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Forum: "Muss mir Luft machen..."
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| Muss mir Luft machen... | | von: sommerlaune
erstellt: 18.09.2004 21:47:24 |
Hallo zusammen,
Ich rege mich gerade tierisch auf und denke, dass hier ein gutes Forum ist, um Dampf abzulassen. Ich habe seit dieser Woche eine Nachhilfeschülerin, der ich Mathe und Deutsch Nachhilfe geben soll. Allerdings nicht, weil sie so schlecht ist, nein! Sie erhält in der Schule erst gar keinen Unterricht in diesen Bereichen! Sie ist 9 Jahre alt und wird nach Aussage der Mutter nach dem Lehrplan für Körperbehinderte unterrichtet. Dazu muss angemerkt werden, dass der Besuch dieser Schule wohl nur eine Notlösung ist. Eigentlich ist nicht so ganz klar, ob sie "nur" lernbehindert ist oder "schon" geistigbehindert. Eine genaue Überprüfung ist fürs nächste Jahr angesetzt. Wie auch immer... Die Mutter erzählte mir nun halb empört, halb resigniert, dass für die Lehrerin von J.(das ist die Schülerin) das Lesen und Schreiben an unterster Stelle beim Unterrichten steht. Da gäbe es wichtigere Sachen... Ich habe dann das Material gesehen, dass J. aus der Schule mitgebracht hat: Das waren irgendwelche Papierfetzen, die übergekritzelt waren. Was genau das sein sollte - keiner weiß. Und da konnte ich dann die Empörung der Mutter verstehen, denn ich hatte einen Tag zuvor mit J. schon einige Wörter bearbeitet, mit denen sie auf der Ebene der alphabetischen Strategie umgehen konnte. Natürlich war das noch nicht perfekt, aber sie konnte einige Wörter komplett allein erlesen, bei anderen konnte sie meine Hilfe nutzen. Das ist doch eine gute Basis! Warum setzt die Lehrerin in der Schule da nicht an??!! Im Matheunterricht sieht es wohl nicht anders aus. Ich habe zwar schon in der ersten Nachhilfestunde gemerkt, dass J. in diesem Bereich noch nicht so weit ist, wie die Mutter das gern hätte (von wegen Addition und so), aber Mengenerfassung ist teilweise auch schon vorhanden. Auch dort könnte Unterricht also ansetzen. Aber Pustekuchen, es geschieht nichts in der Richtung.
Ich finde, es ist ein Riesenskandal, wenn Eltern extra jemanden einstellen müssen, der ihrem Kind das beibringt, wofür eigentlich die Schule zuständig ist. Ich kann mich ja nur freuen, weil auf diese Weise mein Konto etwas gefüllt wird, aber im Grunde finde ich das erschreckend. Alles, was J. in diesem Bereich bislang gelernt hat, kommt von ihren Eltern. Die haben ihr sogar eine Fibel gekauft und versucht, die Schriftsprache systematisch zu vermitteln. Etwas problematisch finde ich das schon, aber gut zu verstehen, oder? Und J. liebt es, Geschichten zu lesen oder Wörter zu schreiben...
Ich verstehe echt die Welt nicht mehr. Als So-Schullehrer lernt man doch, dass Differenzierung im Unterricht wichtig ist. Warum kann J. nicht mehr lernen als ihre Mitschüler, die stärkere Behinderungen haben??
Sorry, dass ich euch hier so zugetextet habe! Aber ich habe sooon Hals!
Ich hoffe auch, dass ihr Lehrer nicht so nachlässig mit den Fähigkeiten eurer Schüler umgeht, und dass auch ich in meinem Ref nicht so jämmerlich versagen werde!
