ich will mal euren fragebogen beantworten, auch wenn ich die fragen zum teil etwas vage finde.
Ich unterrichte seit ca. 20 jahren E und F an einem gymnasium. Meine antwort stell ich euch unter F rein, denn da wird von den kollegen sicher weniger kommen als in E.
Sprechhemmung
[i]1) Wie groß ist der Anteil der ruhigen bis sehr ruhigen Schüler in Ihrer Klasse/Ihren Klassen?
Ca. 20 25%
Aber es handelt sich nicht unbedingt um spreh-gehemmte, sondern ist oft eine typfrage.
2) Wie versuchen Sie auf diese SchülerInnen einzugehen?
Das ist je nach klassenstärke sehr schwierig. In kleinen gruppen krieg ich sie dauernd ans reden, auch wenn sie vom typ her still sind, -in großen gruppen gehen sie leicht unter. Da muss ich mir schon richtig was einfallen lassen, um von jedem ab und zu mal was zu hören. Da tauchen manche ja förmlich mit der tarnkappe ab.
Im letzten schuljahr hatte ich 2 sehr große lerngruppen (29 leute in einer Jahrgangsstufe 11, 32 in einer klasse 7). Das ist in der fremdsprache zum verzweifeln.
Da hab ich mir die sitzpläne in eine plastikhülle gesteckt und fünf bunte punkte auf diejenigen leute geklebt, die ich mir in einer stunde mal ganz besonders vornehmen wollte. Nach der stunde habe ich die punkte dann umgeklebt auf die nächsten fünf für die nächste stunde.
Ich gebe allerdings zu, dass ich das nicht nur mache, um sie mündlich zu fördern, sondern mindestens genauso, damit ich einen mündlich eindruck von ihnen bekomme, der sich auch notenmäßig auswerten lässt.
3) Wie wird innerhalb der Klasse mit unterschiedlicher mündlicher Kompetenz umgegangen?
Nicht anders als mit leistungsunterschieden in anderen bereichen oder fächern auch.
Lediglich lustige aussprachen verleiten manchmal (sogar mich, unfreiwillig) zum lachen.
Ich hatte vor langer Zeit, als man im englischen noch satchel für schulranzen lernte, in klasse 5 einen schwäbischen schüler, der das wort nicht aussprechen konnte und stattdessen immer Schätzle sagte. Das war wochenlang eine quelle von heiterkeit aber nicht gemein, sondern fröhlich.
Mündliche Kompetenz/ Bewertung mündlicher Kompetenz
1) Welchen Stellenwert hat die mündliche Beteiligung in Ihrem Unterricht?
Da ich zwei fremdsprachen habe, einen enorm hohen. Ich weiß nicht, ob mit stellenwert jetzt die bewertung in der note gemeint ist. Meine zeugnisnoten in den klassen 5 bis 13 setzen sich immer und grundsätzlich zu 50% aus der sonstigen mitarbeit, also mündliches und vokabel-abfragen zusammen.
Ich mache wenige schriftliche phasen in meinem unterricht 80% läuft mündlich ab. Im grunde ist das zu wenig methodenwechsel. Und anstrengend!!
2[u]) Wie wird das Mündliche im Unterricht umgesetzt/gefördert (z.B. in Lehrbüchern, durch Rollenspiele, Fragen, Dialoge)?
Mit all den üblichen mitteln und methoden: rollenspiel, improvisierte oder vorbereitete streitgespräche, (z.b. hot chair), schüler dürfen auch nach vorne kommen und vorbereitete sketche oder witze erzählen.
Darüber hinaus versprachliche ich jede sich spontan ergebende situation in der fremdsprache (baulärm vom hof, gewitter, geprobter feueralarm, schmutzige tafel, hitze, krach im flur, streit unter mitschülern, dreck im klassenzimmer... ) in der fremdsprache und regele solche dinge, falls handlungsbedarf besteht, in der fremdsprache. So wird authentische kommunikation in authentischen situationen hergestellt. Das erscheint mir viel sinnvoller und lebensnaher als vieles aus den lehrbüchern.
Ich überrumpele außerdem meine schüler immer wieder mit irgendwelchen dingen und ideen, die sie zwingen, sich in der fremdsprache zu äußern. Hol mir zwei leute nach vorne, die sich zoffen sollen, oder halte jemandem ein etui als improvisiertes mikrophon unter die nase und lass ihn stellung nehmen zu irgendwas, was mir grade einfällt. Stell mich hinter die tür und sag, ich bin die ehefrau, und du bist der mann und kommst angetrunken drei stunden zu spät nach hause, und jetzt spielen wir das mal...
Außerdem brabbele ich bewusst auch in der fremdsprache vor mich hin wenn ich irgendwas mache (ich schimpfe in der fremdsprache, wenn mir die kreide abbricht oder was runterfällt, wenn ich friere, weil die heizung kaputt ist, freue mich in der fremdsprache, wenn ich irgendwo was nettes auf einem schülertisch liegen sehe ...) , auch wenn das gar nicht verstanden wird, weil die schüler die vokabeln noch nicht kennen oder ich zu schnell spreche. Weil es einfach authentischer ist als drei zeilen text aus dem buch zu lesen und dann genau die frage zu stellen, mit der jeder, der länger als vier wochen schüler ist, auch rechnet. Und weil die schüler so merken: die fremdsprache taugt wirklich zur kommunikation.
