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Forum: "Verbeamtung abschaffen"
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| Verbeamtung abschaffen | | von: feul
erstellt: 11.05.2023 16:28:43 |
Ich will nun doch ein neues Forum anlegen, da mich eure Meinung dazu interessiert. Ich selbst wurde in Österreich (OÖ, Pflichtschule) noch in meiner ersten Schulwoche verbeamtet (pragmatisiert), denn war man Lehrer, war man auch Beamter. (Ja, zwischen Lehramtsprüfung und Schulbeginn musste ich zum Lungenröntgen und ein Führungszeugnis abgeben, das war's aber auch schon). In meinem weiteren Berufsleben verzögerte sich das bei KollegInnen immer weiter nach hinten, aber so viel ich mich erinneren kann, war es anfangs immer im ersten Dienstjahr. Inzwischen aber wird meines Wissens nach gar nicht mehr verbeamtet, man ist "Vertragslehrer", anfangs befristet, dann unbefristet. (Falls ich falsch liege, freue ich mich über Richtigstellung). Nun fiel in dem andren Forum (ich hoffe, ich darf dich zitieren, emiliach) der Satz: Bei allem Verständnis für die Sorgen und Nöte der LehrerInnen in der heutigen Zeit wäre ich sehr dafür, dass die Verbeamtung schnellstmöglich abgeschafft wird und eine leistungs- und engagementorientierte Entlohnung stattdessen vorgenommen würde. Und da würde ich gerne einhaken, weil mich das seit Jahren beschäftigt: WIE stellt man leistungs- und engagementorientierte Entlohnung fest? WER stellt sie fest? Gibt es überprüfbare Kriterien? Was wären da Anknüpfungspunkte, die man festlegen könnte? |
| Entlohnung? | | von: amann
erstellt: 11.05.2023 17:11:26 geändert: 11.05.2023 17:16:40 |
Es gab schon eine Reihe von Versuchen, eine "leistungs- und engagementorientierte Entlohnung" herzustellen, auch bei uns in RP. Ich sehe nicht, wie das gelingen könnte. Es gibt einfach zu viele Aspekte und Varianten, wie man in der Schule gut und wie man schlecht agieren kann. Wenn das Ganze dann auch noch rechtssicher gemacht werden soll ... Arbeitszeit? Anzahl Zusatzaktivitäten? guter Unterricht? zufriedene Schüler? zufriedene Eltern? gute Noten geben? in landesweiten Tests gut abschneiden? An Wettbewerben teilnehmen? Wie vergleicht man Deutschlehrer mit Sportlehrern oder mit Bio-Lehrern? Soll man in einem Fach ohne Klassenarbeiten weniger Geld kriegen? Wie vergleicht man "leichte" mit "schweren" Klassen, Brennpunkt mit Mittelschichtgebiet? Wie vergleicht man zuverlässige treue unspektakuläre "Arbeiter" mit Menschen, die immer extravagante Projekte haben, der Schule Renommée bringen, aber den anderen die Vertretungsstunden überlassen? Spielt es eine Rolle, ob sich jemand um Schüler mit Problemen kümmert, ohne Vertrauenslehrer zu sein? Wie messen wir die Güte von Hilfestellungen und Differenzierung beim Unterrichten? Was ist mit denen, die seit Jahren immer wieder lange krank sind? Was ist mit denen, die seit Jahren krank sind, aber dennoch die Zähne zusammenbeißen und ihren Unterricht durchziehen? Wer legt die Vergleichskriterien und Umrechnungsfaktoren fest? Ich finde es schwer. Bei einem festen Umrechnungsmaßstab gibt es die Möglichkeit, sich taktisch so zu verhalten, dass man viele Punkte und mehr Geld kriegt, ohne wirklich ein besserer Lehrer zu sein. |
| Das finde ich ein sehr interessantes Thema | | von: caldeirao
erstellt: 11.05.2023 21:10:50 |
Und die totale Gerechtigkeit wird es nicht geben. Auch ich wünschte mir ein leistungsbezogenes Gehalt. Und ja, Kriterien sind schwer zu finden. Ich könnte mir das so vorstellen: Es gibt ein Grundgehalt ca. 80%. und Es gibt ein Punktesystem- letztendlich entscheidet der SchulleiterIn (in Betrieben ist das oft auch so, dass der Chef entscheidet) z.B. für Gremienarbeit, für besonderes Engagement für Projekte und Wettbewerbe, für Klassenleitertätigkeit, Konferenzleiter, guten Unterricht (dafür gibt es Kriterien- der Schulleiter hospitiert und entscheidet- Kriterien sind abrechenbar) usw. Auch SuS kann man befragen. Da darf man natürlich nicht fragen, "kannst du den leiden?", sondern "Bekommst du Unterstützung beim Lernen", "Ist im Klassenraum angenehme Atmosphäre zum