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Forum: "Jahrgangsübergreifendes Lernen kommt fächendeckend (!!!) in Berlin"
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| In meiner Winzgrundschule in Australien | | von: andreajapan
erstellt: 24.01.2008 03:30:53 |
wird Jahrgangs übergreifend unterrichtet.
Allerdings sind an der ganzen Schule nie mehr als 25 Kinder und die Kinder werden abhängig ihrer Fähigkeiten gruppiert. Manche Kids lernen ja schneller Lesen als andere, oder die ein oder anderen sind auch besser oder schlechter in Mathe.
Dann sind die Grenzen natürlich fließend. Zeugnisse werden eh nicht gegeben. Weil die Eltern sich verpflichten müssen mit einem Elternteil mindestens einen halben Tag pro Woche in der Schule zu sein, sehen sie direkt den Fortschritt ihres Kindes und brauchen bis zum Ende der Schulzeit, Ende der 6ten Klasse, keine Notenlisten für ihre Kinder. Sie sehen die Entwicklung wöchentlich.
ABER:
Die Schule ist so organisiert, dass an jedem Tag 2 LehrerInnen da sind plus die helfenden Eltern, und das sind manchmal auch 2 und ich komme als Deutschlehrerin noch extra herein.
Das sind natürlich optimale Vorraussetzungen.
Das Berliner Konzept, allerdings nur basierend auf den Beschreibungen des ersten Beitrags, halte ich für illusorisch.
Die Differenzierungen, die man eh schon innerhalb einer Klasse machen muss, wird dann noch breiter gefächert, was zu zusätzlichen Arbeiten für die LehrerInnen führen würde.
Und wenn dann noch Fälle von ADS oder ADHD dazu kommen, na dann Prost Mahlzeit!
Mir ist aus meiner Warte von hier wirklich nicht ersichtlich, warum die Reduktion der Klassengrößen eigentlich nie ein Thema zu sein scheint, wenn es um Neuerungen im Schulsystem geht. Vielleicht muss der Druck von den LehrerInnen diesbezüglich einfach mal massiver werden, oder es müssten Studien hergestellt werden, die eine Notwendigkeit der Verringerung von Schülerzahlen in den Klassen belegen.
Ich drück euch die Daumen, dass diesbezüglich mal etwas besser wird!
Bis demnächst,
andreajapan
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| mein sohn... | | von: schulmamsell
erstellt: 24.01.2008 06:11:04 |
geht in eine jül-klasse (stufe 1-2). ich war genauso skeptisch wie du und hatte große bedenken.
das erste halbjahr ist jetzt geschafft und ich muss sagen, dass ich restlos begeistert bin! wenn ich heute wählen dürfe, würde ich meinen sohn freiwillig immer wieder dorthin schicken. die kinder gehen sehr lieb miteinander um, die großen fühlen sich nämlich für die "ersties" verantwortlich und haben die patenschaft übernommen.
diese besondere form des unterrichts macht es nötig, dass sehr viel frei gearbeitet wird. ich habe aber das gefühl, dass die ohnehin notwendige differenzierung zwischen erst- und zweitklässlern den vorteil hat, dass im klassenzimmer permanent das material der schwierigkeitsstufe liegt, das das jeweilige kind gerade benötigt.
ein beispiel: mein sohn konnte bei der einschulung lesen. seeehr stockend, aber synthese ging eben schon. Nun waren die Buchstabenübungskartei der erstklässler für ihn natürlich pillepalle. die schreibschriftkartei der zweitklässler war allerdings dann doch noch zu hoch.
was macht die lehrerin? mein kind bekam kurzerhand sämtliches arbeitsmaterial auf ihn angepasst ausgeteilt.
außerdem haben andere mütter mir berichtet, dass auch die leistungsunterschiede innerhalb einer klasse für die kinder nicht so direkt spürbar sind, weil es ja meist noch die jüngeren gibt, die es dann eben noch schlechter können. kinder, die wiederholen müssen, nehmen das nicht so tragisch, weil sie in ihrem klassenverband bleiben können.
hat also durchaus seine vorteile.
aber wie so oft steht und fällt das alles mit der lehrkraft. wir haben diese super engagierte (übrigens durchaus aus einem älteren semester!!!) arbeitswütige wahnsinnig erfahrene unglaublich-lehrerin erwischt, die das ganze auch schon seit 7 Jahren macht. und wir sind glücklich.
