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Forum: "Kind mit Förderbedarf am Gymnasium"
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 | Kind mit Förderbedarf am Gymnasium |  | von: myrrisch

erstellt: 10.05.2014 22:39:50 |
Ich bin etwas zwiespältig. Da ich ja selbst Lehrerin bin (das auch noch
seeeehr gern), kenne ich auch die andere Seite und mittlerweile auch
meine unbändige Wut auf die Art der ideologisch dominierten
Inklusion. Die Bedingungen sind besonders im Sekundarschulbereich
eine Katastrophe. Ich bin aber auch Mama. Mein Mittlerer hat eine
Störung des ZNS (zusätzlich ADS, damit das Paket komplett ist)
Er war in der Grundschule so gut, dass er eine Gymnasialempfehlung
bekam. Offiziell mit Förderschwerpunkt körperlich/motorische
Entwicklung, da es auch körperliche Auffälligkeiten gibt, die das
Lernen aber kaum stören. Inklusion und Gymnasium geht aber gar
nicht. Eine Sonderpädagogin guckt nicht mal vorbei. Seine
Klassenlehrerin hat 2h/Woche für ihn bekommen, die allerdings in die
Vertretung gehen (echt!). Die ersten 1, 5 Jahre hat er sich super
geschlagen. Im Schnitt ein guter Zweierschüler. Allerdings habe ich
viel Struktur geben müssen...Auf den Klassenkonferenzen habe ich
schnell gemerkt, dass einige Lehrer jede Art von Unterstützung
ablehnen, z.B. Kontrolle ob er HA einschreibt, weil es ein Gymnasium
sei und das müsse er nun mal können. Auch sofortige
Rückmeldungen nach Hause übers HA-Heft bei mehrfachen
vergessenen HA oder anderen Problemen fanden einige übertrieben.
Ich habe versucht zu erklären, was im Gehirn nur schwer zu steuern
ist und deutlich länger brauchen würde zum Reifen als das allgemeine
Leistungsniveau. Sogar den Nachteilsausgleich wollten Lehrer einfach
nicht geben, wenn es mein Sohn nicht deutlich einfordert. Das hat
mich echt sauer gemacht. Weil er aber trotzdem gut voran kam, habe
ich mich nach dem letzten Zeugnis langsam zurück gezogen. Ich
hoffte, er hat die Strukturen jetzt halbwegs verinnerlicht. Ich dachte,
die werden sich hoffentlich melden, falls es schief geht. Nichts
geschah. Ich wunderte mich allerdings über die wenigen Noten. Aber
da ja Klassenarbeiten unterschrieben werden müssen, dachte ich
immer noch...das gehört wohl so. Irgendwann wurde ich aber
misstrauisch. Und dann traf mich der Schlag. Es gab einen totalen
Einbruch. Niemand hat sich gemeldet, niemand fand es komisch. Das
sei halt Pubertät. Von fast Eins auf fast Fünf in mehreren Fächern.
Und niemand macht den Mund auf. Natürlich hat er jede Struktur
verloren. Nicht mal Mitschriften hat er angefertigt. Er meinte dazu, er
wusste irgendwann gar nicht mehr, wo er anfangen solle. Und so
lange niemand in der Schule Alarm schlug, dachte er, das sei halt
auch nicht schlimm. Und natürlich ist es pubertäre Bequemlichkeit, die
das Faulsein gut nährte.
Ich habe jetzt viele Gespräche geführt in der Schule. Ja, ich bin sauer.
Und so geht es nicht. Er hat fast vier Monate Schule mehr oder
weniger vermieden. Andererseits sind die Schulen für diese Kids null
vorbereitet. Der katastrophale Lehrermangel führt dazu, dass die
Stunden in die Vertretung gehen. Die meisten Lehrer sind müde und
überlastet. Das Herz kann gar nicht frei sein für Mehrarbeit (die ist es
nun mal), selbst wenn sie es eigentlich wollten. So bin ich kleinlaut
und zwiespältig. Aber andererseits hat mein Sohn ein Recht darauf,
dass er auch in der Schule Unterstützung bekommt. Er gehört vom
intellektuellen Vermögen auf alle Fälle aufs Gymnasium. Jetzt
überlege ich schon, ob ich über das persönliche Budget (haben
Schwerbehinderte zur Verfügung) eine Schulbegleitung "einkaufe".
