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Forum: "dumm, faul, unfähig"
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| dumm, faul, unfähig | | von: rolf_robischon
erstellt: 27.10.2008 17:00:15 |
Diesen Text hab ich eben gefunden:
"Dumm, faul, unfähig"
VON ANDREAS MÜLLER
Wenn man seine Schwächen genauso akzeptiert wie seine Stärken, müssen
einem eigene Fehler nicht wirklich peinlich sein. Die peinlichsten
Momente waren in meinem drei Jahrzehnte währenden Berufsleben als Lehrer
also weniger Situationen, in denen ich selbst Fehler gemacht habe oder
in denen mir irgendeine Dämlichkeit passiert ist.
Vielmehr war und ist es mir persönlich, aber auch als Mitglied des
pädagogischen Berufsstandes immer wieder extrem peinlich, beobachten zu
müssen, wie in Konferenzen (die frustrierendsten, wenn nicht
sinnlosesten Stunden meines Lebens) und vor allem in Gesprächen im
Lehrerzimmer über Schüler hergezogen wird: So viel menschenverachtender
Zynismus wird da von viel zu vielen (nicht von der Mehrheit!) viel zu
oft verspritzt. So viel sadistische Freude am, oft auch noch
ungerechten, Verteilen schlechter Noten - ohne jede Selbstkritik.
Bestimmt 75 Prozent aller Versetzungsprobleme sind durch schlechte Noten
im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich verursacht - nicht ein
einziges Mal habe ich es erlebt, dass jemand aus diesem Fachbereich
Zweifel an den eigenen Methoden auch nur in Erwägung gezogen hätte:
Ausschließlich immer waren die "dummen, faulen, unfähigen" Schüler
selbst schuld.
Der Schüler ist der Feind
Offen demonstrieren die Kollegen da die Einstellung, die Schüler seien
der Feind, den es zu unterdrücken gilt: Jedem, der seinen pädagogischen
Beruf als Berufung, als Dienstleistung für Schüler ernst nimmt, muss so
etwas nicht nur peinlich sein.
Mir ist vor allem richtig peinlich, dass ich mit den Jahren immer
seltener etwas dagegen gesagt oder gar unternommen, dass ich stattdessen
immer mehr resigniert habe. Selbst wenn dies auch ein Ergebnis der
Erfahrungen aus 15 Jahren Tätigkeit als Verbindungslehrer und aus fast
20 Jahren in der Drogenberatung ist, muss ich es mir vorwerfen, nicht
konsequenter geblieben zu sein.
Als ich an der Max-Planck-Schule in Groß-Umstadt angefangen habe, gab es
im Kollegium eine Gruppe, die politisch zumindest als "rechtsaußen"
bezeichnet werden musste. In meiner ersten Stunde fand ich ein Tafelbild
meines Vorgängers vor, auf dem der Nationalsozialismus als
"ideologiefrei" verherrlicht wurde. Seitdem hat sich viel geändert, und
dazu haben auch die jungen Kollegen beigetragen, die nach und nach
dazukamen. Seit etlichen Jahren ist es aber leider so, dass viele der
neuen, jungen Kollegen nicht nur in politischer Hinsicht konservativer
sind als diejenigen, die in Pension gehen.
Ich empfinde es als peinlich, wenn ich beobachten muss, wie schnell
manche Kollegen vergessen, wie es für sie auf der anderen Seite des
Klassenzimmers war, wie sie sich als Schüler manchen Lehrern gegenüber
gefühlt haben - das trifft leider immer öfter gerade auf junge Kollegen
zu. Wenn sie nicht so vergesslich wären, könnten sie sich gegenüber
Schülern nicht so schnell so ablehnend, ja feindlich äußern und verhalten.
Sie würden wissen, dass ein Lehrer mit (natürlicher und fachlicher)
Autorität nie autoritär sein muss. Sie würden darauf achten, Schülern zu
helfen, sie beim Lernen und beim Sammeln und Auswerten von Erfahrungen
zu unterstützen. Man muss keine Hausaufgaben aufgeben, nur, weil man
eben Hausaufgaben gibt. Es ist ja nicht verkehrt, wenn Schüler ihren
Hobbys nachgehen, sich mit Freunden treffen, Zeit dafür haben, eigene
Erfahrungen zu machen, eine selbstständige Persönlichkeit entwickeln -
am Ende gar eine mit einem eigenständigen, kritischen Verstand.