3) Wie reagieren Sie auf unaufgeforderte Beiträge?
Wenn sie halbwegs zum thema passen: relativ erfreut
Wenn sie nicht zum thema passen: je nachdem
Grundsätzlich ist es immer schön, wenn jemand in der fremdsprache mit mir und den anderen redet!
4) Wie gehen Sie auf die Interessen der Schüler ein (z.B. Themenwahl, Unterrichts- oder Gesprächsform)
Ich bin froh, wenn sie überhaupt interessen äußern manchmal muss man sie schon in eine obstpresse legen und quetschen, damit sie mal ein halbes oder dreiviertel interesse kundtun.
Da die motivation mit dem schülerinteresse steht und fällt, versuche ich IMMER, die geäußerten wünsche irgendwie zu berücksichtigen. Grenzen sind da, wo sie nicht mit dem kompetenzniveau der schüler oder mit den zwingenden vorgaben der lehrpläne zu vereinbaren sind. Aber da nehme ich mir große freiheiten. Eine weitere grenze ist da, wo ich selber einen widerwillen gegen etwas habe meine eigene motivation sollte auch nicht flöten gehen. Aber das ist ein extrem seltener fall.
Es hat sich bewährt, einige alternativen vorzugeben und dann entscheiden zu lassen (bei themen, bei lektüren etc.), das kürzt den entscheidungsprozess wesentlich ab.
5) Welche Rolle spielen sprachliche/
grammatikalische Fehler; welche Rolle spielt der Redefluss?
Sich fließend in der fremdsprache äußern zu können ist oberstes ziel. Ich verzweifle, wenn ich klassen übernehme, die immer nur in höchstens einem satz auf eine frage antworten können, und dann noch möglichst ein satz, der ein zitat aus der lektion ist. Das ist dann ein hartes stück arbeit, solche klassen zu längeren, komplexen äußerungen und zum aufbau von gedankengängen zu bringen.
Aber ab einem bestimmten niveau sollten die äußerungen natürlich schon auch halbwegs grammatisch korrekt sein.
Das mit den fehlern ist so eine sache. Wenn ich grammatisch arbeite, wird eigentlich jeder fehler (des betreffenden phänomens) korrigiert und die sprachliche korrektheit fließt maßgeblich in meine bewertung mit ein.
Wenn stark inhaltlich gearbeitet wird, beispielsweise in der oberstufe oder auch in der mittelstufe bei lektüren, sind mir gute inhaltliche äußerungen zum thema auch sehr wichtig. Da greife ich auch nicht immer korrigierend ein. Wenn ein schüler mal über etliche sätze einen gedanken äußert, notier ich mir evtl. wichtige oder typische fehler und greif sie hinterher auf (der kriegt ja sonst die pimpinellen, wenn ich dauernd eine verbform korrigiere, während er sich einen abbricht über ein thema, das komplex ist und ihm am herzen liegt - und sagt dann gleich gar nix mehr) oder ich murmel parallel zu seinen äußerungen die korrekte form vor mich hin in der hoffnung, dass sie irgendwo parallel in den köpfen hängen bleibt.
Verbesserungen
1) Denken Sie, dass das Mündliche in Ihrem Unterricht/allgemein angemessen umgesetzt bzw. ausreichend vorhanden ist?
In klassen mit angmessener größe würde ich sagen: überwiegend ja. Aber in klassen mit bis zu oder über 30 leuten - nein. Hier ist es sehr schwierig nachzuhalten, dass jeder mal mündlich gefordert ist. Da setzt man eher auch mal eine schriftliche phase ein, um etwas ruhe in den laden zu kriegen, vor allem bei jüngeren schülern. Wenn man sie dann zu zweit oder zu dritt was diskutieren lässt, kann man nicht einmal angemessen sicherstellen, dass sie nicht ins deutsche abgleiten, man hat ja auch nur 2 ohren.
2) Haben Sie Vorschläge wie die mündliche Kompetenz im Fremdsprachenunterricht besser gefördert oder umgesetzt werden kann?
Diese frage ist mir zu allgemein da kann ich viele seiten aus jeder beliebigen fachdidaktik abschreiben. Wenn ich ein zaubermittel hätte, stünde das nicht hier, sondern unter den obigen fragen als praktizierte methode!
Ein zaubertrick, den ich nicht beherrsche wäre, die klassenstärke zu halbieren.
Ich kann nur sagen: jeden gedanken, jeden inhalt, jede störung, jedes anliegen in der fremdsprache ausschlachten und von anfang an die muttersprache außen vor lassen. Möglichst viel aus dem realen leben erzählen lassen in der fremdsprache: wie wars am wochenenende, wann ist die mathearbeit und habt ihr das thema kapiert, schaut ihr am Samstag fußball und welche mannschaft gewinnt wohl, was haltet ihr von dieser neuen mode, habt ihr vor, euch diesen film anzusehen, was sagen eure eltern dazu ...- was mit dem leben der kinder und jugendlichen zu tun hat, fördert den redefluss und die redelust ungleich mehr als alles, was einem oft künstlich-gestelzten lehrbuchtext an sprechanlässen abgepresst werden kann .
Does that make sense?
Cela rime à quelque chose?