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Forum: "Schüler lernen keine Vokabeln"
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| Motivation | | von: bakunix
erstellt: 09.11.2012 22:12:45 geändert: 09.11.2012 22:14:11 |
Es handelt sich doch offensichtlich um ein Motivationsproblem. Weshalb sollen Schüler an einer dt. Realschule in Dt. fremdsprachige Vokabeln lernen, ohne dass sie diese in ihrem Alltag benötigen. Die Schüler werden dann noch in einem Vokabeltest überprüft, ob sie die Wörter gelernt haben, die sie in Kürze wieder vergessen werden, weil sie diese außerhalb der Schule nicht brauchen.
Mit Vokabeltests hat man eben schnell ein paar Noten an der Hand, weil die Arbeit schnell erstellt und schnell korrigiert ist. Aber macht das Sinn?
Ich weiß nicht, wie du Englisch unterrichtest. Ich bin froh, dass meine Kinder ihren Fremdsprachenunterricht nur in der fremden Sprache hören, weil ihre Lehrer durchgehend auf diese Art im Unterricht kommunizieren. So wächst man leichter in die Sprache hinein und bekommt ein Gefühl für sie. Das Vokabellernen geht so nebenbei.
Ich meine deine Sorge zu kennen. Du kommst mit dem Nichtwissen deiner Schüler im Stoff nicht gut voran. Die Lücke zwischen dem Soll und dem Ist wird immer größer. Aber mal ehrlich: Sind eure Schüler nach der 10. Klasse in der Lage, wären sie in England, sich verständlich zu machen? Das müsste m.E. das Hauptziel des E-Unterrichts sein. Mit Pauken kriegt man zwar seine Noten und seine rechtliche Absicherung für die Zensur zustande. Aber: Schüler und Lehrer frustrieren sich gegenseitig.
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| Einspruch | | von: klexel
erstellt: 09.11.2012 22:26:18 geändert: 09.11.2012 22:28:40 |
Mit Pauken kriegt man zwar seine Noten und seine rechtliche Absicherung für die Zensur zustande.
Was soll das denn??
Egal, ob man einsprachig in der Fremdsprache unterrichtet wird oder der Lehrer fast nur deutsch spricht, um das Vokabellernen kommt man nicht herum.
Natürlich ist es nicht immer leicht, SuS zu motivieren, aber dein Argument zieht nun überhaupt nicht.
Und: Welcher Lehrer schreibt denn Vok-tests nur um der Noten wegen?? So ein Blödsinn.
Ich gebe die Vokabeln der Lektion immer für einen Test VOR der anstehenden Klassenarbeit auf.
Natürlich gibt es auch immer unterschiedliche Arten, die Vokabeln zu überprüfen, aber das braucht man einem/r En-LehrerIn wohl nicht zu erklären.
Nur von 4 Stunden (oder schlimmer noch: 2x2 Stunden Englischunterricht pro Woche lernt man keine Vokabeln, auch wenn man in den Unterrichtsstunden in der Fremdsprache "badet", denn vom Hören kann man sie noch lange nicht schreiben.
Richtig ist, dass die Rechtschreibung z.B. im Abschluss Kl. 10 nicht mehr das große Gewicht hat, das sie früher hatte - aber ohne geht nun mal nicht - und dann muss man halt lernen und üben.
Was die unterschiedlichen Leistungen in zwei Parallelklassen anbetrifft, habe ich schon öfter erlebt, dass irgendeiner der "Stimmführer" der Klasse eine Parole ausgibt - in diesem Falle vielleicht: Vokabeln lernen ist uncool - und dann ziehen viele der SuS mit - um nicht auch uncool zu sein. Da steht man als Lehrer auf ziemlich verlorenem Posten.
Kopfschüttel
klexel |
| @klexel | | von: bakunix
erstellt: 10.11.2012 06:16:02 geändert: 10.11.2012 06:23:30 |
Was soll das denn??
Siehe hierzu u.a. die Antwort der Landesregierung Ba-Wü 2006 auf die Anfrage des damaligen Landtagsabgeordneten Boris Palmer und heutigen OBs in Tübingen:
http://www.boris-palmer.de/Dokumente/Politik%20in%20Tuebingen/Soziales/Dokumente/2006/PM_Immersion.pdf
Darin steht u.a.:
"Das Immersionsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass die Fremdsprache(Zielsprache) nicht als Unterrichtsgegenstand vermittelt, sondern als Unterrichtssprache zur Vermittlung von Sachfachinhalten eingesetzt wird."
Also: Die Zielsprache wird nicht als Unterrichtsgegenstand verstanden. Das scheint mir der entscheidende Unterschied zu sein. |
| @bakunix | | von: klexel
erstellt: 10.11.2012 11:49:09 geändert: 10.11.2012 11:52:04 |
Was du per Link zitierst, hatte ich doch schon in meinem Beitrag geschrieben:
auch wenn man in den Unterrichtsstunden in der Fremdsprache "badet", denn vom Hören kann man sie noch lange nicht schreiben.
Das "in der Sprache baden" ist nichts anderes als die Immersion.
Was du in dem Artikel zitierst, macht meinen Beitrag jedoch nicht obsolet, weil darin nur von Grundschulen die Rede ist. Und dort wird in der 1. Fremdsprache noch sehr wenig geschrieben und schon gar keine Vokabeltests geschrieben.
