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Forum: "Siebtklässler ohne jegliche Vorkenntnisse"
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| Siebtklässler ohne jegliche Vorkenntnisse | | von: aschu
erstellt: 28.02.2019 14:16:08 |
Liebe Community, ich unterrichte seit kurzem fachfremd Musik an einer Realschule und habe ein großes Problem: meine Siebtklässler haben alle zwei Wochen zwei Stunden Musik. Das Programm sieht sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Übungen vor. Ich unterrichte in einem normalen Klassenraum und habe auch keine Instrumente zur Verfügung, außer ein Set Boomwhackers, das ich gekauft habe. Die Schüler haben keinerlei theoretische Vorkenntnisse, rhythmisch begabt sind die meisten aber sehr wohl. Ich habe zunächst versucht, ihnen das Prinzip der Notenwerte zu erklären (ganz Basic: was ist ein Takt, was sind ganze Noten, halbe Noten, Viertelnoten, Pausen). Schon das klappte nur leidlich, aber am Ende hatten die meisten wenigstens eine Ahnung, wie Rhythmus funktioniert. Nun wollte ich eine Unterrichteinheit bzw. ein Projekt im Sinne von "Stomp im Klassenzimmer" beginnen. Die Schüler haben sich Gegenstände ausgesucht und sollten darauf in Gruppen verschiedene Rhythmen (die ich vorgegeben und an die Wand gepinnt hatte) einüben und als kleine Choreographie vortragen. Das ernüchternde Resultat: ein Zusammenspiel war nicht nötig, weil niemand sich mehr erinnerte, was die Notenwerte sind. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich will doch nicht nur schnöde Theorie unterrichten und mir sagen, mir doch wurscht, wenn die Schüler nicht aufpassen und demnach auch nichts verstehen, sondern ich will zeigen, dass Musik Spaß macht und man, mit ein paar Grundlagen, toll zusammen musizieren kann. Idealistisch wie ich bin dachte ich sogar, man könne beim Schulfest eine kleine Nummer aufführen. Zwischenzeitlich ist mir meine Motivation, mir immer etwas Neuers auszudenken, ziemlich abhanden gekommen undich überlege, ob Filmeschauen nicht die beste und nervenschonendste Alternative wäre. Ich habe aber Schüler/innen, die singen können und andere sind rhythmisch sehr begabt, aber wie kann ich sie motivieren, die paar Grundlagen, die man zum Umsetzen von tollen Stücken und Projekten braucht, erlernen zu wollen. Desillusionierte Grüße, aschu |
| Motivieren... | | von: mordent
erstellt: 01.03.2019 12:00:50 |
... ist ja gar nicht meins... Es gibt einen Bildungsplan, es gibt ein Curriculum... Das machen wir... Das sollt ihr dann können... Fertig. Man kann einen Musikunterricht machen, der Spaß macht, aber wenn das nicht angenommen wird, gibt's halt mal eine reine Theorieeinheit, um dann wieder was aktiveres zu probieren. Ich bin zwar kein Musiklehrer, aber Musiker. Deshalb traue ich mich trotzdem, was vorzuschlagen. Für die Einheit "Stomp" hätte ich mit dem Film "Stomp!" begonnen... Manche verkaufen das als motivierenden Impuls o. ä. Ich sehe das nüchtern als Beispiel, mit Alltagsgegenständen Musik zu machen. Und das würde ich dann als Einheit aufziehen - mit theoretischen und praktischen Teilen - und in einem Auftritt am Schulfest gipfeln lassen. |
| Verknüpfungen schaffen | | von: anne-badteacher
erstellt: 01.03.2019 14:53:28 |
