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Forum: "Verbrechen der Wehrmacht"
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| Verbrechen der Wehrmacht | | von: notfunny
erstellt: 26.01.2021 00:09:11 geändert: 26.01.2021 00:13:21 |
"Opa war kein Verbrecher" - mit dieser Aufschrift auf dem T-Shirt saß im letzten Jahr ein Schüler provokant im Geschichtsunterricht der 10. Klasse, als wir uns mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt haben. Vor zwei Jahren erklärte eine Schülerin, sie wolle nichts davon hören, weil zuhause eben anders über das Thema geredet werde und sie halte das nicht aus. Sie legte den Kopf auf den Tisch und zog die Kapuze darüber. Vor drei Jahren malte ein Schüler eine Reichskriegsflagge auf seinen Hefter, während sein Banknachbar die ganze Stunde vor sich hin kicherte. Mit keinem von beiden ließ sich ein sinnvolles Gespräch herstellen. Dieses Jahr verließ ein Schüler den Raum, als ich ankündigte, wir würden uns in der heutigen Stunde mit der Rolle der Wehrmacht im Dritten Reich beschäftigen, insbesondere damit, inwieweit sie in Kriegsverbrechen verwickelt war. Der allergrößte Teil der SchülerInnen steht dem Thema sehr aufgeschlossen und interessiert gegenüber und ist bereit, sich differenziert mit Fragen auseinanderzusetzen wie - "Konnte man den Kriegsdienst verweigern?" - "Wie unterschied sich die Kriegsführung im Westen von der im Osten/Südosten Europas"? - "Was passierte, wenn man von der Front abhaute oder einfach vom Fronturlaub nicht wieder zurück zur Truppe ging?" - "Musste man sich an Erschießungen beteiligen?" - "War es möglich, 'sauber' zu bleiben?" - "Welchen Einfluss hatte die NS-Ideologie auf das Unrechtsempfinden der Soldaten?" Aber einige Ausnahmefälle sind derartig emotional vorgeprägt, dass sie sich dem Thema komplett verweigern, weder zu Diskussionen noch zu Einzelgesprächen in der Pause abseits der Klasse bereit sind. Auch Wochen später noch machen sie grundsätzlich dicht, wenn ich nur vorsichtig nachfrage, ob er/sie mir vielleicht etwas zu dem Thema erzählen möchte. Mein Eindruck ist, dass da auch kein Vorwissen vorhanden ist, lediglich eine konsequente Blockadehaltung. Liebe Kollegen, falls euch das Phänomen bekannt ist, wie geht ihr damit um? |
| Über Vergangenes zu sprechen | | von: dafyline
erstellt: 26.01.2021 10:16:48 geändert: 26.01.2021 10:37:24 |
mit dem Wissen von heute ruft verständlicherweise Emotionen hervor. Jede Generation, die in einen Krieg involviert war, wollte verständlicherweise nicht sprechen - das Geschehen wurde im und vor allem vom Gedächtnis weit zurückgedrängt, da es sonst zu belastend gewesen wäre. Das betrifft sowohl den I. als auch den II. Weltkieg. Es gab damals weder Internet noch Smartphone für schnelle Informationsübertragung, ja sogar Druckmedien waren, wenn vorhanden, nicht zeitnah überall und jederzeit mit neutralem Inhalt vorhanden. Der Grundsatz "Es ist vermssen mit dem Wissen von heute über Vergangenes zu befinden" gilt nach wie vor. Vielleicht sollte man all das im Vorfeld mit den Schülern überdenken |
| Ich möchte dafyline beipflichten. | | von: halb27
erstellt: 26.01.2021 11:50:24 geändert: 26.01.2021 12:11:11 |
Wir Älteren sind bei dem Thema noch relativ stark betroffen (meine Geburt ist nur 4 Jahre vom Ende des 2. Weltkriegs entfernt), aber für die Schüler gilt das von ihrer persönlichen Geschichte nicht, haben doch selbst die derzeitigen Opas wohl kaum am Krieg teilgenommen. Die reguläre Wehrmacht war an Kriegsverbrechen beteiligt, aber das Gros der Soldaten ist davon unberührt (für die SS gilt das nicht). Von daher finde ich das Thema für die Gegenwart nicht allzu relevant. In Anbetracht der beteiligten Emotionalität würde ich es vermeiden, sofern es keinen konkreten Anlass dafür gibt. Im übrigen gibt es in jedem Krieg auf jeder Seite Kriegsverbrechen, einfach weil es den Psychopathen Gelegenheit gibt, sich auszutoben. Das betrifft allerdings hauptsächlich individuelles Verhalten. Interessanter empfinde ich ein benachbartes Thema. Der Krieg im Osten war ein Vernichtungskrieg von größter moralischer Fragwürdigkeit. Was mögen die Soldaten dazu gedacht haben? Ich befürchte, dass hier die Rassenideologie der Nazis griff, viel mehr als gegenüber den Juden. Mich hat auch immer die Frage bewegt, was haben sie sich beim Überfall auf die Sowjetunion gedacht, nachdem das ja nach dem von den Nazis mitinitiierten Nichtangriffspakt ausgeschlossen war. Aber auch dies ist für die heutigen Schüler von keiner persönlichen Relevanz. |
