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Forum: "Sehr undiszipliniert arbeitendes Kind"
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| Sehr undiszipliniert arbeitendes Kind | | von: halb27
erstellt: 12.10.2013 23:11:54 |
Ich betätige mich ehrenamtlich in der unterrichtsnahen individuellen Förderung von Grundschulkindern, vor allem in den Klassen 1 und 2. Es macht mir sehr viel Freude zu erleben, wie gerne auch die schwächeren Schüler lernen. Deshalb gibt es auch kaum Verhaltensprobleme bei den Kindern.
Ein Mädchen aber lernt zwar auch durchaus gerne, arbeitet aber extrem hastig und verhält sich sehr undiszipliniert. Angemerkt sei, dass sie verständlicherweise darunter leidet, dass ihre Eltern sich getrennt haben. (Sie ist sich aber nach meiner Einschätzung auch sehr des Effekts bewusst, den diese Tatsache auf wohlwollende Erwachsene ausübt). Ich halte sie für ziemlich clever, aber ihre eingangs erwähnten Eigenheiten halten sie vom effektiven Lernen ab. Es hat eigentlich gar keinen Sinn, ihre fachlichen Defizite direkt aufzuarbeiten, vielmehr müsste ich ihr beibringen, wie man ruhig, konzentriert und zielstrebig lernt.
Mit welchen Methoden/Materialien kann ich das ruhig-konzentrierte zielstrebige Lernen einüben?
Bin für jede Hilfe sehr dankbar.
halb27 |
| @halb27 | | von: janne60
erstellt: 13.10.2013 12:31:11 geändert: 13.10.2013 12:32:29 |
So, wie du das Verhalten schilderst, klingt es eher nach einem "Schrei nach Liebe" bzw. Aufmerksamkeit denn nach Konzentrationsschwäche.
Zunächst muss dem Kind klar werden, dass auch bei dir Regeln für das Zusammenarbeiten gelten. Sind diese geklärt? Wenn nicht, würde ich das mit allen einmal erarbeiten. Die Regeln ergeben sich aus dem, wie und wo du mit deiner Gruppe arbeitest, wie groß die Lerngruppe ist, was Kinder tun dürfen, die fertig sind usw. Du wirst am besten wissen, was hier zu beachten ist. Ich gehe hierbei davon aus, dass du die Kinder in Kleingruppen betreust.
Wenn es also Regeln gibt, kann man nun auch Regelverstöße deutlich machen. Gerade in der Situation, in der das Kind steckt, ist vermutlich soeben eine ganze geregelte Welt aus den Fugen geraten. Es kann also durchaus sein, dass das Kind nun austestet, ob andere Bereiche ebenfalls ins Wanken geraten. Für meine Dafürhalten hilft man solchen Kindern am ehesten, indem man ihnen deutlich aufzeigt: Bis hier und nicht weiter, darauf darfst du dich verlassen!
Das kann man auf die positive Art versuchen, z.B. mit einem Verstärkerplan. Für jeder Stunde (oder anfangs jede Arbeitsphase), in der sich das Kind ruhig mit seiner Aufgabe beschäftigt hat, nicht gestört hat, nicht über Tisch und Bänke ist usw. gibt es einen Sticker. Wenn der Plan voll ist, gibt es eine Belohnung, z.B. darf das Kind ein Spiel auswählen oder einen kleinen Spaziergang o.ä.
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| Allein mit einem schmusenden Kind | | von: caldeirao
erstellt: 13.10.2013 16:30:09 |
kann sehr gefährlich werden. Ich würde Dir dringend empfehlen im Beisein eines Zeugens (Klassenlehrerin) diese Problematik mit den Eltern zu besprechen. Es kann ganz harmlos sein, aber man weiß nie, was da noch kommen kann. So hast Du Dich abgesichert.
Ich hatte einen ähnlichen Fall nur mit umgekehrten Geschlechtern. Dort habe ich mit dem Vater gesprochen, dass ich selbst damit kein Problem habe, aber ich möchte nicht, dass es gegen mich verwandt wird und der Vater gab sein OK, das Ganze ist protokollarisch festgehalten.