warte gelassen ab. die kinder findens wahrscheinlich gar nicht tragisch. und wenn das jetzt flächendeckend kommt, ist eh keine entkommen möglich.
ich halte dir ganz feste die daumen, dass ihr auch so tolle erfahrungen machen dürft!!!!
liebe grüße!!! |
| Machen wir doch mal einen kleinen Ausflug in die | | von: lupenrein
erstellt: 24.01.2008 11:18:24 |
Vergangenheit:
Da waren - besonders auf dem Land - Zwergschulen mit einem Lehrer und mit jahrgangsübergreifendem Lernen - mit Pauken - die Regel, nicht die Ausnahme.
Etwa zu dem Zeitpunkt geschah es wohl auch, daß man die Deutschen das Volk der Dichter und Denker nannte.
Der Lehrer war ziemlich mies bezahlt.
Was ist in der Gegenwart:
Es gibt hierzulande das fein säuberlich aufgebröselte ge(zer????)gliederte Schulsystem,überwiegend beamtete Lehrer. Nach PISA et al. bescheinigt man uns Deutschen nicht unbedingt die besten Ergebnisse unserer Bildungspolitik.
Statt zu dichten und zu denken (vor allen Dingen zu denken, Ursache/Wirkungszusammenhänge nicht nur zu erkennen und Ergebnisse seriöser Wissenschaft wahrzunehmen, sondern auch die Konsequenzen zu ziehen im Interesse unserer Wertegemeinschaft )ist scheinbar eher Angst vor dem Denken und Versorgungsmentalität, dabei Konsumdenken und Markengläubigkeit, Angst davor, sich auch mal zu quälen, bis ein Ziel erreicht ist, angesagt.
Das klingt alles irgendwie sehr nach zunehmender Dekadenz und nach zunehmender "Verblödung".
Möglicherweise hat die Zwergschule mit ihren jahrgangsübergreifenden Sozialgemeinschaften summa sumarum doch mehr gebracht als die jetzige Situation - so könnte der meinen, der von außen in einem Abstand von 100 Jahren unser geliebtes Land besucht.
Ich habe überhaupt nichts gegen jahrgangsübergreifendes Lernen,"Schüler lehren Schüler" und mehr sogenannte "Zwergschulen" von Jahrgang 1 bis 10 als Stadtteilschulen, weil so nach meiner Auffassung - hoffentlich - eher soziale Bindungen aufgebaut und gegenseitiges Verständnis gefördert werden. So kann nach meiner Meinung auch in Stadtteilen der sonst entfallende Anteil der Schule an der Identifikation mit dem eigenen Lebensraum erhalten bleiben.
Weitere Aufsplittung und frühzeitige Stigmatisierung ganzer Kindergruppen durch zu frühes "Erbsen sortieren" und dazu noch die Möglichkeit der "Flucht aus dem eigenen Milieu" (in NRW) durch freie Grundschulwahl) sind da wohl eher kontra-produktiv statt hilfreich.
Übrigens: Ich ging 8 Jahre lang zur Volksschule.
Über mangelnde Empathie der Schüler wie heute hat niemand geklagt. Ich habe im Gegenteil - in meiner Erinnerung, vielleicht verklärt die ja auch etwas - eine ziemlich gut funktionierende Klassengemeinschaft erleben können. Die meisten Kinder aus dem Kindergarten habe ich dort wiedergesehen. Vorher haben wir schon gemeinsam gespielt. Wir waren also über viele Jahre zusammen. Sowas schafft auch Kontinuität und Sicherheit im Kinderleben.
Mein bester Freund heute - Hauptschullehrer - war mein bester Freund damals. Diese Freundschaft hält jetzt schon über 55 Jahre.
Es gab auch immer wieder neue Kinder, die zu uns kamen und die in die Klassengemeinschaft integriert wurden. Die waren als Flüchtlinge oder als Aussiedler gekommen und konnten teilweise kein Wort deutsch. Das legte sich mit der Zeit - nicht im Zeitraum von Generationen, sondern - auch bei den Eltern!!! - innerhalb weniger Jahre. |
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