Hallo,
zunächst eine kurze Klarstellung: Ich bin selbst kein Lehrer habe jedoch einen starken Schwerpunkt in den Bereichen Kognition und Didaktik. Ich bin auf der Suche nach Hilfe und Infos möglichst von Lehrern oder anderen Angestellten aus dem Bildungssektor, da ich persönlich keinen Einblick in die Methodik habe, die derzeit an den Lehrstühlen propagiert wird bzw. dort "state of the art" ist.
Für die Länge des Textes entschuldige ich mich vorab. Ich schreibe wirklich nur was ich für das Erfassen der Situation als notwendig erachte.
Zur Grundsituation: Ich kümmere mich seit Anfang des Jahres etwas um ein Kind aus meinem Bekanntenkreis das die 8. Klasse einer Realschule besucht und mit relativ starken Problemen in Englisch zu kämpfen hat.
In den Arbeiten wir das Kind in kleinen Schritten besser jedoch ist es noch weit von gutem Englisch entfernt. Es hapert wesentlich am Gesamtverständnis und viele Details haben sich bereits falsch ins Gedächtnis eingebrannt.
Inzwischen sind zwar kleine Fortschritte bei den Arbeiten zu erkennen (von 4 auf eine schlechte 3), speziell bei den Noten in den Vokabelarbeiten ist bisher aber kaum nennenswerter Fortschritt zu sehen (hierzu später mehr).
Die Vokabelarbeiten waren bis vor Kurzem angesagt, inzwischen sind sie es nicht (was ich grundsätzlich befürworte). Umgestellt wurde laut Lehrerin primär, da die Kinder nicht lernen würden. Im Fall des Kindes aus meinem Umfeld kann ich dies verneinen (die Eltern anderer betroffener Kinder sehen das für ihre Kinder ähnlich; beurteilen kann ich es jedoch nicht wirklich).
An der relativ kleinen Schule gibt es in der 8. Klasse drei Klassenzüge. Zwei davon sind wohl relativ schlecht in Englisch (die meisten zwischen 3 und 5 mit einigen wenigen positive Ausreißern) und eine relativ gut (2er Schnitt). Es geht um ein Kind aus einer der "schlechten" Klassen. Ich denke ein gewisses Leistungsgefälle zwischen Klassen ist normal. An der besagten Schule wird dies jedoch durch einen Umstand verstärkt: Ein Klassenzug wird fächerübergreifend bilingual unterrichtet während die anderen regulären Unterricht erhalten. Bei der Zusammensetzung der bilingualen Klasse war neben der Zustimmung der Eltern der Grundschul-Notenschnitt der Kinder ausschlaggebend. Dies hat zur Folge, dass diese Klasse nur aus relativ starken Schülern mit Gymnasialempfehlung besteht (Eltern schicken die Kinder zum Teil zunächst absichtlich auf diese Realschule um den vermeindlich besseren Englischunterricht mitzunehmen) während in den anderen Klassen jeweils nur 1-2 Kinder mit Gymnasialempfehlung zu finden sind. Wie zu erwarten handelt es sich bei der "guten" Klasse um die Kinder aus der bilingualen Klasse und bei den positiven Ausreißern aus den anderen Klassen handelt es sich um die Kinder mit Gymnasialempfehlung.
Die Vokabelarbeiten um die es geht bestehen ausschießlich aus ganzen Sätzen ohne jegliche Abfrage von einzelnen Wörtern. Hier liegt für mich etwas der Hund begraben. Die meisten Sätze finden sich zwar im Buch, sind dort jedoch i.d.R. nicht übersetzt. Ein Kind mit ernsten Defiziten in Englisch hat aber kaum das nötige Wissen um diese Sätze zuverlässig richtig zu übersetzen und dann zu lernen. Für gute Schüler ist es wiederum relativ einfach die paar Vokabeln einzuprägen, die sie noch nicht kennen bzw. herleiten können und daraus während des Tests spontan richtige Sätze zu bilden.
Zu meiner Schulzeit wurden spätestens ab der Mittelstufe natürlich auch Sätze abgefragt, jedoch fast ausschließlich im Mix mit einzelnen Vokabeln und eben auch nicht die Sätze aus dem Buch. Die Vokabelarbeiten waren so einfach ein direktes Feedback für jeden Einzelnen, ob in dem aktuellen Themengebiet noch nachgearbeitet werden musste oder nicht. Selbst ein Schüler mit schlechtem Englisch bekam für seinen Lernaufwand bei den Vokabeln relativ zeitnah gutes Feedback und wurde dazu motiviert mehr zu machen. Bei der praktizierten Abfrageart müsste so ein Kind jedoch mangels Grundlagen die ganzen Sätze wie ein Gedicht auswendig lernen und dann noch richtig schriftlich wiedergeben; das ist an sich schon fast utopisch und wird durch die fehlende Übersetzung im Buch eigentlich nur gekrönt.
Normalerweise würde ich mit dem Kind einfach weiterarbeiten bis es irgendwann den kritischen Punkt erreicht hat und sich selbst peu à peu aus dem Sumpf ziehen kann. Das Problem ist leider, dass inzwischen schon soviel Frustration und auch Verzweiflung entstanden ist, dass das Kind regelmäßig heimlich nach unseren Einheiten weint und es auch so manchmal nicht mehr halten kann (wenn z.B. eine Vokabelarbeit rausgegeben wurde), weil es sich für dumm hält bzw. keine Zukunft mit miserablen Englischkenntnissen vorstellen kann (ja, so denken manche Kinder). Da es m.E. nach sonst ein sehr tapferes Kind ist macht mir dies langsam Sorgen.
Ich würde mich daher gerne mal mit der Englischlehrerin zusammensetzen um ggf. ein Umdenken in manchen Punkten anzuregen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihr Spaß macht am Großteil der Klasse vorbei zu unterrichten, speziell wenn einige Kinder offenbar nach Kräften versuchen aufzuschließen.
Vorher würde mich allerdings interessieren welche Richtlinien/ Vorgaben/ Empfehlungen Vater Staat und die Bildungseinrichtungen für Lehrer zu Aspekten wie...
- Aufbau eines Vokabeltests (also z.B. einzelne Vokabeln / ganze Sätze / Lückentext / Haupt-Übersetzungsrichtung / Mix)
- Notenschlüssel (zu meiner Zeit war bei 50% Richtigkeit die Note 6 für angesagte Tests und die Note 4 für unangesagte Tests als Fausformel gebräuchlich)
- Punktevergabe (z.B. sind Teilpunkte zu gewähren wenn zumindest die eigentliche Vokabel richtig war)
- Form (Abfrage per handgeschriebenem kopierten "Schmierzettel", Tafelabfrage, Computerausdruck, Diktat)
...machen.
Außerdem würde mich generell interessieren wie es aktuell um folgende Themen steht:
- Vermerken der Klassendurschnittsnote und der mündlichen Note (für die aktuelle Unterrichtseinheit) auf Klassenarbeiten
- Herausgabe und Besprechung von Arbeiten bevor neue Arbeiten geschrieben werden
- Sofortige Bekanntgabe der Noten für mündliche Vorträge/ Präsentationen
- Überlassen der Klassenarbeiten (aktuell müssen die Kinder ihre Arbeiten nach dem Vorzeigen bei den Eltern wieder abgeben)
Früher waren diese Dinge obligatorisch. Gibt es hierzu vielleicht Regeln/ Empfehlungen?
Ich bin für jede ernst gemeinte und hilfreiche Antwort dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
vzn