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Forum: "Schüler aller Altersstufen lesen Texte nur halb - Was tun?"
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| Schüler aller Altersstufen lesen Texte nur halb - Was tun? | | von: depaelzerbu
erstellt: 28.02.2014 14:58:40 geändert: 28.02.2014 15:01:04 |
Hallo zusammen.
Ich mache in letzter Zeit immer häufiger folgende Beobachtung:
Schüler scheinen nicht mehr fähig zu sein, Texte komplett zu lesen, und wenn sie noch so kurz sind. Extremfall: Ich schreibe inzwischen auf Klassenarbeiten in riesiger Schriftgröße und fettgedruckt "Rückseite beachten", und nach JEDER Klassenarbeit wundert sich mindestens ein Schüler in jeder Klasse, dass es eine Rückseite gab.
Anderes, für mich noch unverständlicheres Beispiel: Wenn auf einem Arbeitsblatt drei einleitende Sätze mit Informationen stehen, und nach dem ersten ein Absatz folgt, überlesen erstaunlich viele diesen ersten Satz und fangen somit mitten im Text an, zu lesen.
Das Phänomen zieht sich durch alle Altersklassen, vom 15-jährigen Berufsschul-Anfänger bis zum Mitt-30er aus der Techniker-Abendschule. Nur die "älteren Semester" 40 aufwärts scheinen mir davon ausgenommen.
Über die Gründe für diese m.E. erschreckende Beobachtung möchte ich nicht spekulieren. Ich würde das aber gerne soweit möglich ändern, und drum nach langer Vorrede zu meinem Anliegen:
Natürlich werde ich nicht müde, den Schülern zu sagen, dass man Texte komplett lesen muss, und dass sie damit gerade in den Arbeiten Punkte verschenken. Wir wissen aber wohl alle, was hängenbleibt, wenn "der da vorne irgendwas sagt".
Da mir als Techniklehrer jegliche didaktische Ausbildung in Deutsch fehlt, habe ich allerdings keine Ahnung, was man da noch tun könnte. Darum erhoffe ich mir hier im Forum ein paar Tips, wie man gezielt üben kann, dass man - so blöd das jetzt klingt - oben mit lesen beginnt, und erst mit lesen aufhört, wenn man am Ende ankommt.
Am besten in Verbindung mit Fachunterricht, denn Zeit, im Elektrotechnikunterricht "reine" Deutschübungen zu machen, bleibt uns wirklich keine.
Danke und Gruß,
DpB
PS: Arbeitsaufträge von Schülern grundsätzlich laut vorlesen lassen schafft keine Abhilfe.
PPS: Falls das was zur Sache tut: Die Beobachtung ist unabhängig von der Muttersprache der Schüler. |
| Das | | von: klexel
erstellt: 28.02.2014 16:02:52 geändert: 28.02.2014 16:38:55 |
ist ein Phänomen, das wir alle kennen.
Das Ei des Columbus hat noch niemand gefunden, aber es gibt diverse Materialien, um diesen Schülern mal einen kleinen Schock zu versetzen.
Wenn du dir die Mats ansiehst, wirst du sehen, dass man so was für alle Altersstufen und Fächer selber basteln kann, je nach Bedarf. Geht auch für Erwachsene, auch für Naturwissenschaften oder Technik. Es müssen ja keine Quatschaufgaben sein, es kann auch eine Wiederholung wichtiger Begriffe oder Versuche sein. Hauptsache möglichst viele Aufgaben in möglichst kurzer Zeit!
Ich hab solch einen Test mal für Englisch gebastelt, geht auch...
Wie lange dieser Schock anhält, ist dann die Frage...
Schau mal hier:
http://www.4teachers.de/?action=show&id=667517
Ansonsten: wir fühlen alle mit dir |
| Keine Hilfe, | | von: ysnp
erstellt: 28.02.2014 17:49:22 geändert: 28.02.2014 17:49:55 |
aber vielleicht ein Hinweis.
Schon in der Grundschule kann man den Beginn dieser Entwicklung, vor allem bei Jungs, beobachten. Es ist eine Vermeidungsstrategie. Die Schüler, die im Lesen nicht mehr Schritt halten können, versuchen das genaue Lesen zu vermeiden, weil es ihnen zu anstrengend ist. Wenn hier aus verschiedenen Gründen keine konsequente Förderung einsetzt, dann denke ich, nehmen sie diese Vermeidungsstrategie mit. Sie lesen sozusagen ungenügend quer.
Neulich sagte ein Professor in einer Fortbildung, dass gerade bei den Jungs in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern es unpopulär ist, sich in der Schule anzustrengen, weshalb, das weiß keiner.
Gut, dass jetzt in der Grundschule wieder der Focus auf die Lesetechnik gerückt wird, vielleicht wird das dann wieder besser.
