|
Forum: "Unterrichtsstörungen - wie reagiert ihr?"
Bitte beachte die Netiquette! Doppeleinträge werden von der Redaktion gelöscht.
|
| Unterrichtsstörungen - wie reagiert ihr? | | von: bobblume
erstellt: 19.07.2004 18:01:34 |
Zum Schuljahresende habe ich nach meinem ersten Durchlauf an der neuen Schule gleich in mehreren Klassen "Schülerfeedback" eingeholt, sprich Fragebögen ausgeteilt, auf denen die SCh. zum Teil mit Hilfe von Kreuzchen die Gestaltung meines Unterrichts bewerten, zum Teil aber auch freie Äußerungen tätigen konnten bzw. sollten. Nach der ersten Durchsicht (ca. 40 Bögen) konnte ich [meineszeichen kein laissez-faire-Sek-II-Lehrer, aber doch nicht der strengste] sehr häufig die Kritik lesen, dass ich viel strenger sein müsste, Unruhe viel mehr unterbinden und auch mal laut werden sollte (was ich auch mache, aber offensichtlich zu wenig). Das wäre auch mein eigenes Fazit nach diesem ersten Halbjahr bei voller Stundenzahl gewesen: mehr Disziplin, mehr professionelle Distanz und klarere Regeldurchsetzung (etc.) - aber dass das Schülerurteil so deutlich in diese Richtung ginge, hat mich überrascht. Das, was ich eh schon wusste, was einen aber doch manchmal verwundert, ist: Die Schüler wollen Strenge, wollen tatsächlich sehen, wie Leute rausgeschmissen oder "angeschnauzt" werden!
Deswegen hier meine Frage:
--> Wie geht ihr ganz praktisch mit Unterrichtsstörungen um?
--> wie schmeißt ihr Leute raus (falls ihr das tut)? (wohin? Aufsicht?)
Abschließend sei angemerkt, dass es sich bei den Klassen, die diese Dinge bemängelt haben, um sehr "niedrige" Bildungsgänge handelt, in höheren Klassen ist die Disziplin nicht nur besser, die Schüler kommen auch besser mit "menschlicheren" Umgangsformen klar.
Nochmal abschließend: Schülerfeedback ist echt ne tolle, erhellende Sache, werde ich noch häufiger machen!
|
| die schüler sind | | von: jamjam
erstellt: 19.07.2004 20:22:32 geändert: 19.07.2004 20:26:35 |
meiner meinung nach nur viel "disziplin" gewöhnt.
die form des lernens mit eigenverantwortung, die ja vorallem im sekII-bereich anzustreben ist, überfordert sie oft. die bitte nach mehr strenge und disziplin ist daher auch ein zeichen von hilflosigkeit, sich selber zu regulieren (in der gruppe und alleine).
eine höhere strenge ist daher meiner meinung nach nur sinnvoll, wenn die schüler die kontrolle über disziplin mit bzw. selbst übernehmen.
dieses kann aber oft nur schrittweise eingeführt werden, damit die lerngruppe nicht überfordert ist.
ich habe in meiner klasse mal das fussballsystem eingeführt. jeder schüler war reihum schiedsrichter und hat gelbe und rote karten bei störungen verteilt. für die roten karten haben die schüler vorher eine strafe verabredet. in unserem fall war es eine zusätzliche hausaufgabe, deren thema von mir gestellt werden sollte.
es gibt aber auch noch andere möglichkeiten mit unterschiedlichen aufgabenverteilungen zu arbeiten (karte für störung, zurück zum thema, pause, moderator etc).
ich denke meine aufgabe als lehrer in einer klasse von >16 Jährigen ist es nicht jede stunde für disziplin zu sorgen, meine aufgabe ist es die schüler anzuleiten, damit sie sich selber ein gutes lernklima schaffen können.
ps: die schüler haben dann auch entschieden, das der störenfried eine mündliche 6 eingetragen bekommt, sollte er die hausaufgabe nicht machen.
vor die tür gesetzt habe ich erst einmal jemanden, mit der auflage, dass er direkt vor der tür bleiben soll. den habe ich aber nach fünf minuten wieder rein geholt. ich finde das ist eine kritische massnahme, weil du ihm damit ja die möglichkeit nimmst, am unterricht teil zunehmen. ich werde es wohl nicht wieder machen.
|
| ich kann zwar nicht helfen, | | von: physikass
erstellt: 19.07.2004 21:27:02 |
aber da fällt mir ein Zitat ein, was ein Referendar neulich in einem Interview für die Schülerzeitung zu mir sagte, was hierzu passt (auch wenns nicht weiterhilft).