| Relativieren leicht gemacht | | von: villon
erstellt: 26.01.2021 19:19:43 geändert: 26.01.2021 19:38:10 |
Moin halb27, nur mal so zum Durchdenken, "Die reguläre Wehrmacht war an Kriegsverbrechen beteiligt, aber das Gros der Soldaten ist davon unberührt (für die SS gilt das nicht)" Aha, das war also ein legitimer Krieg und niemand in Deutschland oder der Welt oder wer auch immer für diese Legitimität zuständig war, hätte das jemals bezweifelt. "Von daher finde ich das Thema für die Gegenwart nicht allzu relevant. In Anbetracht der beteiligten Emotionalität würde ich es vermeiden, sofern es keinen konkreten Anlass dafür gibt." Du plädierst also für ein Vergessen dessen, was eh heute nicht wieder passieren kann, äh dauernd wieder passiert. sehr seltsam. "Im übrigen gibt es in jedem Krieg auf jeder Seite Kriegsverbrechen, einfach weil es den Psychopathen Gelegenheit gibt, sich auszutoben. Das betrifft allerdings hauptsächlich individuelles Verhalten." Das allerschlimmste an deinen relativierenden Aussagen ist, und das ist nacheditiert, dass du konstatierst, dass dieser Krieg so wie andere war und hier muss ich ein Werturteil einfügen: Dieser Krieg war als Vernichtungskrieg geplant mit der klaren Zielsetzung, sogenannten "Lebensraum" zu schaffen. Das bedeutete Ausrottung oder Versklavung der vorhandenen Bevölkerung. Juden sowieso. Hubsi, tschuldigung dass ich Sie grade vergewaltigt und dann erschossen, vergast, bombadiert, (wahlweise andere Tötungsart) habe. "Was mögen die Soldaten dazu gedacht haben? Ich befürchte, dass hier die Rassenideologie der Nazis griff, viel mehr als gegenüber den Juden." Die werden sich bestimmt gedacht haben und das kannst du nachlesen: Ein Aufwasch: Bolschewiken die durch Juden dazu angestachelt wurden die Weltrevolution anzuzetteln töten und dann kann ich da meine kleine Farm aufbauen. Ohne Gruß Villon PS: Wie geschichtsignorant man sein kann irritiert mich immer wieder. |
| Mein Opa war ein Mörder! | | von: villon
erstellt: 26.01.2021 19:49:15 |
Mein Opa war sogenannter Schupo. Welcher Geburtsjahrgang er war, weiß ich nicht. Ich weiß nur aus den später erfolgten Aussagen meiner Großmutter, also seiner Frau, wohl im Osten, in Frankreich, in Jugoslawien und letztlich in der Sowjetunion im Einsatz war. Als Polizist war er zu Beginn des 2. Weltkrieges abgeordnet dazu, aber das ist nur meine Vermutung, genau an den Zügen zu stehen, die entweder Menschen in Ghettos oder direkt in die systematische fabrikmäßige Vernichtung zu schicken. Es fehlen einfach die Aussagen der feigen und ich kann es nicht anders sagen kleinmütigen Mörder, weil von den überlebenden Opfern sind es einfach zu wenige. villon |
| @notfunny | | von: janne60
erstellt: 26.01.2021 19:56:45 geändert: 26.01.2021 19:58:55 |
Das ist ein sehr interessantes Thema, das du da anschneidest. Aus schulischer Sicht habe ich damit weniger zu tun, da ich an der Grundschule arbeite und das Thema Weltkrieg hier nicht behandelt wird. Ich befasse mich jedoch viel mit systemischen Sichtweisen, systemischen Aufstellungen (hauptsächlich auf das schulische Umfeld bezogen, was jedoch allermeistens im privaten Bereich landet). Hierbei wurde oft sichtbar, dass jetzige Generationen entsetzlich unter Dingen leiden, die vielleicht einem Vorfahren im Krieg widerfahren sind. Zum Beispiel wären da Schuldgefühle ("Wieso habe ich überlebt und mein Bruder/Freund/Nachbar nicht?", "Wie soll ich damit fertig werden, dass ich Menschen erschossen habe, dass ich Leben auf dem Gewissen habe?" ....) Ich glaube, dass es ebenfalls eine große Rolle spielt, dass die Kriegsgenerationen so verstummt waren. Ich kenne mehr Leute aus meiner Generation, denen man nichts vom Krieg erzählt hat (ich selbst wusste als Kind gar nicht, dass mein Opa und mein Vater im Krieg dienen