Lernen", "Wir werden auf Prüfungen / Klassenarbeiten gut vorbereitet." "Die Lehrerin macht die Notengebung bei den schriftlichen Noten nachvollziehbar.","Die Lehrerin erklärt verständlich und klar, dass ich alles Wichtige gut verstehe oder begreife.","Bei Problemen kann ich nachfragen und die Lehrerin nimmt sich Zeit, mir das noch einmal zu erklären." Für mich ist es jedenfalls total ärgerlich, dass die, die nach 6 Stunden Unterricht, den Bleistift fallen lassen und das gleiche Geld bekommen, wie die, die engagiert sind. Und leider gibt es von der anderen Sorte auch genug und da leiden Kinder ein Leben lang darunter. Sicher wird es da auch Ungerechtigkeiten geben. Aber sicher nicht eine solche Gleichmacherei wie es jetzt ist. Brennpunktschulen kann man auch klar definieren. Machen wir uns nichts vor- jeder kennt sie. Wenn ich da mehr Geld verdiene, würde ich auch dort hingehen. Ich habe 20 Jahre im sozialen Brennpunkt gearbeitet. Ich bin dort sehr gut mit den SuS klar gekommen. Aber ich merke jetzt doch, dass es an einer Dorfschule viel ruhiger ist. Ich glaube auch, dass dann an Brennpunktschulen die besten LehrerInnen hingehen würden. Bei der jetzigen Situation, wo sich jeder die Schule aussuchen kann, sind dann dort eher Leute, die nicht NEIN sagen konnten oder die als Wanderpokal von Schule zu Schule gereicht werden. Es gibt dann an den Brennpunktschulen eine hohe Fluktuation usw. Ich finde auch, dass man die Verbeamtung von dieser Leistungsorientierung trennen sollte. Beides hängt nicht explizit zusammen. Auch die angestellten LuL können nicht entlassen werden und da gibt es auch solche, die haben die Bezeichnung LehrerIn nicht verdient. Was die Verbeamtung im Besonderen betrifft, erschließt sich mir auch nicht, warum man als LehrerIn verbeamtet werden sollte. Aber aus meiner Sicht wäre ich schön blöd, wenn ich das Angebot des Landes nicht annehmen würde. Aber ich kenne auch Leute, die sich nicht verbeamtet lassen haben, weil sie die Verpflichtungen eines Beamten nicht eingehen wollten (auch wenn diese Verpflichtungen m.E. nur auf dem Papier stehen). |
| in unserer Schule | | von: amann
erstellt: 11.05.2023 21:49:43 geändert: 11.05.2023 21:50:06 |
wäre das Punktesystem schnell erstellt. Wer seinen Unterricht mit dem Tablet macht, bekommt 50 Punkte. Wer alle seine Schüler dazu bringt, nicht mehr auf Papier zu schreiben, sondern ins iPad, bekommt noch mal 50. Ich bekäme 0. |
| Ach ohje, was für ein Thema! | | von: janne60
erstellt: 12.05.2023 12:21:38 geändert: 12.05.2023 15:43:46 |
Also vorab: Wenn nach Leistung bezahlt würde, bin ich massiv unterbezahlt . Und so denkt vermutlich jeder. Als SL würde ich den Teufel tun wollen, Leistungspunkte an die Lehrer zu verteilen. Was, wenn LK 1 den Stift nach der 6. Stunde fallen lässt, weil sie nach Hause rennen muss, um dort die kleinen Kinder zu versorgen? Was wenn LK 2 Punkte dafür bekommt, dass sie immer lange da ist, was aber auch bedeuten kann, dass sie ein schlechtes Zeitmanagement hat? Caldeirao, ich finde es auch schwierig, das Engagement immer an der Sichtbarkeit der Lehrkraft festzumachen. Einer, der schnell vom Hof verschwindet, kann dennoch von großem Wert sein, weil er die Sportwettkämpfe betreut, regelmäßig mit den Kindern zu Turnieren fährt und dafür sorgt, dass auch hier die Talente zutage treten können. Zuweilen beneide ich auch Kollegen, die die Schule nach dem Läuten erstmal abschütteln können und auch nicht jedes Problem mit nach Hause nehmen. Ich werde nicht zum besseren Lehrer, wenn ich den ganzen Tag an schulischen Belangen rumdenke. Ich habe an meinem System regelmäßig unter 25-30 Kollegen EINEN, auf den wir gut verzichten könnten. Klar muss so jemand vom System mitgetragen werden, klar verdient der genauso viel wie alle anderen. Ich finde es aber grundsätzlich für mein persönliches Seelenheil schädlich, danach zu schielen, was andere haben. Ich sehe, was ICH verdiene und ob ich damit rumkomme. Das tue ich, und auch nicht schlecht, und ansonsten wird es immer jemanden geben, der mehr hat, damit kann ich mich gut abfinden. Wer mit dem Beamtentum