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Forum: "Seiteneinsteiger vs. Refenrendare"

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Seiteneinsteiger vs. Refenrendareneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: katty1977 Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 09.09.2020 17:39:37

Hallo,

ich melde mich nach langer Abstinenz wieder hier. Seit Jahrzehnten bin ich in der Nachhilfe und vor Jahren komplett in diese Bereich gewechselt. Durch die VHS habe ich auch an Schulen zur Unterstützung und für die Lernförderung gearbeitet. Dieses Schuljahr habe ich mich getraut als Vertretungslehrerin tätig zu werden. Diese Woche habe ich ein Angebot angenommen und fuchse mich noch durch, lerne die Kollegen und Schüler und Klassen kennen und das ganze Drumherum kennen.

Heute begrüßte ich eine Lehrerin (Kann ich Kollegin sagen?) und ich stellte mich vor. Hui, gegen mich persönlich hat sie nichts, aber gegen Seiteinsteiger, weil die Refenrendare keine Stellen bekommen, da diese besser bezahlt werden müssen als Seiteneinsteiger. Natürlich bekomme ich nicht die Bezahlung wie eine studierte Lehrkraft mit Staatsexamen, aber sind Seiteneinsteiger eine Konkurrenz um Jobs für Refenrendare?

 

LG, Katty



hollaneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: fruusch Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 09.09.2020 21:20:36

da hat aber eine Kollegin noch nicht verstanden, um was es beim Seiteneinstieg geht... oder sie pflegt gerne ihre lieb gewonnenen Vorurteile und ihren Standesdünkel.

Es gibt Seiteneinsteiger, weil es nicht genügend Lehrer/Referendare in gewissen Mangelfächern gibt. Die Situation ist dabei von Bundesland zu Bundesland verschieden. In Berlin gab es mal die Situation, dass Seiteneinsteiger die große Mehrheit aller Neueinstellungen ausmachten, teils ohne oder nur mit geringer pädagogischer und/oder fachlicher Ausbildung. Zur Zeit meines Seiteneinstiegs in RLP waren es jährlich etwa 100 Seiteneinsteiger, allesamt mit dem entsprechenden fachlichen Studienabschluss (nur halt kein Lehramt). Alle wurden ausschließlich in Mangelfächern eingestellt, für die sich keine Referendare interessierten. Während sich also in Deutsch oder Geschichte die Referendare damals stapelten und kein Seiteneinsteiger weit und breit zu sehen war, waren wir in Physik am Seminar etwa 12 Seiteneinsteiger und (erstmals seit Jahren) 2 Referendare.

Du nimmst also mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keinem Referendar seinen zukünftigen Arbeitsplatz weg - ganz einfach, weil es keinen Referendar mit deiner Fächerkombi geben wird, der deine Position besetzen kann. Das Land Brandenburg wäre ja auch bescheuert, für viel Geld Referendare auszubilden, um dann für viel Geld Seiteneinsteiger zusätzlich anzuheuern, und dann die Referendare ans Arbeitsamt zu verweisen, wo sie weiterhin viel Geld kosten.

Nein, wir Seiteneinsteiger müssen ausbügeln, was der Mangel an Lehrkräften in bestimmten Fächern (meist Mathe und die Naturwissenschaften, Informatik, Technik, Musik und Kunst, aber gelegentlich auch Sprachen wie Latein, Englisch, Französisch...) anrichtet. Meine damaligen (und heutigen) KollegInnen hatten und haben das zum Glück sehr wohl verstanden und waren heilfroh, dass ich da war. Die Unterstützung aus dem Kollegium, die ich damals beim Einstieg erhielt, war grandios - und selbstverständlich waren wir "Kollegen", wo kämen wir sonst hin, wenn wir jetzt im Lehrerzimmer nach Lehrern 1. und 2. Klasse unterscheiden. Ich persönlich zähle nicht nur LehrerInnen, sondern auch die Sekretärinnen, die Hausmeister und andere Menschen, die in der Schule arbeiten, zu meinen Kollegen.

