ich recht negativ über das Konzept der langen und kurzen
Vokale geschrieben habe, möchte ich es keineswegs
verteufeln.
Es hat für viele Schüler durchaus Vorteile.
Ich bin kein Lehrer, sondern fördere an meiner heimatlichen
Grundschule alle Kinder in allen Klassen in Mathematik
(Schwerpunkt: Klassen 1-2) und Rechtschreibung
(Schwerpunkt: Klassen 3-4). Das Tolle an meiner speziellen
Situation ist, dass ich die Kinder und ihre Probleme in den
unterschiedlichsten Klassen erlebe. Inzwischen sehe ich die
Zusammensetzung einer Klasse so: das Gros der Kinder in
jeder Klasse sind Selbstlerner, jedenfalls an einer Schule
wie meiner mit einem schulisch eher unproblematischen
Einzugsgebiet. Selbstlerner meint, dass die Kinder beim
Lernen nur wenig Unterstützung benötigen. Die Anforderungen
an die Qualität der didaktischen Konzepte sind zum Glück
für diese Kinder ziemlich unbedeutend. Die Persönlichkeit
der LehrerIn hat den größeren Einfluss auf den Lernerfolg
der Kinder. In jeder Klasse gibt es aber auch Kinder - ich
nenne sie Lernkinder - die sich beim Lernen sehr anstrengen
müssen. Da habe ich leider feststellen müssen, dass viele
gebräuchlichen didaktischen Konzepte für diese Kinder
suboptimal bis ausgesprochen schlecht sind. Das betrifft
nicht nur neue in Mode geratene Konzepte (wie die völlig
überzogene Erwartungshaltung an die Reflexionsfähigkeit von
Erst- und Zweitklässlern), sondern auch alt-"bewährte"
Vorgehensweisen. Ich habe lange gebraucht, mich selbst
davon zu lösen, und bin seitdem erstaunt, mit welcher
Selbstverständlichkeit praktiziert wird, was offensichtlich
bei vielen Kindern nicht funktioniert.
Insofern bedaure ich es sehr, dass LehrerInnnen in
Ausbildung und Praxis (und das bezieht sich hauptsächlich
auf Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien) nicht primär mit
robusten didaktischen Konzepten konfrontiert werden, die
auch für Lernkinder wirksam sind.
Wenn ich Lehrer wäre, würde ich die Thematik 'kurze und
lange Vokale' durchaus behandeln, weil sie für viele Kinder
(in vielen Klassen wahrscheinlich die meisten Kinder)
hilfreich ist.
Ich würde mich aber auf keinen Fall darauf beschränken. Ich
würde bereits im ersten Schuljahr, sobald Silben behandelt
sind und die Silbensegmentierung einigermaßen beherrscht
wird, mich als praktische Anwendung auf die ie-Schreibung
von Zweisilbern stürzen wie beschrieben und diese
automatisieren, so dass sie von allen beherrscht wird.
Wenn das einigermaßen klappt, würde ich die
Konsonantenverdopplung einführen und automatisieren mit
Beispielwörten zu 'ie' und 'i'+Konsonantenverdopplung.
An 'meiner' Schule' werden im 2. Schuljahr
Lernwörterdiktate geschrieben. Da ist es von großem
Vorteil, wenn die ie-Schreibung und die
Konsonantenverdopplung von Zweisilbern bereits beherrscht
wird. Denn dann bräuchten die Kinder dies nicht bei jedem
Lernwort mitlernen, da sie es grundsätzlich beherrschten.
Sie können sich auf die wortspezifischen Besonderheiten
konzentrieren. Real habe ich in der 2. Hälfte einer 2.
Jahrgangsstufe erlebt, dass die Kinder bei einem
Wiederholungsdiktat zu bereits gelernten Wörtern massenhaft
'Spiegel' ohne 'ie' geschrieben haben. Das muss nicht sein!
Ich hab' leicht reden (stimmt nicht ganz: das waren auch
bei mir langwährende Prozesse):
Im Umgang mit Lehrbüchern: es ist relativ einfach, für
bestimmte Schüler unpassende Aufgaben einfach zu streichen.
Es ist schwer (aber möglich), für die Lernkinder passende
Konzepte zu erarbeiten und umzusetzen. Traurig, dass der
offizielle Schulbetrieb trotz allen Radaus ("Keiner bleibt
zurück") wenig dafür tut und mit praxisfernen Ansprüchen
(Inklusion unter den gegebenen Rahmenbedingungen) dem
entgegenarbeitet.
Jetzt erst habe ich deine Detail-Aussagen gesehen.
Bezüglich Schülern mit einem mündlich-sprachlichen
Hintergrund fern des Deutschen habe ich keinerlei
Erfahrung. Die Schüler an meiner Schule mit
Migrationshintergrund sprechen so gut oder schlecht deutsch
wie die die urdeutschen Schüler auch.
Wenn es nur um das 'tz' geht, würde ich das als Lernwörter
behandeln.
Für Lernwörter ist eine Klassifizierung nach Signalgruppen
hilfreich (so es nichts Besseres gibt). Man kann
beispielsweise zunächst die Signalgruppe 'atz' vermitteln,
d.h. Wörter, in denen 'atz' vorkommt. Danach kann man die
Signalgruppe 'etz' lernen lassen, usw.