Aber das ist für einen Achtklässler auch nicht so leicht zu verpacken.
Und so langsam ko... mich diese ganze Inklusion nur noch an. Sie
wird unter diesen Bedingungen auf dem Rücken der Kinder
ausgetragen. Und mir als Mutter bleibt nur übrig, die Förderung
persönlich in die Hand zu nehmen. Ich muss mich kümmern. Dabei
möchte ich vor allem Mama sein und nicht Aushilfslehrer oder
Unterstützungsbesorger.
Sorry, ist lang geworden. |
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
erstellt: 11.05.2014 10:06:48 geändert: 11.05.2014 10:09:54 |
denke aber, dass das Thema Nachteilsausgleich in allen Bundesländern ähnlich gehandhabt wird.
Bei uns gilt:
Wenn ein Schüler an Anrecht auf Nachteilsausgleich hat, dann wird der Nachteilsausgleich für diesen Schüler in der Klassenkonferenz festgelegt und zwar möglichst konkret. Die festgelegten Maßnahmen werden mit den Eltern und dem Schüler besprochen. Das Protokoll über den vereinbarten Nachteilsausgleich ist in der Schülerakte zu hinterlegen. Anschließend müssen sich alle Lehrer daran halten!
Ansonsten würde ich regelmäßige Gespräche mit dem KL führen, wobei ich vermute, dass der im Gymnasium nicht immer über alle Fächer Bescheid weiß.
Hat dein Sohn einen guten Freund in der Klasse, der ihm vielleicht helfen könnte HA und Klassenarbeiten o.ä. zu notieren.
Ein Schulbegleiter könnte natürlich für deinen Sohn mehr Struktur und Ordnung schaffen, aber er wird ja nicht den kompletten Unterricht dabei sein und daher musst du die Lehrer in der Beziehung auch mehr in die Pflicht nehmen.
schwingrid kann ich nur beipflichten! Klassenelternsprecher, Schulelternsprecher ... einbeziehen, denn morgen schon könnte es auch deren Kind treffen.
Selbsthilfegruppen sind auch immer gute Ansprechpartner, das sie ja meistens schon eine Lobby haben. |
 | Die regelmäßigen |  | von: myrrisch

erstellt: 11.05.2014 10:45:59 |
Gespräche finde ich eine gute Idee. Als verbindlichen Termin.
Mich an höhere Stelle zu wenden, fällt mir super schwer. Selbst mit
Schulleitung zu reden. Ich finde ja, dass bis auf zwei Ausnahmen, die auch
irgendwie nicht anders können. Niemand hat die Lehrer dafür ausgebildet.
Sie haben einfach ein Problem mehr übergeholten bekommen. Als ich das
Protokoll der GEV las, wurde mir echt übel. Da hat man ihn als
lernbehindert geführt. Das ist er ja nun ganz und gar nicht. Raus kam, dass
es insgesamt 4 Kinder gibt an der Schule. Zwei sinnesbehinderte Kids, die
tatsächlich von Sonderpädagogin betreut und Lehrer beraten werden....und
da nimmt man auch eher Rücksicht. Das läuft wohl super. Ein Kind mit
autistischen Zügen...da gibt es auch schwere See. Mit der Mutter habe ich
ab und zu gesprochen. Auf das Protokoll habe ich geantwortet und um
Richtigstellung gebeten. Was für eine Dussligkeit, ihn auch noch in
offizieller Form bei anderen Eltern lernbehindert zu machen. Antwort war
so ungefähr, dass ich ja das nächste Mal selbst kommen könne, man habe
halt noch nicht viel Ahnung.Klar könnte ich das. Aber ich habe nicht nur
den Mittleren. Und ich möchte nicht immer alles selbst machen müssen.