Ich hoffe sehr, dass die von dir beschriebene Kollegin nur einen schlechten Tag hatte und dich in Zukunft mit dem Respekt behandelt, den du verdienst. Du bist schon länger im Bildungswesen tätig, weißt also ziemlich gut Bescheid - höchstwahrscheinlich deutlich mehr als ich damals, Studium hin oder her. Ich hatte zwar Erfahrung als Forscher und Manager in der freien Wirtschaft, aber Null Wissen über Pädagogik und Didaktik außer meinem gesunden Menschenverstand. Ich bin heute noch dabei, die letzten Lücken zu schließen - die alltäglichen Gespräche im Lehrerzimmer, die Diskussionen auf 4t, aber auch entsprechende Fortbildungen helfen mir dabei sehr.

Klar gab und gibt es viele Seiteneinsteiger, die für den Lehrerjob völlig ungeeignet sind. In meinem Jahrgang gab es die auch, z.B. gescheiterte Doktoranden, die nach irgend einem Notnagel suchten. Die meisten merken das sehr schnell und geben auf oder fallen durch die Prüfungen. Ich glaube aber kaum, dass du dazugehören wirst, mit all deiner Erfahrung wirst du dir den Schritt wohl auch reiflich überlegt haben. Ich wünsch dir alles Gute und nen Haufen wohl gesonnener und hilfsbereiter KollegInnen.



Gleich und gleich...neuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: mordent Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 10.09.2020 01:11:16 geändert: 10.09.2020 01:13:31

... gesellt sich gern...

Diese alte Redensart geht leider weiter als man wünschen möchte...

Leider gilt das durchaus auch für die, die eigentlich Vorbild sein sollten in Sachen Offenheit, Integration und Toleranz. Als das Thema "Inklusion" aufkam, schrie alles: "Das habe ich nie gelernt!" Dann wäre es doch angebracht, dafür eine geeignete Fortbildung zu machen (meine Meinung)...

Und so ist das auch bzgl. der Quereinsteiger... Gerade bei den Naturwissenschaftlern habe ich das häufig erlebt... Der junge, 28jährige, promovierte Physiker... Naja, der kann das ja irgendwie nachholen... Aber die 46jährige Biologin, die mit namhaften Forschern gearbeitet hat? "Fruchtfliegen sind kooperativer als Achtklässler!" Das mag sein... Die behandelt man aber auch entsprechend ihrem Instinkt (z. B. keinen weißen Laborkittel tragen). Das kann man auch für den Umgang mit Schülern lernen!

Man sollte sich lieber fragen, warum jemand quereinsteigt... Nicht der Lehrermangel ist für mich entscheidend, sondern entweder der Arbeitsmarkt in der Wirtschaft oder persönliche Gründe beim Branchenwechsler. Ich sage immer: Es haben schon Klemptner mit gefälschten Zeugnissen und angelesenem Halbwissen Chefarztposten bestiegen. Da ist mir doch der fachkundige Seiteneinsteiger wesentlich lieber.



Ergänzung zu fruusch,neuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: janne60 Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 10.09.2020 14:33:44

dem ich im Übrigen voll beipflichte:

Klar gab und gibt es viele Seiteneinsteiger, die für den Lehrerjob völlig ungeeignet sind.

Klar ist weiterhin, dass es auch unter studierten Lehrkräften hin und wieder völlig ungeeignete Leute gibt 

Dir Katty, alles Gute für deine neue Aufgabe! 



@ Katty - nur nicht verrückt machen lassen!neuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: emiliach Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 11.09.2020 22:38:33

Liebe(r) Katty,

auch ich bin teils (in den letzten Jahren weniger) als Seiteneinsteigerin unterwegs und zwar an Münchener Berufsschulen (kaufmännische Berufe). Hier herrscht in der Tat in Bezug auf manche Fächer ein enormer Lehrermangel und ich hatte ein paar freie Zeitfenster und Interesse, also hab ich den "Auftrag" angenommen. Ich bin vom Hintergrund her Dipl.-Betriebswirtin, mit Trainerausbildung, habe den Ausbildereignungsschein und drei Coaching-Ausbildungen, aber auch mir wehte teils ein eisiger Wind von den "Kollegen" entgegen. 

