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Forum: ""elitäre" Mitstudenten - oder haben sie doch Recht?"
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| "elitäre" Mitstudenten - oder haben sie doch Recht? | | von: saira
erstellt: 29.06.2006 18:59:47 |
hallo!
ich schreibe hier, weil ich glaube auf ein offenes Ohr mit meinem "Problem" zu stoßen und vielleicht auch wieder ein bisschen Motivation und Selbstachtung.
Nun zu meiner Geschichte: Ich besuche gerade ein Seminar, in dem es um Spracherwerb (sowohl Erst- als auch Zweitsprache) geht und unsere Dozentin gab uns heute eine Tabelle und bat uns, diese mit unseren Kommilitonen zu diskutieren; es ging um Fakten, die die Fähigkeit, eine Sprache zu erwerben, beeinflussen, und unter anderem stand da "Vorbildung des Elternhauses". Die Tabelle hatte nur einen Fehler (für mich) und zwar: laut der Tabelle gibt es für Kinder aus "ungebildeten" Familien überhauptkeine Möglichkeit, eine Sprache gut zu lernen. Nicht einmal die eigene Muttersprache. Aber das ist doch völliger Quatsch, oder? Nur leider waren da meine Mitstudenten da anderer Auffassung! Anstatt zu fragen, ob die Tabelle da unvollständig ist, haben sie diese Tatsachen als gegeben akzeptiert und haben wirklich allen Ernstes behauptet, dass nur Kinder aus "bildungsnahen" (wie ich dieses wort liebe...) Umgebungen fähig wären, einen höheren Abschluss zu erreichen. Nur:
Das Gegenbeispiel sitzt vor ihnen! Ich bin die erste aus meiner Familie, die das Abitur machte (und das sehr gut) und jetzt studiert, obwohl meine Eltern "bildungsfern" sind: sie sind einfache Angestellte, meine Mutter die letzten 10 Jahre "nur" Hausfrau, sie kann nicht einmal die einfachsten Brocken englisch. Meine Omas haben beide nie gearbeitet und meine Opas in der Fabrik. Und jetzt?
Ich weiß, es ist zum Teil auch mein verletzter Stolz (ich bin wirklich stolz drauf, quasi allein so weit gekommen zu sein, meine Eltern konnten mir ja ab der 8ten Klasse ja fast nicht mehr helfen...), der mich jetzt so sauer sein lässt. Aber ich hab das doch jetzt auch schon öfter miterlebt, dass auch Söhne und Töchter studieren, deren Eltern und "Restfamilie" keine Anwälte und Ärzte sind!
Das schlimmste war für mich, dass meine Dozentin das einfach so im Raum stehen ließ und die Diskussion als beendet ansah. Ich mein, wie kommt diese Person (die Studentin) dazu, so darüber zu urteilen?
Es steht außer Frage, dass zur Zeit Familien mit einem besseren Bildungshintergrund es leichter haben, sich zum Beispiel adäquate Hilfe für das Kind zu "kaufen" (mMn falsch, aber egal), oder dass das Kind von Anfang an an höhere Anforderungen und an eine ganz andere Qualität von Wissen gewohnt ist. Aber entscheidend ist doch die Einstellung zu Wissen, die einem die Eltern vermitteln! Und das können sie auch ohne Abi Oder bin ich da zu idealistisch?
Ich persönlich habe von meinen Eltern immer vermittelt bekommen, dass es toll ist, etwas zu wissen oder richtig gut zu können. Meine Motivation war also sehr hoch.
Ich möchte hiermit auf keinen Fall eine Grundsatzdiskussion lostreten über die Schwächen unseres Bildungssystems! Denn ich glaube an die angeborene Fähigkeit und Begabung der Kinder, Wissen aufzusaugen wie ein Schwamm, wenn sie nur motiviert werden! Und auch Eltern ohne Abitur können motivieren!