"Wir stecken in einer Vielzahl von Zwängen und da ist dann das, was von den Schülern kommt auch etwas, was uns einzwängt, wo wir dann auch nicht weiter aus unserer Haut können. Interessant ist, [...]was ich feststelle, das ist: Schüler möchten, dass ich für Ruhe sorge. Die Schüler wollen, dass ich irgendeine Macht besitze, die ich nicht habe, um bei ihnen für Ruhe zu sorgen, wo sie diejenigen sind, die dafür sorgen, dass gar keine Ruhe da ist. Das ist auch wieder so eine schizophrene Situation und damit dann zurecht zu kommen, das ist so was von absurd."
Vielleicht hilf es den Schülern das mal klar zu machen? Bei manchen wirkt es. Wwas ich als positiv beobachtet habe: Wir hatten mal eine Bio-Lehrerin, die immer, wenn es laut war, Buchstaben an die Tafel schrieb. Erst T, dann E, dann S, dann T. Also T-E-S-T. Wenn das Wort vollkommen an der Tafel stand, gab es einen Test. Genauso kann man aber auch bei jeder Störung eine Extrahausaufgabe aufgeben. Du glaubst gar nicht wie viel Respekt wir auf einmal vor der Lehrerin hatten . Wir kommen Heute noch super mit ihr klar. Die meisten müssen erst erkennen, dass man am Unterricht Spaß haben kann, und dafür müssen die erstmal ruhig sein ...
physikass |
| Sanktionen | | von: doris1
erstellt: 19.07.2004 21:42:30 |
Interessant, deine Sanktionen zu lesen - hierzu nur soviel: laut Schulordnung ist eine Notengebung (Note 6) auf eine Störung nicht zulässig, ebenso ist dies nicht erlaubt für eine Hausaufgabe allgemein, auch nicht für eine nicht gemachte Hausaufgabe. Diese Handhabung ist rechtlich anfechtbar, wenn du an Eltern geraten solltest, die sich auskennen.
Auf verbale bzw. nonverbale Störungen gibt es eine Reihe Ordnungsmaßnahmen, die ich je nach Fall einsetze. Hier einiges davon: z.B. eine pädagogische Nacharbeit am Nachmittag (schriftliche Analyse des Vorfalls mit Unterschrift des Betroffenen plus der Unterschrift der Eltern), Übernahme von zusätzlichen Diensten ( Hausmeister helfen, Putzfrauen etc., falls dies zum Vergehen passt) Erarbeitung eines Teilstoffgebietes und Präsentation (natürlich ohne Note!)wenn der Schüler nicht aufpasst bzw. Unterricht versäumt.
Auch ist es nicht zulässig, einen Schüler einfach aus dem Unterricht zu entfernen ( Aufsichtsplicht!) Ich lasse dann aber im Extremfall den Schüler sofort zum Schulleiter bringen, was ein gefürchtetes Mittel für unsere Schüler darstellt. Natürlich ist es besser, ohne diese Maßnahmen auszukommen, aber manchmal geht es nicht anders, denn jeder, ob Schüler oder Lehrer haben Anspruch auf einen störungsfreien Unterricht! Letztes Mittel ist der Ausschluss des Schülers vom Unterricht ( nur in seltenen Fällen anzuwenden!) für bis zu einer Woche, mit der Verpflichtung, den Unterrichtsstoff nachzuarbeiten.
|
| Werte und Regeln | | von: silberfleck
erstellt: 19.07.2004 21:58:37 |
Wir kennen wohl alle aus dem Schulalltag Regelverletzungen. Ich empfinde dies im Hauptschulbereich massiver als im Realschulbereich und stelle mit Schrecken fest, dass die nachkommenden Klassen teils schlimmer sind, als die älteren.
Schule muss also Regeln / Werte vermitteln.
Ich versuche dies so: ich stelle möglichst klare Regeln auf; (möglichst) jeder Regelbruch führt zu einer Konsequenz/logischer Folge. Z. B. Schüler stört den Unterricht durch herumalbern. Beim 1. Mal Ermahnung, beim 2. Mal wird angedroht, dass die Klasse zu verlassen sei, 3. Mal Schüler muss in den Nebenraum und erhält schriftliche Arbeitsanweisung.
(Lesetipp dazu-hat mir sehr geholfen: Grüner und Hilt: Bei STOPP ist Schluss, AOL-Verlag)
Wer so stört, dass er/ sie den stoff nicht mitbekommt, bekommt eine entsprechende Sonderarbeit( "Strafarbeit") oder muss unter Aufsicht nacharbeiten ("Nachsitzen"). In einer Klasse haben wir einen Schüler, der sich als erziehungsresistenz erweist, obwohl alle Lehrer der Klasse es versuchen. er wurde z. B. vom Klassenausflug ausgeschlossen.