Aber dies geschah gar nicht mal aus der Angst heraus, dass ich ggf. eine Konkurrenz in Bezug auf die Verfügbarkeit etwaiger Arbeitsplätze hätte darstellen können, denn ich hatte mir von Anfang an eine Tätigkeit auf Honorarbasis ausbedungen, sondern vielmehr wurde ich ob meiner Methoden angefeindet. 

Ich habe stets nur superkurze Sequenzen theoretischer Natur gemacht und dann sofort praktische Übungen in Gruppen durchführen lassen, die logischerweise dann Unruhe und auch das Arbeiten auf dem Flur oder in den Pausenräumen nach sich zogen, weil die Klassenräume dafür einfach zu klein waren. Ich hatte teils 35 Leute am Start. Also traf man "während der Unterrichtszeit" dann und wann auch mal Gruppen von Schülern "von mir" im Pausenraum oder im Foyer an, die aber einen klaren Arbeitsauftrag hatten und auch brav, nach Ende der vorgegebenen Zeit dann wieder zur gemeinsamen Auswertung im Klassenraum erschienen. Allein das schon, stieß den Kollegen übel auf. Die Schüler fanden das super und auch die Feedbacks waren super und ebenso ihre späteren Noten in Sachen Zwischen- und Abschlussprüfung. 

Trotzdem wurde ich dann irgendwann zum Rektor zitiert und mir wurde gesagt, dass meine Ergebnisse zwar sehr erfolgreich zu verbuchen gewesen seien, man die Zusammenarbeit mit mir aber nicht verlängern wollte, weil meine Methoden doch nicht so ganz denen entsprächen, die die meisten Lehrer an der Schule praktizierten und man den Betriebsfrieden doch nicht gefährden wolle. 

Tja, was sollte ich da sagen? Schüler zufrieden, Ergebnisse gut, tolles Klima miteinander, aber der Leitung passte das Vorgehen nicht. 

Hier war ich nur super, superfroh, dass ich freiberuflich agiere und zum Glück noch ganz viele andere Auftraggeber, als diese Berufsschule hatte. Ich habe den Job gerne gemacht, aber konnte am Ende wirklich nur mit dem Kopf schütteln.

Sehr lange Rede, kurzer Sinn: Mach Deinen Job, so emphatisch und methodisch, wie Du es kannst und lass´ Dich als Seiteneinsteiger(in) auf keinen Fall von Kollegen verrückt machen. Du nimmst niemandem etwas weg und wenn diese Angst geschürt werden soll, lös´ Dich davon los. 

LG
emmi 



Zu den Antwortenneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: katty1977 Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 13.09.2020 12:31:02

@fruusch

Vielen Dank für deine aufbauenden Worte. Ja, du hast recht - es gibt ein festgelegtes Schema, nachdem eine Stelle besetzt wird. Wenn kein Lehrer dafür zur Verfügung steht, dann wird eben auf andere Fachkräfte ohne Lehramtsstudium zurückgegriffen. Und der Unterricht steigt und fällt sowieso von der lehrenden Person.

 

@mordent

Gründe für Qereinstiege sind auch das Angebot von Jobs in entsprechenden Bereichen - da hast du recht.

 

@janne60

Danke schön.

 

@emiliach

Ja, der Neid kann einen den Job erschweren. Leider

 

Nach einer Woche im Schuldienst kann ich überwiegend positive Erfahrungen widergeben: ich musste mich orientieren und eben durch Erfahrung lernen. Viele Kollegen habe ich kennengelernt und ich wurde freundlich aufgenommen. Die Künstler sind sehr ausschenkfreudig, was Kaffee betrifft.  Auch die Fachbereichsleiter haben mir sehr geholfen, indem sie mir Bücher und Informatationsmaterial in Massen gegeben haben. Also, ich werde weiter machen. 

Liebe Grüße

Katty



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