Wie sich Menschen im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung
ohne eine starke eigene Persönlichkeit als selbstbestimmte Individuen
behaupten sollen ist mir schleierhaft. Wie sollen Menschen, die vor
allem Buckeln, Kleinmachen, Einschmeicheln und Hinabsehen auf
Unterlegene gelernt haben, diese Gesellschaft mitmenschlich und
demokratisch in Gang halten?
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| ... | | von: miro07
erstellt: 27.10.2008 17:50:38 geändert: 27.10.2008 17:52:08 |
hier ergänzend:
Zur Person
Andreas Müller war 25 Jahre lang Lehrer für Deutsch und Politik in Groß-Umstadt in Hessen. Jetzt ging er in Pension und beantwortete aus diesem Anlass einen Fragebogen von Schülern. Hier seine gekürzte Antwort zur Frage, was ihm als Lehrer peinlich war.
der link: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1619542_Dumm-faul-unfaehig.html
der text stimmt sehr nachdenklich (siehe forum zum nachdenken!), man sollte u.a. also seine eigene zeit als schüler nicht vergessen und immer wieder die befindlichkeit der schüler beachten und es stellt sich mir auch die frage -andreas müller hat es wohl in seinen drei jahrzehnten als lehrer nicht vermocht-, wie man gegen solche tendenzen der lehrersicht vorgehen kann. schon die zwischenüberschrift DER SCHÜLER IST DER FEIND ist der schüler lässt mich !!
danke
miro07 |
| Des Bedenkens wert ... | | von: oblong
erstellt: 27.10.2008 19:41:20 |
... ist nach meiner Ansicht der letzte Absatz:
Wie sich Menschen im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung
ohne eine starke eigene Persönlichkeit als selbstbestimmte Individuen
behaupten sollen ist mir schleierhaft. Wie sollen Menschen, die vor
allem Buckeln, Kleinmachen, Einschmeicheln und Hinabsehen auf
Unterlegene gelernt haben, diese Gesellschaft mitmenschlich und
demokratisch in Gang halten?
Ein guter Gedanke, rolf, diese Notiz in den Diskussionsring zu stellen.
Ich habe dir in vielen Dingen widersprochen, aber dieser Frage sollten wir uns doch immer wieder stellen.
Anders als an der Schulart, an der du unterrichtet hast, sind am Gymnasium beharrende Elemente bei den Lehrern stärker; das heißt aber noch lange nicht, dass selbstkritische Reflexion nicht gefragt sei!
Meine Sorge gilt speziell der Lehrerausbildung in meinem Bundesland RLP, wo durch Sparmaßnahmen und durch die Bertelsmannisierung (angeblich Bologna-Prozess) die neuen Schmalspurlehrer wohl noch stärker zum Treibmaterial der Behörden werden...
Zur Erziehung eines selbstbewussten Schülers/einer selbstbewussten Schülerin gehört eine gut ausgebildete, kompetente Lehrkraft. Die bisherige Ausbildung hat ihre Schwächen, da hat Herr Müller Recht; ob es aber jetzt besser wird, da habe ich meine Zweifel.
Liebe Grüße,
oblong |
| Beim Lesen | | von: janne60
erstellt: 27.10.2008 21:41:17 |
fiel mir sofort ein Kollege ein, der genau diese Wörter "dumm, faul, unfähig" auf seine 2.Klässler vereint und dessen Hetztiraden im Lehrerzimmer zuweilen an Arroganz nicht zu überbieten sind. Auf meine Bemerkung hin, ob er denn vielleicht seine methodische Aufbereitung überdenken solle, damit seine Schüler auch mal was verstehen (denn meine Parallelklasse ist z.B. weder dumm noch faul noch unfähig) bekam ich nur ein süffisantes Grinsen.
Ich kann die Art kaum ertragen, wie er mit seinen Schülern umgeht: von oben herab mit einer aufgesetzten Autorität und einem schulmeisterlichen Gebaren, dass es eigentlich zum Totlachen wäre, wäre es für die Kinder nicht so traurig.
Und solche Leute werden vom System immer mitgetragen. Wenn jemand Tipps hat, wie eine solche Situation zu ändern ist, immer her damit. Ich scheue mich nicht vor Veränderung, ich hab nur einfach keine Idee |
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