Hallo zusammen, man-oh-man da hast du ja echt ein schweres Los gezogen. Zuerst einmal ist es vermutlich wirklich wichtig sie angemessen zu motivieren. Mit einem Lied welches vielleicht sehr bekannt ist und diese Stomb Anteile beinhaltet (!?) z.B. der bekannte Cup-Song aus dem Teenie-Film "Pitch Perfect 1". Dadurch, dass dazu gesungen wird und somit in gewisser weise ein Takt vom Gesagt vorgegeben wird, fokussierst du die SuS zunächst nicht auf die Theorie der Noten. Auch der Einstieg durch den Film kann helfen. Außerdem brauchen die Schüler dazu nicht mehr als einen Becher. Als 2.- mag abgedroschen klingen aber nützlich, versuche die Notenlehre mit anderen Lehrinhalten zu kombinieren. Bsp.: Dezimalbrüche in Mathe und die verschiedenen Notenwerte etc. Letzten Endes: Augen zu und durch und den "Mut" sich auch mal unbeliebt zu machen. Da bisher keinerlei Struktur in deiner Klasse war muss eben doch mal eine Theorieenheit mit anschließender LK sein. Du packst das. LG Anne |
| Danke | | von: aschu
erstellt: 01.03.2019 16:47:50 |
für euren Zuspruch. @mordent: Den Film „Stomp“ (Auszüge“) sowie einige Schülerumsetzungen habe ich am Anfang gezeigt. Resultat: bei „Stomp“ plauderten die meisten nach zwei Minuten ungeniert über irgendein anderes Thema, bei den Schülerimsetzungen wurde nur über eines der Mädchen gelacht, das keine Modelfigur hatte. Der Höhepunkt war die Aussage eines meiner Schüler, der meinte, seiner Mutter sei es auch egal, wenn er eine ungenügende Note in Musik habe, den Scheiß brauche man eh nicht . @christeli: Das mit den Trommelübungen klappt ganz gut, solange ich sie vormache und die Schüler den Rhythmus nachtrommeln, manchmal wird sogar eine Art Kanon draus... Aber sobald es darum geht, das Ganze in Notenschrift umzusetzen oder etwas vom Blatt zu trommeln, schalten sie ab. @Anne: Verbinden von Notenwerten und Mathe habe ich versucht. Auch den Vergleich mit Legosteinen und Tortenstücken. Keine Chance. Es geht nicht in ihren Kopf, was ein Schlag ist und wozu man das braucht. Den Cup-Song werde ich nächste Woche ausprobieren, das ist eine schöne Idee. @alle: Wenn jemand eine gute Idee hat, wie ich die Noten einführen kann, immer her damit. Ich glaube, das allgemeine Phänomen, dass sie einfach nicht zuhören können, erschwert alles, das muss ich zuerst in den Griff bekommen. Ich habe auch Instrumentenkunde gemacht: die meisten erkennen eine Gitarre, das war‘s. Ich habe dann mit dem Orchesterführer gearbeitet, Bilder und Töne zuordnen lassen, die Instrumentengruppen aufgedröselt. Der anschließende Test war eine Katastrophe (was eben wieder an der Einstellung lag, für Musik müsse man nichts lernen). Naja, ich werde mir weiter Mühe geben... |
| Erfahrungen aus der 3. und 4. Klasse | | von: ysnp
erstellt: 02.03.2019 13:36:38 geändert: 02.03.2019 13:43:44 |
Meine Schüler in der 3. und 4. Klasse verstehen die Notenwerte ganz gut und können sie auch umsetzen. Ein kleiner Teil der Schüler hat trotz Übungen noch Problemen den gleichmäßigen rhythmischen Ablauf alleine nachzuempfingen, aber zumindest kann man die Wertigkeit der Noten heraushören, wenn sie etwas rhythmisch vormachen. Ich schreibe dir einmal ein paar Aspekte auf, was ich so mache bei der Eniführung der Notenwerte, vielleicht kannst du etwas für ältere Schüler übernehmen oder tranferieren: Zuerst einmal: Bei Rhythmusübungen musst du als Lehrer ganz klar den Dirigenten spielen. Ab und zu kann man die Kinder in kleinen Gruppen auch einmal etwas erabeiten lassen, wenn es gut