Ansonsten hat man in 1:1 Situationen viele Möglichkeiten, dass Verhalten zu beeinflussen.
z.B. klar ein Ziel vorgeben. z.B. Heute wollen wir 3x5 Aufgaben lösen. Ich bin gespannt, ob Du ein Päckchen konzentriert (vielleicht beschreiben, was Du unter konzentriert verstehst) zu Ende lösen kannst. Als Belohnung für 3 konzentriert gelöste Päckchen gibt es am Ende ein Lernspiel. Vielleicht habt ihr ja auch einen Computer, wo Lernspiele drauf sind. Zwischen den Päckchen gibt es eine kleine Auswertung und eine Minipause. |
| Alles wird gut | | von: halb27
erstellt: 12.12.2013 22:56:13 geändert: 12.12.2013 23:14:49 |
Nachdem ich hier einige Hilfe bekommen habe, möchte ich von der weiteren Entwicklung berichten, und diese ist sehr positiv.
Zunächst mal: Smileys und Belohnung haben nicht wirklich was gebracht.
Das intensive Einüben der richtigen Schreibweisen von '1' und 'g' habe ich entsprechend der Tipps im entsprechenden Forum und der ähnlich gearteten Grundeinstellung der Lehrerin eingestellt. Hier war das undisziplinierte Arbeiten besonders auffällig.
Inzwischen lese ich mit ihr, und das funktioniert traumhaft konzentriert und diszipliniert.
In Mathematik zeigten sich ihre Schwächen im Raumlage-Wahrnehmungssystem wieder deutlich bei der Hundertertafel und dem Stellenwertsystem, obwohl sie keine Rechts-/Links-Schwäche mehr aufweist. Und als ich das mit ihr erarbeitete und übte, so wie ich es mit anderen Schülern erfolgreich praktiziere, hatte ich es wieder mit ihrem undisziplinierten Verhalten zu tun.
Natürlich werde ich jetzt nicht den Fehler wiederholen wie beim verbissenen Einüben des 'g'. Nach einem hilfreichen Gespräch mit der Klassenlehrerin, einem praktischen Tipp eines anderen Lehrers und meinen aktuellen Erfahrungen in der 1. Klasse lege ich (besser gesagt das Mädchen) jetzt ein riesiges Hunderterfeld auf den Boden, so dass dieses mit Bewegung erarbeitet wird (allein das Auslegen der einzelnen Blätter lässt schon das Hunderterfeld sinnlich erfahren). Jetzt kann sie auch nicht mehr wie früher in Windeseile und kaum bremsbar Zahlen in das Hunderterfeld schreiben, wie zuvor geschehen. Vorher lies sich das Stellenwertproblem schon mit sehr suggestiven Zahlenfeldern beheben (Zehnerzahlen-Doppelfelder und Einer-Einzelfelder, die auf die '0' der Zehnerzahlen zu legen sind. Zehnerstelle wie im Arbeitsbuch in Blau [und mit einer symbolischen Zehnerkette am oberen Rand], Einerstellen in Grün [und Einzelperlen-Symbol am oberen Rand]. Anschließend habe ich sie Zahlen in entsprechend gestaltete leere Zahlenkarten schreiben lassen, wobei das hektische Arbeiten schon dadurch ausgeschlossen war, dass sie bei Zehnern und Einern die Schreibfarbe wechseln musste und auch recht groß schreiben musste entsprechend den Zahlenkarten.
Ich bin begeistert. Keine Unkonzentriertheit, keine Disziplinlosigkeit, hingegen war sie voller Begeisterung dabei, und das Wichtigste: mit Erfolg! Den Erfolg muss ich zwar noch checken, aber so, wie das jetzt geklappt hat, mache ich mir keine Sorgen mehr.
Die Disziplinlosigkeit muss man wohl als Antwort auf für sie ungeeignete Lehrmethoden werten.
Ich sollte ergänzen, dass das Mädchen eine Ergotherapie begonnen hat. Vielleicht sind das auch die schnellen Auswirkungen dieser Therapie.
Sie schreibt inzwischen auch die '1' korrekt, und - wie es aussieht - auch das 'g'. Da fühlt sie sich allerdings noch unsicher, und ich quäle sie jetzt nicht wieder mit intensiven Tests. Das werde ich so nebenbei im Auge behalten. |
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