Kleinkinder lernen ihre Sprache durch Immersion, denn Mutter lässt ja auch keinen Test schreiben. aber 2x2 Stunden Englisch pro Woche sind weit von Immersion entfernt. Das reicht einfach nicht. Man kann ein Jahr als Austauschschüler oder Au Pair nicht vergleichen mit ein paar wenigen Stunden pro Woche. Das ist dann nicht die tägliche dusche sondern eher das Bad am Samstag Abend.
In den höheren Klassen kommt man einfach nicht drum herum, einen gewissen Druck auszuführen, Vokabeln lernen zu lassen und zu überprüfen. Das gilt ebenso für grammatische Phänomene. Wenn du eine Multikulti-Schülerschaft hast, kannst du nicht auf die deutsche Muttersprache zurückgreifen und per Sprachbad grammatische Phänomene selber "automatisch" erschließen lassen, wenn es diese in anderen Sprachen gar nicht gibt. Die Türkische Grammatik z.B. hat mit der Englischen Sprach so ziemlich nichts gemein.
Ich habe im Bekanntenkreis ein italienisches Ehepaar, die vor 30 Jahren mit 0 Deutschkenntnissen nach Deutschland gekommen sind. Er ist Oberarzt, sie unterrichtet Italienisch an der Volkshochschule. Ihr Vokabular ist fantastisch, vor allem das medizinische, aber der Satzbau bei beiden ist eine Katastrophe, der sich in den 30 Jahren auch falsch eingeschliffen hat, weil sie die Grammatik nie gelernt haben und die Sprache eben erst als Erwachsene gelernt haben..
klexel
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| bakunix has a point. | | von: mtp
erstellt: 10.11.2012 14:52:48 geändert: 10.11.2012 15:25:34 |
Ich unterrichte Fremdsprachen seit 16 Jahren, knapp 10 davon in Großbritannien. Ich habe in GB sowohl mein gesamtes Studium wie auch mein Referendariat absolviert. Vielleicht ist es für den einen oder für die andere von Interesse, dass in den Fremdsprachen-Klassenräumen an britischen Schulen weder die Begriffkeit der "Vokabel" noch des "Vokabel-Lernens" auftaucht.
Der Sinn hinter der begrifflichen Abwesenheit dieser Lehrmethode hebt ihren Unsinn deutlich hervor: Da sind SchülerInnen gehalten, oft etliche Lehrbuchspalten fremdsprachlicher Vokabeln auf einmal zu behalten und diese aus jedem Kontext heraus auf Abruf zu reproduzieren. Am darauf folgenden Tag schon sind diese Vokabeln aus dem Kurzeitgedächtnis entflogen - und damit nicht mehr vorhanden. Welche sprachlichen Fertigkeiten werden damit denn abgeprüft? Vokabeltests prüfen lediglich, welche/r SchülerIn das beste Kurzzeitgedächtnis hat!
Vokabeltests haben m. E. wenig mit effizientem Sprachenlernen gemeinsam und bedeuten für mich nicht viel mehr als verschwendete Unterrichtszeit, da sie bei der breiten Masse der Schüler einen negativen Effekt auf deren Lernmotivation erzeugen und somit dem eigentlichen Ziel der Vermittlung von kommunikativen Kompetenzen völlig entgegen wirken.
Es ist wissenschaftlich belegt, dass fremdsprachliche Wendungen nur dann im Langzeitgedächtnis verankert werden, wenn die SchülerInnen einen Sinn in ihrem Sprachenlernen finden können, d. h. sich intrinsisch motivieren können. Kinder wie auch Teenager lassen sich sich motivieren, wenn man Brücken zu ihren eigenen Erfahrungsräumen schlägt oder ihnen neue zu entdecken gibt. Summa summarum: Fremdsprachliche Wörter und Wendungen werden nur dann im Langzeitgedächtnis Wurzeln finden, wenn man sinnstiftende Lehrmethoden einsetzt, die sich nicht hauptsächlich - wie in vielen deutschen Klassenzimmern - auf stures Vokabel- und Textbuchlernen fokussieren, sondern die Individualität, Kreativität und Motivation der Schüler bestärken und fördern, z. B. in Form von E-mail oder Facebook Brieffreundschaften mit gleichaltrigen SchülerInnen, die die zu erlernende Sprache als Muttersprache beherrschen.
Ja, auch beim Sprachenlernen geht es in unserem System nicht ohne Pauken und Leistungskontollen. Auch kann man natürlich nie alle Schüler erreichen, und manchmal spielen emotionale Gründe bei einem ablehnenden Verhalten eine große Rolle. Ich habe aber oft erlebt, wie man durch seine eigene Hingabe und Begeisterung für die Sprache und die Kultur auch die Schüler anzustecken vermag, die sich zunächst mit Händen und Füßen sträuben. Die Krönung sind Klassenfahrten in das Land selbst, wenn die Schüler die Erfahrungen machen, dass sie sich in der Fremdsprache verständlich machen können! "Mensch, das klappt ja in echt!", hatte mir mal ein Schüler gesagt, der völlig überrascht da stand, als er sich in einem Londoner Café allein etwas bestellte. Denn Verinnerlichen tun die Kinder etwas nur dann, wenn es für sie nicht sinnentleert ist.
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