Und ich habe Angst als neurotische Nervmutter abgestempelt zu werden.
Das hilft auch niemanden. Zumal ich noch die jüngere Schwester im
Rennen habe, hochbegabt und bestimmt nicht unkompliziert. Ich fühle mich
einfach nur verloren. Habe zumindest seit einer Woche durchgesetzt, dass
sein HA-Heft nach JEDER Stunde abgezeichnet werden muss, mit
Vermerk, ob alles dabei war und er überhaupt im Unterrichtsgeschehen
aktiv wird. Das ist schon mal gut. Aber ich weiß, dass es über kurz oder
lang dort Widerstände geben wird. An den Rückmeldungen merke ich aber,
wie nötig es ist.
Aber vielleicht sollte ich mit den gebündelten Problemen um ein Gespräch
mit Klassenleiterin und Schulleitung bitten. Dann ist es nicht hinten herum.
Die Klassenlehrerin tut ja, was sie kann. Sie kann nichts dafür, dass die
Stunden in Vertretung gehen. Und auch nicht, dass sie im Grunde keine
Ahnung hat. Ist das eine gute Idee? Oder gibt es da auch Fallstricke.
Mitschüler, die zuverlässig sind und ums Eck wohnen, sind nur
weiblich....das geht gerade gar nicht, findet er. Die Jungs sind ihm da keine
Hilfe. Und er muss in den Sommerferien nacharbeiten. Das ist seine
Konsequenz (die ich natürlich finanziere), weil er ja wochenlang kaum was
tat. Hätte mir das jemand früher gesagt, hätte es vermieden werden
können. |
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
erstellt: 11.05.2014 10:55:09 |
Nachteilsausgleich ist schriftlich festgelegt, hat sich aber der Deutschlehrer
trotzdem gegen gewehrt ohne Ende. Ich habe mit der Klassenlehrerin
gemeinsam ein sehr deutliches Gespräch führen müssen. Das macht auch
ein sch.... Gefühl. Er hat dabei nur eine Zeitverlängerung, ich will gar nicht,
dass er was erlassen bekommt.
Ich glaub mein Problem ist, bis auf zwei Ausnahmen, dass ich es zwar
unfassbar doof finde und sauer bin, weil mein Kind betroffen ist,
andererseits kaum noch wage, was zu fordern, weil die Bedingungen so
schlechte sind, die sich ja die Kollegen nicht ausgesucht haben. Das ist es
wohl. |
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erstellt: 11.05.2014 12:33:13 |
im sonderpädagogischen Sinne ist Lernbehinderung relativ klar definiert. Je
nach Bundesland sogar an einen IQ gekoppelt. Dass viele andere
Behinderungen, Erkrankungen das Lernen erschweren könnten, ist ganz
klar, allerdings ist der Unterschied, dass ein prinzipielles Potential zB.
abstrakt zu denken...vorhanden ist. Hier ist eine Lernbehinderung immer an
einen unterdurchschnittlichen IQ gebunden und an entsprechende
Probleme. Per Definition. Anders darf der Förderschwerpunkt gar nicht
vergeben werden. Natürlich werde ich sauer, wenn dann mal eben von
Lernbehinderung gesprochen wird, weil sich niemand gekümmert hat. Er
hat außerdem nicht nur ne pubertäre Lernblockade. Das ist eine
neurologische Erkrankung. Davon nicht betroffen ist sein intellektuelles
Leistungsvermögen. Welche Mutter würde da nicht abwehrend reagieren.
Ich verstehe nicht, was daran interessant sein soll. Was ist das denn für ein
besch.... Bildungssystem, dass sich mit blinden Aktionismus in die
Inklusion stürzt und dann Kinder und Familien ins offene Messer laufen
lässt!!! Da wäre der weitere Besuch der Körperbehindertenschule vielleicht
besser gewesen, nur zu schade aber auch, dass er gern mit den Kumpels
aus der Nachbarschaft begabungsgerecht beschult werden möchte. Das ist
natürlich unverschämt. |
 Beitrag (nur Mitglieder) |
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