Als Hilfen kann ich mir nur vorstellen, falls es geht, dass du die deine Aufgabenstellungen einfacher und kürzer gestalten musst. Wahrscheinlich kannst du das Leseniveau, das du erwartest, nicht mehr voraussetzen. |
| @paelzerbub | | von: janne60
erstellt: 28.02.2014 18:22:17 geändert: 28.02.2014 18:23:13 |
Ja, du bist in wahrlich guter Gesellschaft, aber das tröstet nur sehr begrenzt. Ich schiebe dieses Leseverhalten weniger auf das Unvermögen als auf die generell immer schwächere Anstrengungsbereitschaft vieler Kinder, Jugendlicher und Azubis. Diese wiederum zieht sich durch alle Leistungsniveaus und durch alle Fächer und Ausbildungsbereiche.
Manchmal kommen Kinder mit einer Frage nach vorn ("ich weiß üüüüberhaupt nicht, was ich machen muss"). Dann tippe ich nur mit dem Finger auf die Anweisung ("Hast du das gelesen?"). Darauf kommt meistens ein klares, verwundertes "Nein", nach dem Motto "Du hast zwar gesagt, ich soll das lesen, aber ich wusste nicht, dass ich das in echt machen muss, um mit der Aufgabe klar zu kommen"
Zumeist kenne ich meine Schüler gut und weiß, wer wirklich eine Verständnisfrage hat und wer nur einfach gern nochmal persönlich die Aufgabe erklärt haben möchte. Mein Rezept in diesem Fall lautet ziemlich banal: Stur bleiben und darauf bestehen, dass der Text halt dann 2 oder sogar 3 Mal gelesen werden muss.
Die Texte immer mehr zu vereinfachen bzw. das Niveau dieser o.g. Attitüde anzupassen halte ich für falsch. An den Sätzen "Streng dich an" und "gib dein Bestes" kann ich einfach nichts Verwerfliches finden und davon werde ich auch nicht abgehen. |
| danke | | von: depaelzerbu
erstellt: 28.02.2014 18:38:29 geändert: 28.02.2014 18:43:27 |
Vielen Dank erstmal an alle für den Zuspruch, immerhin bin ich nicht alleine, das beruhigt doch etwas.
Zum Thema vereinfachen: Erstens sehe ich das wie janne60, zweitens KANN ich nichts mehr vereinfachen.
Um mal ein konkretes Beispiel zu geben, Fettdruck ist auf dem AB genauso:
Der äußere Blitzschutz eines Lagergebäudes soll von Ihnen begutachtet werden. Das Lagergebäude hat ein Flachdach ohne herausragende Teile. Es ist rechteckig, 60m lang und 40m breit.
Beantworten Sie zur Begutachtung folgende Fragen:
1. Welche Gebäude müssen mit einem äußeren Blitzschutz ausgerüstet sein?
2. Wie viele Ableitungen erwarten Sie?
Für Aufgabe 2 braucht man den fettgedruckten Satz. Drei von 20 fragten mich gestern, welche Maße das Gebäude hat.
Es handelt sich aber nicht unbedingt um als faul bekannte Schüler.
ysnps Anmerkung mit der Vermeidungsstrategie halte ich für spannend. Ich könnte also m.E. ansetzen, mit positiver Verstärkung für "richtiges Lesen" zu arbeiten, vielleicht komme ich auf dieser Schiene weiter.
Aber wenn ich mal als Deutsch-Didaktik wirklich VOLLKOMMEN unbeleckter Fragen darf:
Kann ich volljährige Schüler tatsächlich noch damit motivieren, sie vor der Klasse zu loben, wenn sie ein AB richtig laut vorgelesen haben? M.E. fühlen die sich dann eher verarscht. Welche Möglichkeiten (die ich übersehe) gibt es denn da noch?
Gruß,
DpB
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| @bger | | von: depaelzerbu
erstellt: 28.02.2014 23:25:00 geändert: 01.03.2014 14:59:01 |
@bger: Das Traurige ist ja:
Wichtige Textteile sind bei mir zumindest in Klassenarbeiten schonmal grundsätzlich unterstrichen, fettgedruckt oder mit Großbuchstaben eingeleitet. Die müssen das ja nichtmal selbst machen!
Ein weiteres Highlight: Ich hatte zwei Bauteileigenschaften angegeben, die für die gesamte Klassenarbeit galten. Dazu stand in der Kopfzeile in Schriftgröße 16 (normaler Text hat bei mir 10): "WICHTIGER HINWEIS: DIE FOLGENDEN WERTE GELTEN FÜR ALLE AUFGABEN" gefolgt von den Werten.
Als ich die Klasse danach fragte, welchen Umständen wir den "großartigen" Schnitt von 3,9 zu verdanken haben, stimmte etwa die Hälfte der Schüler einem Mitschüler zu, der der Ansicht war, die Angaben gälten nur für Aufgabe 1.
Das ist zum Teil so extrem, dass ich wohl explizit JEDE Angabe, die man benötigt, laut vorlesen müsste. Sämtliche Kompetenzen und jegliches eigenständiges Denken bleiben dann auf der Strecke, und in der Abschlussprüfung fallen sie auf die Schnauze...
Ich bin hier WIRKLICH ratlos (und, wie man wohl an den Beitragszeiten sieht, es lässt mir auch keine Ruhe).
Gruß,
DpB |
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