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Forum: "HSP 1+ lernstandsgerecht?"
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| HSP 1+ lernstandsgerecht? | | von: halb27
erstellt: 25.10.2015 13:57:07 |
Ich bin zum ersten Mal mit der HSP konfrontiert
worden und bin einigermaßen erstaunt.
Sophie, ein Mädchen mit nach meiner Einschätzung
schlechten schulischen Eingangsvoraussetzungen, aber
extrem gutem Lernverhalten, hatte im Test für Ende
Kl. 1 sehr schlecht abgeschnitten gemäß der HSP-
Auswertung.
Sie hat aber fast perfekt lautgerecht geschrieben und
dementsprechend 14 von 15 Punkten bei den
Lupenstellen der alphabetischen Strategie erreicht.
Das Testmaterial umfasst jedoch erstaunliche viele
Wörter mit Rechtschreibspezialitäten ('ie' für das
lange 'i', Auslautverhärtung, Wortstammschreibung)
und dementsprechend hat sie nur 2 von 10 Punkten bei
den Lupenstellen für die orthographische und
morphematische Strategie, und das spiegelt sich auch
in der Anzahl der Graphem- und Wort-Treffer wieder.
Sehe ich da etwas falsch?: Der in der Schule
vermittelte Stand der Rechtschreibung am Ende des 1.
Schuljahrs betrifft praktisch ausschließlich das
lautgerechte Schreiben. Wenn dem so ist, testet die
HSP 1 aber nicht den in der Schule vermittelten
Lernstand, sondern in schon fast unglaublicher Weise
die schulischen Eingangsvoraussetzungen der Kinder.
Sophie hatte im 1. Schuljahr deutliche Probleme mit
dem Lautverständnis und der Laut-Buchstaben-
Zuordnung. Diese sind dank ihres guten Lernverhaltens
Vergangenheit, was die HSP auch widerspiegelt. Da
finde ich es einen schlechten Witz, wenn das
Gesamtergebnis schlecht ausfällt aufgrund nicht
lernstandsgerechter Testbedingungen.
Oder übersehe ich da irgend etwas? |
| Also ... | | von: halb27
erstellt: 25.10.2015 19:07:06 geändert: 25.10.2015 19:27:22 |
ist es wohl tatsächlich so, dass die HSP sich nicht
vorrangig auf den Lernstand bezieht, sondern die
allgemeinen Rechtschreibfertigkeiten im Auge hat. Da
diese - soweit sie über den schulischen Lernstand
hinausgehen - am Ende des 1. Schuljahrs in erster
Näherung die Eingangsvoraussetzungen eines Kindes
widerspiegeln, finde ich das schon bedenklich.
Ich habe mich jetzt aber mal ein bisschen schlauer
gemacht über die Auswertung der HSP. Wenn man wissen
will, wo ein Kind steht, geben die T-Werte die klarste
Antwort. Die T-Werte sind quasi die auf das adäquate
Anforderungsniveau normierten Leistungswerte. Eine
angemessene Interpretation der absoluten Trefferzahlen
und der Prozentrankings ist demgegenüber kaum leistbar.
Wenn man hingegen weiß, dass T-Werte zwischen 40 und 60
'normal' sind, wird die Interpretation einfach. Und siehe
da: bei Sophies Auswertung liegen alle T-Werte zwischen
42 und 52.
Allein: so richtig glücklich macht mich das auch nicht.
Sophies Lehrerin ist nämlich auf mich zugekommen und
meinte, man müsste Sophie rein formal nach dem Ergebnis
zu urteilen als LRS-Kind einstufen. Sie hat wohl die
Ergebnisse falsch interpretiert (sicher auch vor dem
Hintergrund, dass sie insgesamt eine recht
leistungsstarke Klasse hat). Sophies Lehrerin ist eine
gute und engagierte Lehrerin, und wenn ihr das passiert,
frage ich mich, wie oft wohl derartige
Fehlinterpretationen an den Grundschulen vorkommen. Ganz
zu schweigen von den Interpretationen von Eltern etc.
Eigentlich schließt sich hier der Kreis. Würde die HSP
sich auf den Lernstand beschränken, gäbe es keine
massiven Fehlinterpretationsmöglichkeiten wie diese:
Sophie hat 5 von 14 Wörtern korrekt geschrieben (hört
sich nicht gut an), woraus ein Prozentranking von 22
resultiert (hört sich noch schlechter an), aber der
entsprechende T-Wert ist 42 (also bewegt sich ihre
diesbezügliche Leistung im Rahmen des
Normalen). |
| Einschätzung oder Stigmatisierung | | von: palim
erstellt: 26.10.2015 11:39:08 |
Abgesehen von der entsprechenden Auswertung geht es doch immer auch darum, wie man mit den Ergebnissen umgeht.
Für mich sind Werte aus solchen Tests, ich habe auch gerade Anfang 2 welche durchgeführt, erst mal Anhaltspunkte für mich und meinen Unterricht und ggf. für Förderziele.
Die Kinder sehen das Blatt nicht wieder, die Eltern ggf. im Elterngespräch.
In meinem Bundesland muss keine spezielle Diagnostik für LRS erfolgen. Wird ein Kind entsprechend eingestuft, passiert das auch vorerst in meinem Kopf und für den Unterricht. Eher so, dass man auf diese Kinder ein größeres Augenmerk hat, wenn es um diese Übungen geht.
Außerdem kann man irgendwann einen Nachteilsausgleich einsetzen, der zum Vorteil des Kindes sein soll.
In meiner jetzigen Klasse ist ein Kind, bei dem ich den Verdacht schon vor einem Jahr hatte, obwohl ich es konkret kaum belegen konnte. In einem Elterngespräch, in dem ich es erst mal vorsichtig angemerkt habe, kam heraus, dass der Vater auch LRS hätte.
Inzwischen sieht man, dass das Kind lernt und sich alle in dem Bereich besonders viel Mühe geben, damit das Kind unterstützt ist. Dabei geht es um angemessenes Training und wenig Überforderung und schon gar nicht um Drill.
Palim |
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