mussten), als welche, die von Aufarbeitung reden würden. Und all die unausgesprochenen und unbereinigten Gefühle zeigen sich an irgendeiner anderen, oft unvermuteten Stelle wieder, und so können es auch die Schüler aus deiner Klasse sein (die davon natürlich bewusst nichts wissen). Es würde mir persönlich darum gehen, ihre Einstellungen zu achten und ich würde sie auch nicht bedrängen oder zum Reden zu bewegen. Kinder äußern Trauer, Wut oder Frust auf ihre ganz eigene Weise, die wir Erwachsene gern falsch deuten. Ich erinnere mich an ein Trauergespräch in meiner Klasse anlässlich eines verstorbenen Mitschülers, bei dem plötzlich ein Schüler wie irre zu lachen begann. Auf sowas muss man gefasst sein und darf das nicht aburteilen. Solche Reaktionen zeugen von einer unglaublichen emotionalen Erschütterung im Kind, wie ein Schock, bei dem man sich nicht unter Kontrolle hat. Ich stelle mir vor, dass es deinen Schülern, deren Abwehrhaltung du schilderst, ähnlich geht. |
| @villon | | von: halb27
erstellt: 26.01.2021 20:42:24 geändert: 26.01.2021 21:00:56 |
Dass Dein Opa ein Mörder war, wissen wir ja jetzt aus drei Beiträgen von Dir. Wobei dass aber eine reine Vermutung ist, genauso wie Du mich gründlich missverstanden hast und reichlich unlogische Schlüsse ziehst. Denn meine Haltung zum zweiten Weltkrieg geht doch klar hervor und ist im übrigen von Deiner nicht allzu weit entfernt. Nur dass Du dich ziemlich verbissen auf dieses Thema eingeschossen hast. Ich jedenfalls würde meinem Vater und meinem Opa nicht ohne handfesten Hintergrund Kriegsverbrechen unterstellen. Wobei ich mich schon frage, wie schon oben beschrieben, was die Soldaten sich zu den Aktionen wie dem Überfall auf die Sowjetunion gedacht haben. Apropo die Soldaten hätten gedacht, Bolschewiken und Juden in einem Aufwasch ausrotten und meine kleine Farm aufbauen! Mein Vater hat mal berichtet, dass man ihm irgendwann gesagt hat, dass er Ortsvorsteher in irgendeinem entlegenen russichen Dorf werden sollte! Da ist ihm erstmal klargeworden, worauf die ganze Sch...e hinauslaufen sollte, und er war nicht amused. Ich glaube, viele Soldaten waren einfach ziemlich naiv. Übrigens: Ganz anders als Du schäme ich mich dafür. dass ich meinen Vater lange missachtet habe, dass er auch lange in der Nachkriegszeit offensichtliche Sympathien mit der Nazi-Ideologie zeigte. Was ich nicht beachtet habe: er ist in seiner Jugendzeit von den Nazis beeindruckt worden, und speziell fie Jugend wurde von den Nazis erfolgreich umgarnt. Zudem ist er in Danzig aufgewachsen, das von den Querelen um den Korridor, für die nicht nur die Deutschen verantwortlich waren, massiv betroffen war. Und mit 21 ging er dann in den Krieg. Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich in dieser Zeit unter diesen Umständen aufgewachsen wäre. Ich bin froh und dankbar, dass ich in einer viel glücklicheren Zeit groß geworden bin. |
| Skurrile Relevanz | | von: villon
erstellt: 27.01.2021 17:02:40 geändert: 27.01.2021 20:58:04 |
"Es ist schon reichlich skurril: Meine Generation, für die das Thema persönlich relevant war, weil unsere Väter und Opas im Krieg waren, hat in der Schule nie derartige Themen in der Schule behandelt erlebt." Das merkt man. "Heute, 75 Jahre nach dem Ende des Nazi-Staates, meint man verpflichtet zu sein, die Schüler damit zu belasten - und eine Belastung stellt es ja durchaus dar -, obwohl es für die Schüler keine persönliche Relevanz hat, weil eben deren Väter und Opas nicht mehr am Krieg teilgenommen haben." Ah ja. Der erste industriell organisierte Massenmord der Geschichte hat keine Relevanz, angesichts solcher Anschläge wie in Halle und etlichen anderen Ereignissen, die geprägt sind von einem sowohl rassistisch-nationalistischen Antisemitismus, der sich auch gerne bei vermeintlich links orientierten Menschen findet. Von Tendenzen bei AFD und Q-Anon müssen wir hier wohl nicht reden. Passt aber zum diesjährigen Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers vor 76 Jahren. Und schon wieder dieser Hang zur Relativierung, welcher mir wirklich etwas absonderlich erscheint. |
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