Nikolausgeschichten
oder
was ich alles erlebt habe
Die ersten Erinnerungen an den Nikolaus gehen weit zurück: Ich war so ungefähr 4 Jahre, als meine Eltern zusammen mit anderen Familien im Haus, die auch kleine Kinder hatten, eine gemeinsame Nikolausfeier veranstalteten. Mir war das unheimlich peinlich, vor den anderen Kindern meine kleinen Sünden ausgebreitet zu bekommen wie meine große Schwester zu oft zu ärgern (dabei war es doch immer umgekehrt) .
Als Geschenk gab es ein kleines Säckchen mit einer Orange, einem Apfel und ein paar Plätzchen. Ende der 50er war das schon eine Menge.
Na ja, um diese Peinlichkeiten zu vermeiden, habe ich das Jahr darauf schon am Nachmittag eine Falle für den Nikolaus aus meinen Holzbauklötzen gebaut. Allerdings war die Konstruktion technisch überhaupt nicht ausgereift und ich habe sie außerdem auch noch im falschen Stockwerk aufgestellt.
Gott sei Dank wurden einige der anderen Kinder dann zu groß und der gemeinsame Nikolaus fand nicht mehr statt.
Wir sind anschließend auch umgezogen und hatten dann unsere eigene Nikolausfeier, bei fünf Kindern rentierte sich das schon. Da durfte ich meist den Stab halten. Allerdings erkannte ich immer den Darsteller des Nikolaus, Religionslehrer oder ältere Ministranten, schwieg aber wegen meiner drei kleinen Schwestern.
Mit 16 Jahren durfte ich dann eben in meiner Heimatpfarrei erstmals selbst am Nikolausdienst teilnehmen. Als „Anfänger“ wurdest du als Krampus
( Knecht Ruprecht für Nichtbayern ) eingeteilt, im Fellgewand mit schwarzer Strumpfmaske, angeklebter roter Zunge, bewaffnet mit Rute und Kette. Je nach Wunsch der Eltern warst du dann zurückhaltend mit leichtem Kettenrasseln oder auch wild mit Rutenstreichen und zornigem Gebrüll.
Im Jahr darauf wurde ich wegen meiner Größe und meiner relativ tiefen sonoren Stimme bereits als Nikolaus eingeteilt; das heißt in einer Albe und einem ausgedienten Messgewand, mit Bart, Mitra, Stab und goldenem Buch ausgestattet. Unser Fahrer war mein Freund Franz, der schon mit 17 den Führerschein hatte, weil sein Vater kriegsversehrt war. Den Krampus spielte der Walter B. Ich hab dann Franz überredet, am Anfang mit seinem Käfer nach Grubweg zu fahren, wo meine damalige Tanzstundenfreundin wohnte. Ich hatte ihr ein kleines Päckchen gepackt und schritt würdevoll in die Wohnstube. Allerdings musste ich mich in der niedrigen Tür bücken und als ich den Kopf wieder hob, sah ich nur noch Nebel, denn meine Brille beschlug in der Wärme der Stube völlig.
Ich sah verschwommen ein Mädchen mit der richtigen Größe und der richtigen Frisur und begann meine wohlgesetzte Rede, aber da lachten alle los. Ich hatte die ältere Schwester vor mir. Anneliese musste erst geholt werden. Peinlich, peinlich. Aber meine Geste kam trotzdem gut an.
Bei den Eltern gab es ganz unterschiedliche Typen. Manche hatten ein schönes Gedicht und schöne Worte ohne zu viel Druck vorbereitet, bei anderen bekamst du mit Müh und Not die Namen der Kinder heraus und musstest improvisieren; am schlimmsten war ein Vater, der nur sagte:“Haut ihn halt gscheit her!“, was wir natürlich nicht taten.
Im nächsten Jahr 1972 wurde ich als Fahrer eingeteilt, war also für Anfahrt, Kassieren und Organisation verantwortlich. Da fiel kurzfristig unser Nikolaus aus. Ersatz gab es keinen. Und so musste ich alles alleine machen. Mein Auto war ein kleiner Fiat 500 mit großem Textildach zum Aufklappen. Da saß ich dann im Messgewand mit weißem Bart und weißen Handschuhen hinterm Steuer, die Mitra, das goldene Buch und das Oberteil vom Stab auf dem Sitz neben mir, der Krampus besetzte mit Rute und Kette den Rücksitz und der Stab sah oben aus dem Dach heraus. So sind wir durch Passau gekurvt, denn unsere „Kundschaft“ war über das ganze Stadtgebiet verteilt, weil kaum eine Pfarrei außer unserer den Nikolausdienst anbot. Einmal hab ich dann improvisiert, als ich zu einem frechen Mitglied meiner Kindergruppe kam, dem ich noch einige Sünden zusätzlich vorlesen konnte. Er hat mich jedenfalls nicht erkannt.
Später in der Studentenzeit in Regensburg durfte ich noch einmal bei einem Altenklub Nikolaus spielen; aber da hatte ich schon meinen eigenen lang gewachsenen Bart. Das war viel bequemer als der weiße Bart mit dem Gummizug.
Zum letzten Mal war ich dann mit fast 60 Jahren tätig, als ich bei unserem begehbaren Adventskalender den Heiligen spielen durfte, weil der planmäßige Nikolaus einen anderen Termin hatte. Es gab Glühwein und Bratwürstel und der Nikolaus wurde mit der Pferdekutsche zum Fest gefahren. Ich merkte, dass ich nichts verlernt hatte; aber jetzt ist Schluss.
rfalio