Manchmal setze ich auch Tests ein, aber ich fühle mich dann sehr hilflos, denn ich möchte meinen Schülern Freude am Lernen vermitteln, und meine Macht, nicht missbrauchen.
silberfleck |
| @bobblume | | von: kfmaas
erstellt: 20.07.2004 05:13:44 |
Satir schreibt (Virginia Satir: Kommunikation, Selbstwert, Kongruenz, Junfermann Paderborn 61999 S. 182)
"Geschlossene Familiensysteme entwickeln sich aus bestimmten Überzeugungen:
- Menschen sind von Natur aus böse und sie müssen ständig kontrolliert werden, damit das Böse nicht Überhand nimmt und das Gute sich behaupten kann.
- Beziehungen müssen durch Zwang oder durch Angst vor Strafe gelenkt werden.
- Es gibt nur einen richtigen Weg, und derjenige, der die größte Macht hat, ist auch auf dem richtigen Weg.
- Es gibt immer jemanden, der weiß, was am besten für Sie ist.
In einem geschlossenen System
- ist der Selbstwert Macht und Pflichterfüllung untergeordnet,
- haben Handlungen den Launen des Chefs Rechnung zu tragen,
- wird jeglichen Veränderungen erbitterter Widerstand geleistet.
In offenen Systemen
- steht der Selbstwert an erster Stelle, das heißt, er ist Macht und Pflichterfüllung untergeordnet;
- spiegeln die HandlungSatir schreibten der Beteiligten ihre Überzeugungen;
- wird Veränderung willkommen geheißen und als normal und wünschenswert angesehen;
- stehen Kommunikation, System und Regeln alle miteinander in Beziehung."
Es ist so, dass jeder Mensch, das, was er kennt, behalten will, egal ob es schlecht ist oder gut; denn das Neue bereitet Angst und zwingt zur Veränderung. Deshalb versuchen Schüler auch das bekannte Familiensystem auf die Schule zu übertragen. Deshalb ist es wichtig, dieses Feedback in der richtigen Relation zu sehen.
Es kommt auf den Lehrer an, inwieweit es ihm gelingt das System Klasse zu öffnen. Geschlossene Systeme bieten auch ein hohes Maß an Geborgenheit und eine geringe Möglichkeit zur individuellen Eigeninitiative. (Deshalb werden auch häfig paramilitärische Gruppen Zulauf haben )
Unterrichtsstörungen müssen neu definiert werden. Neben der von rolf zitierten Cohn (TZI) bieten
Molnar/Lindquist: Verhaltensprobleme in der Schule - Lösungsstrategien für die Praxis z.B. Umdeutungen - positive Motivation suchen - Problemverhalten ermuntern, aber anders - Sich auf das konzentrieren, was kein Problem ist - wie man mit Rückfällen umgeht etc.
LG kfmaas
|
| erschrocken | | von: jamjam
erstellt: 22.07.2004 21:10:27 |
bin ich über einige der hier erwähnten sanktionen.
vielleicht habe ich es bisher nur mit "netten" klassen zu tun bekommen. in meiner jetzigen situation kann ich es mir nicht vorstellen wegen einer unterrichtsstörung den schulleiter einzuschalten, es sein denn es handelt sich um eine strafbarehandlung, wie beschädigung von schuleigentum, dealen etc..
bisher haben meine klassen (auch ex-hauptschüler) es immer selber geschafft ein halbwegs annehmbares lernklima zuschaffen, natürlich ist zeitweise der lärmpegel höher als bei einem lehrerzentrierten unterricht, aber auch dass hat sich bei der klasse, die ich länger als ein jahr unterrichtet hatte, langsam gegeben.
meine erfahrung ist, wenn die schüler wissen, was für das halbjahr ungefähr geplant ist und wozu, dann arbeiten sie mit einigen ausnahmen auch mit. diese weiterhin unmotivierten schüler werden aber meistens durch die klasse zur ruhe gebracht.
ich musste bisher die größte aller drohungen in der berufsschule - die meldung an den ausbildungsbetrieb- nicht aussprechen.
natürlich habe ich noch lange nicht die berufserfahrung wie viele von euch, aber es erschreckt mich doch, das hier harte sanktionen, als eher normal geschildert werden, und nicht als ausnahme.
|
Beitrag (nur Mitglieder) |
|
|