Ich bitte um Meinungen, Anregungen, Wegweiser und sonstiges, das mir erklären kann, wie dieses "elitäre Pack" dazu kommt (man beachte die Ironie!) *kaffee und kuchen hinstell*
LG Saira |
| bekenne mich hiermit | | von: eiszauberin
erstellt: 29.06.2006 19:13:04 |
auch ich entstamme demnach aus einer bildunsgfernen familie: mama krankenschwester, vater grade so die hauptschule, keine abgeschlossene lehre
auch ich habe ohne wiederholung abi gemacht, studiert, den abschluss gemacht und jetzt sogar einen referendarsplatz
ohne eigene nachhilfe, ohne sitzenbleiben, ohne eltern, die mir ausser einem gewissen grad an höflichkeit und gutem anständigen umgangston nicht sehr viel mit wissen weiterhelfen konnten.
aber sie gaben mir ebenfalls mit auf den weg, dass lernen und lesen immer gut und richtig und wichtig sind!
und ich bin ihnen dankbar für die gute kinderstube und das liebevolle aufwachsen lassen!
also: du bist nicht allein!
aber manche können das nicht verstehen.
für einige aus den bildungsfernen familien mag das zutreffen, für einige aus den bildungsnahen familien ebenso: aus unterschiedlichen gründen kommt man nicht ganz so hoch hinaus wie man möchte.
dennoch:
behalte den mut, weiterhin deine meinung zu vertreten.
lg,
eiszauberin |
| Recht haste, saira! | | von: oblong
erstellt: 29.06.2006 19:15:26 |
Aufgrund meiner eigenen Biographie kann ich deine Vermutung stützen:
Ich persönlich habe von meinen Eltern immer vermittelt bekommen, dass es toll ist, etwas zu wissen oder richtig gut zu können. Meine Motivation war also sehr hoch.
Das halte ich für sehr wichtig!
In der Familie meiner Mutter bin ich der Erste, der Abitur gemacht hat (bis ins 16.Jh. zurück verfolgbar); in der Familie meines Vaters bin ich der zweite nach meinem Großvater, mein Vater hatte ohne Vorbildung (kriegsbedingt es bis zum Heizmeister geschafft.
Meine Eltern waren stolz darauf, dass ihr Sohn ohne ihre Hilfe das Gymnasium geschafft hat und seine Examina. Bei vielen Schülern heute fehlt ein solcher "Hunger", weil sie nicht genügend bemerkt haben, woher das Geld für ihre Ausbildung kommt und was es an Freiheitsgewinn bedeutet, sich bilden zu wollen; manchmal habe ich auch den Verdacht, die Eltern stehen ihnen bei diesen Einsichten eher im Weg.
Du schwimmst eben nicht so sehr mit dem Zeitgeist, dann fällt dir eben stärker auf, wie wenig deine lieben Mitstudenten sich über ihre Bildungsbedingungen Gedanken machen.
Liebe Grüße,
oblong |
| Du hast Recht, | | von: doris1
erstellt: 29.06.2006 19:26:15 |
dieses elitäre Gehabe und die Suche nach dem Schuldigen (symptomatisch für unsere Gesellschaft!) geht mir auch tierisch auf die Nerven. Mir ging es ähnlich wie dir, auch ich bin die erste, die in meiner Familie Abitur machte und studierte. Hilfe bekam ich auch nicht, aber "ich" wollte diesen Weg gehen und deshalb klappte es auch. Vielfach übersieht man diesen wichtigen Ansatz heute und viele Kinder und Jugendliche sollen das verwirklichen, was ihre Erzeuger nicht erreicht haben. Heute ist zwar der Anspruch gestiegen, was Ausbildung bzw. Vorbildung angeht, aber so einfach wie es sich manche Menschen machen ist es nun mal nicht. Auch ein Jungendlicher, der vielfältig interessiert , ein Selbstwertgefühl besitzt und sich selber nicht negativ beeinflussen lässt ( von wem auch immer!) kann das erreichen, was er will. Die Entschuldigung "Elternhaus" ist mir zu einfach, denn nicht nur da Milieu allein zählt, sondern die Persönlichkeit, der Wille , Fleiß und Durchsetzungsvermögen sind entscheidend! Unsere Schulen bieten auch Spätzündern heute viele Wege, um das zu erreichen, wozu man in der Pubertät noch nicht bereit ist.
Ignoriere das Imponiergehabe deiner Mitstudenten, besonders wenn sie in der Mehrheit sind! Du weißt es besser - handele danach! |
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