vorbereitet ist und das Niveau vorher allgemein erreicht wurde. Hier einige Punkte: - Nomen zuerst mit langen und kurzen Strichen versehen - von diesen langen und kurzen Strichen auf Halbe und Viertelnoten bzw. Achtel- und Viertelnoten schließen - Metronom: Grundschlag als Viertelnoten mitklatschen, jeder 2. Note mitklatschen: halbe Note, jede vierte Noten mitklatschen: ganze Note, doppelt so schnell: Achtelnote - Gehen nach Noten und gleichzeitig klatschen bzw. in Sprechsilben mitzählen - Notenkombis erst einmal in Sprechsilben sprechen: ta taja tajajaja ti ti - erst später die Zählweise einführen - als AB gebe ich das übliche heraus, wo die Noten in ihren Verhältnissen aufgelistet sind mit den entsprechenden Kuchenstücken - kleine Rhythmen werden aufgehängt und wir klatschen sie mit Mitsprechen der Sprechsilben nach, dasselbe auch als ABs - dann ohne Sprechsilben , nur klatschen - Rhythmen weitergeben - Gruppen: eine Gruppe macht ganze Noten z.B. mit gleich klingenden Rhyhmusinstrumenten, dann setzt die Gruppe ein, die halbe Noten macht, dann die, die Viertel macht usw. , einzelnen Gruppen Zeichen geben, wann sie einsetzen und aufhören, insgesamt lauter und leiser (wie im Chor, der Lehrer ist der Dirigent) - höheres Niveau: diverse Rhytmicals. Hier übe ich mit Gruppen die einzelnen Parts, dann im Zusammenspiel oder als Kanon - Bodypercussion Wir haben in unseren Musikbüchern einige Anregungen dafür. Vielleicht gibt es die auch in der Sekundarstufe? |
| sichtbar machen | | von: palim
erstellt: 02.03.2019 15:28:47 |
Es gibt bei 4teachers auch eine Menge Sachen zu Notenwerten. Ich selbst nutze die Sprechsilben (ta taja titi) nicht, meine Kollegin wohl. Ich bevorzuge Legematerial, bei dem die Notenwerte durch unteschiedlich lange Plättchen repräsentiert werden. Hierüber kann man Rhythmen legen lassen und gemeinsam klatschen. Man sieht also die Notenwerte und lernt im Umgang damit das Lesen und Umsetzen. Rhytmicals kommen oft auch ohne aus und auch der Cup-Song vermittelt sich doch eher, ohne Noten einzusetzen.
Entscheidend ist aber in dieser Gruppe wohl auch, dass sie die aktiven Übungen nutzen, um sich gegenseitig zu beschämen oder zu beleidigen. Da hilft nur, klare Erwartungen zu formulieren und diese als Regeln mit entsprechenden Konsequenzen durchzusetzen. |
| Ergänzung | | von: ysnp
erstellt: 02.03.2019 16:19:02 |
- Am Ende einer solchen Notenlerneinheit mache ich eine praktische Note. Jeder Schüler muss einen kleinen Rhythmus, den wir vorher geübt haben, vorklatschen (mit der Gelegenheit, diesen nochmals zuhause zu üben). 2. Teil - Pausen kommen dazu 3. Teil - Taktarten kommen dazu Dazwischen mache ich immer etwas anderes aus anderen Bereichen des Musikunterrichts. Es stimmt, was Palim schreibt. Hier gibt es ganz gute Materialien für die Rhythmuserziehung. |
| So wie du | | von: caldeirao
erstellt: 03.03.2019 11:36:30 |
die Bedingungen beschreibst, weiß man auch welchen Stellenwert und welche Wertschätzung der Musikunterricht in der Schule hat. Dann kommt noch die Unwichtigkeit, die die Eltern ausstrahlen, dazu. Da hast Du es schon mal sehr schwer. Ich habe jetzt auch nicht nach dem Schultyp geschaut. Aber ich glaube nicht, dass das eine Verständnisfrage ist, sondern eine Frage der Einstellung. Und deshalb ist dort der Hebel anzusetzen. Und da geben uns die Zensuren eine Möglichkeit. Weiterhin vielleicht solltest du mehr Gelassenheit zeigen. Man kann nicht alle zu ihrem Glück zwingen. Wenn Du mehr erreichen willst als die SuS, wirst du bald die Lust verlieren und vielleicht sogar krank werden. Wenn ich einen Film sehen würde und das zu erwarten ist, was du beschreibst, gäbe es bei mir immer Fragen dazu, die ich einsammeln und bewerten würde. Also Kopf hoch, richte dich an den Klassen auf, wo es gut klappt und bei den anderen muss man halt durch. |
