder aber man bekommt Meldungen von Eltern wie:
"Kann mein Kind in die Schulband? Es hat schon drei mal Klarinettenunterricht gehabt." ( Kein Scherz - bittere Realität!)
Wie so oft gilt auch hier leider:
Was die Schüler nicht in der Schule lernen, das lernen sie nirgends.
Wir müssen ihnen geben, damit sie begabt sind.
Die Dödel-Maschinen sorgen für Verdummung - wir halten dagegen.
Es war schon immer, auch längst vor dem Cyber- und Konsolenzeitalter ein großes und limitierendes Thema: Durchhaltevermögen.
Heutzutage sieht man in den Medien, die die Kids konsumieren, fast keine Musiker und Instrumente mehr. Es gibt also auch keinen Vorbild-Anreiz wie z.B. in den Siebzigern und frühen Achtzigern.
Wer damals Anerkennung haben wollte, konnte sie sich über die Gründung einer Band + die nachfolgenden Auftritte erarbeiten.
"Support the music - kiss a drummer!" war einer der Werbesprüche, die durchaus Realitätsbezug hatten.
Nun ist die Musik endgültig "demokratisiert" und entzaubert:
Sie ist immer und überall und für gar jeden verfügbar, sie ist nur noch Geräusch im Ohr, man muss keinerlei Aufwand mehr treiben, um an sie heranzukommen.
Internet - Download - Mini-Player - Ohrstöpsel.
Wie Musik entsteht und was sie will und soll, das interessiert nicht mehr.
Im Zweifelsfall kann man sich mit sehr wenig Aufwand seine eigene Musik auf dem Rechner zusammenzimmern und als MP3 speichern.
Gut ist das dann natürlich nicht - aber man kann ja selbst Musik machen.
Die Bildungs- und Persönlichkeitskrise der Schüler spiegelt sich in allen Kulturbereichen wider - natürlich auch im aktiven Musizieren.
Ärmel hochkrempeln, Instrumentalunterricht in den erweiterten und verpflichtenden Schulalltag einbauen, ackern, üben lassen bis Schweiß kommt, ..... und beim Musizieren als Ensembleleiter fordern, fordern, fordern, fordern, fordern - gnadenlos.
Wenn die Schüler etwas können, dann - erst dann beginnt der "Spaß".
Nur so geht es
- oder aber resignieren: Die Welt ist schlecht....
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| . | | von: palim
erstellt: 15.02.2010 20:28:31 geändert: 15.02.2010 20:34:41 |
Nein, die gibt es nur in wenigen Bundesländern ... oder nur in NRW?
(Nachdem ich ein wenig gegooglet habe, konnte ich es bisher nur für Hamburg und für das Ruhrgebiet (Kulturhauptstadt Europa 2010) finden)
In Niedersachsen gibt es sie jedenfalls nicht.
Musikunterricht wird anders, das hat viele Gründe
- Musiklehrer sind kaum zu finden, vielleicht auch, weil die Hürden einfach zu hoch sind (?)
- die Hauptfächer werden immer stärker betont - nicht nur durch Vergleichsarbeiten
- die Belastung der Lehrer ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen ... da bleibt kaum Zeit oder Kraft für Projekte
- Ehrenamt wird immer weniger, weil viele Menschen Arbeiten gehen ... oder auch dort die Bereitschaft sinkt ... Auch hier gehen Angebote verloren, z.B. bei Kirchen oder anderen Trägern, die im sportlichen oder musikalischen Bereich viel Förderung übernommen haben
- Gelder an Schulen verteilen sich auf viele Bereiche, auch da wird der Kuchen kleiner oder aber stärker verteilt
...
Wenn Musiklehrer sagen, die Kinder hätten wenig Vorkenntnisse, zeigt sich hier, was in nahezu allen Bereichen sonst auch beobachtet wird:
Kinder erfüllen unsere Erwartungen nicht.
Es stellt sich die Frage, was geändert werden kann.
Palim |
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