Mit etwas aufgebrachten Grüßen,
eure Sommerlaune |
| Danke für Zuspruch | | von: sommerlaune
erstellt: 19.09.2004 11:48:45 |
Hallo Leute,
danke, dass ihr auf meinen Brief reagiert habt! Es tut ganz gut, mal die Meinung von Leuten zu hören, die vom Fach sind. Da verraucht dann auch gleich ein ganzes Stück Wut. Ich werde die Eltern von J. so gut es geht unterstützen, damit sie für die Tochter eine bessere Förderung bekommen. Und bis dahin einfach gucken, dass ich J. noch ein bisschen beibringe, damit sie dann an einer anderen Schule einen guten Start hat. Dabei wird vor allem der Matheunterricht sicher nicht so einfach, weil ich das nicht studiert habe, aber Deutsch müsste gut klappen. Außerdem bleibe ich mit der Nachhilfe dann "am Ball", so dass ich die Zeit zwischen meinem Studium und dem Ref-Beginn für mich gut nutzen kann.
Liebe Grüße an alle! |
| Tjaaaa... | | von: sommerlaune
erstellt: 19.09.2004 18:37:26 |
Also das ist etwas kompliziert. J. war zunächst an einer Sonderschule für Lernbehinderte, da dort aber auch viele E-Schüler waren (fast ausschließlich) und sie dort gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt war, haben die Eltern sie von der Schule genommen. J. wurde wohl im Landeskrankenhaus (also von einem Psychiater/Psychologen?) getestet, allerdings hat die Testleiterin nach der Hälfte den Test abgebrochen, weil J. sich nicht mehr konzentrieren konnte. Als Ergebnis kam bis dahin wohl ein Wert von 86 raus und die Leiterin meinte, ein K-Lehrplan wäre wohl angebracht (sie selbst hat keine K-Behinderung). Tja, es wurde dann überlegt, auf welche Schule sie gehen könnnte, und schließlich wurde dann die, auf der sie gerade ist, u.a. aus Transportgründen ausgewählt (es gibt dort übrigens überwiegend G-Schüler).
Tja, und auch an den Schulen, an denen ich bisher Praktikum gemacht habe (G-Schulen) wurde immer auch Mathe und Deutsch unterrichtet - angepasst an die Fähigkeiten der Kinder. Aus diesem Grund kann ich auch überhaupt nicht nachvollziehen, warum bei J. so wenig läuft. Die Lehrerin sagte der Mutter, dass J. noch nicht so weit ist, dass ihr bestimmte basale Fähigkeiten fehlen. Aus diesem Grund soll sie wohl Krickelbilder machen und im Unterricht Inliner fahren. Nichts gegen Sport und Kunstunterricht, ist alles wichtig, das weiß ich. Aber wenn ein Kind schon auf alphabetischer Ebene mit Schriftsprache hantiert, ist das meiner Meinung nach ein Zeichen dafür, dass viele Grundlagen einfach schon da sind. Da kann ich dann "richtigen" Deutschunterricht anbieten!
Wie es aussieht, wird J. wohl im nächsten Jahr noch mal "richtig" getestet. Die Schule wird sie aber wohl in jedem Fall verlassen, was meiner Meinung nach das Richtige wäre. Mal schauen, wie es weitergeht, man darf gespannt bleiben... |
| Lehrplan | | von: galerina
erstellt: 20.09.2004 12:34:26 |
Ich kenne es nur so, dass die K-Schule in mehreren Zügen unterrichtet: A-Zug für Regelgrundschule, B-Zug für Lernbehinderte und C-Zug für Geistigbehinderte. Offensichtlich ist deine Schülerin in einem C-Zug. Und als ich Referendariat in einer Geistigbehindertenschule machte, fand ich auch, dass dem Erwerb der Kulturtechniken merkwürdig wenig Raum eingeräumt wird, vor allem bei Kindern, wo noch was ginge. Und ein IQ von 86 lässt doch hoffen, dass noch eine Menge geht, auch wenn der IQ nicht das Maß aller Dinge sein kann. (Es wäre auch interessant, mit welchem Test getestet wurde und warum nach einer Erholungspause der Test nicht fertig gemacht wurde und wie man einen IQ aus einem halben Test ausrechnet.) Mir kommt das alles sehr merkwürdig vor. Wird das Kind in einer Sonderschule unterrichtet, dann muss es doch auch einen Lehrplan geben. Können den die Eltern sich nicht besorgen? Vielleicht könnte man hier Unterstützung für die Eltern und letztlich das Kind finden.
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