| Motivation | | von: fruusch
erstellt: 03.03.2019 14:41:32 |
kann nur von innen kommen, nie von außen. Das einzige, was du tun kannst, ist eine vorhandene innere Motivation deiner Schüler zu wecken bzw. zu erhalten. Alle anderen "Motivationsversuche" resultieren nur in Druck, der vielleicht dazu führt, dass Schüler widerwillig mitmachen oder den Unterricht etwas weniger stören. Wenn es allerdings bereits Schüler (und Eltern) in der Klasse gibt, denen selbst ein "ungenügend" in Musik völlig egal ist, hast du es doppelt schwer. Hier wäre eine Absprache mit der SL enorm wichtig - der Stellenwert eines Pflichtfaches sollte der SL nämlich nicht egal sein. Andererseits hast du es mit Musik auch wieder leichter als andere Fächer, denn Musik läuft stark über Emotionen, was die Nachhaltigkeit des Gelernten verstärkt. Sobald du es schaffst, bei deinen "schwierigen Fällen" an diese Emotionen ranzukommen, hast du gewonnen. Vielleicht helfen da ein paar emotionale Musikfilme weiter, diese harten Panzer zu knacken, wie z.B. "Die Kinder des Monsieur Mathieu", "Billy Eliot - I Will Dance", "School of Rock" oder "8 Mile". Oder hast du ein paar ganz "harte Jungs" in der Klasse? Dann teste mal, ob sie auch Lachmuskeln besitzen, mit einer Vorführung von "Happy Metal - All You Need is Love". Musik hat aber auch viele Anknüpfungspunkte an andere Fächer. Für die künstlerisch begabten Schüler wäre evtl. die psychedelisch-künstlerische Verfilmung von "Pink Floyd - The Wall" interessant. Vielleicht fällt ihnen etwas ein, wie sie ihren Lieblingssong künstlerisch umsetzen können? Für die Mathe-Nerds ist die Verbindung zur Bruchrechnung sicher interessant. Auch hier gibt es eine Querverknüpfung zur Bildenden Kunst über die "Konkrete Kunst". Für die Möchtegern-Neymars wäre eine Fußball-Choreografie zur Musik evtl. der Knackpunkt. Oder möchten sie lieber Filmausschnitte von Torszenen so schneiden, dass sie zum Takt eines Songs passen? Bei einer solchen Klasse ist mMn erstmal alles erlaubt, was dir einfällt, normaler Unterriht kann sowieso kaum stattfinden. Und dann solltest du vorrangig auch an dich denken. Reibe dich nicht mit sturem Lehrplan-Abhaken gegen erbitterten Widerstand auf, sondern finde Wege, die dir selber Spaß machen, dann kommst du auch heile und ohne Überlastungsanzeige durch dieses Schuljahr. Wenn einige Schüler sich partout weigern, etwas dazu beizutragen, dann zeige ihnen die Konsequenzen auf (Schulnote "ungenügend" mit allen Folgen bzgl. Versetzung, Verhaltens- und Mitarbeitsnote, pädagogische und disziplinarische Maßnahmen) und sorge ansonsten dafür, dass sie den Unterricht wenigstens nicht aktiv stören können. Sprich mit deiner SL über geeignete Maßnahmen. Bei uns kann man solche Schüler zB vors Sekretariat mit einer schriftlichen Stillarbeit setzen. Vielleicht habt ihr auch einen Trainingsraum? HTH |
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