hadert, hat vielleicht grundsätzlich ein Problem mit dem Dienen. Wir sind nunmal Diener unseres Dienstherrn. Ich finde es jedoch ziemlich blauäugig, erstmal die Urkunde zu unterschreiben und sich dann zu wundern, WAS man da für einen Pakt eingegangen ist. Das überlegen sich übrigens viele nicht vorher und viele Kollegen kennen sich in ihren Rechten und Pflichten gar nicht richtig aus. Für mich war es von großem Wert, dass ich als Beamter meinen Arbeitsplatz nicht verlieren kann. Aber auch das ist eine Typfrage. Ich stehe halt auf Sicherheit und daher ist es für mich in das passende Modell. Wenn das Beamtentum abgeschafft würde, könnten Schulen komplett bestreikt werden, während einer zähen Tarifrunde sogar richtig lange. Und was aus Schulschließungen erwächst, haben wir ja 2020 alle gut gemerkt. |
| Kann ja sein, dass sich das geändert hat... | | von: dafyline
erstellt: 12.05.2023 18:37:40 |
immerhin ist die Arbeit im Erwachsenenbereich ja nicht Landesdienst... Ein nicht zu unterschätzender Bereich ist (oder war??) tatsächlich die Finanzen: - Pragmatisierte Lehrkräfte sind nicht (so einfach) kündbar - wirklich ein Vorteil! - Vertragslehrer verdienen etwas mehr und bekommen auch eine Abfindung beim Ausscheiden aus dem Dienst, also auch Pensionsantritt. Hier ein Beispiel aus diesem Jahr - Gehaltstabellen sind in Ö öffentlich einsehbar https://www.goed.at/themen/gehaltstabellen-2023/lehrer-innen Das Ganze sehr vereinfacht - (Einstieg) Gehaltsststufe Entlohungsstufe pragmat. Vertragslehrer Verwendungsgruppe L 3 € 2.040,6 € 2.089,9 Auch wenn knapp € 50.- je Monat (beim Einstieg) relativ wenig zu sein scheinen - im Lauf der Jahre summiert sich das... Stimmt, ich war pragmatisiert und genoss von Anfang an das Privileg einer absolut guten Krankenversicherung, die mittlerweile auch Vertragslehrkräfte sehr zu schätzen wissen, das ist bezogen auf mein Bundesland. Stimmt, "NUR" Finanzen, doch auch ein Aspekt, den man in die Überlegungen Pragmatisierung in Ö / in D Verbeamtung einbeziehen sollte. Es gäbe noch etliche weitere Unterschiede... |
| Trotz | | von: hesse
erstellt: 13.05.2023 09:21:07 |
einiger Aspekte, die hier genannt wurden und die ich durchaus teile, bleibe ich ein Befürworter der Verbeamtung von Lehrkräften. Ich war vorher beim Staat und wollte wieder zum Staat. Die Verbeamtung war für mich ein entscheidender Punkt bei der Überlegung, ob ich ins Lehramt gehen werde. An meiner neuen Schule haben wir ein junges und sehr engagiertes Kollegium; natürlich gibt es auch hier die weniger "Guten", aber insgesamt sind alle sehr bemüht und willig. Viele tun wesentlich mehr, als sie müßten. Woran liegt das? Als ich mir überlegte, dort Stellvertreter des Schulleiters zu werden, hat mich beim Vorstellungsgespräch die Einstellung meines potentiellen Chefs überzeugt, der eine Kultur des Zu- und Vertrauens geschaffen hat: "Machen Sie, ich stehe dahinter!" Keine Angst davor, Fehler zu machen, Freiheit und Wertschätzung sind die Punkte, die mehr bewirken als jede "Leistungskontrolle." Die Folge: Die Kollegen sind offen und kommen mit Anliegen, Ideen und Vorschlägen zu mir bzw. meinem Chef und es macht Spaß zu sehen, was da alles entsteht - und wieviel man delegieren, also in die Hände des Kollegiums legen kann. Man muß als Schulleiter nicht alles steuern, sondern einfach Freiheit zulassen. Gemeinsam schaut man dann: Hat etwas geklappt oder nicht (so gut) geklappt. Und wenn nicht, dann guckt man, was das nächste Mal anders gemacht werden sollte. Ich sehe das daher wie Janne60 und Klexel. Ihr habt da m.E. was die Beurteilung nach Leistung angeht, die Problematik u.a. anhand des Beitrags aus Thüringen deutlich gemacht, als auch der grundsätzlichen Einstellung zum Dienen Aspekte angeführt (bzw. Du, Janne60), die ich zu 100 Prozent teile. Was es heißt, wenn Lehrer streiken dürfen, konnte man wiederholt in Frankreich betrachten - ich weiß nicht, ob wir das wirklich wollen... LG Hesse |
| faule Kolleg:innen | | von: fruusch
erstellt: 14.05.2023 16:19:44 |
gibt es doch überall, auch ohne Verbeamtung, auch in der "freien" Wirtschaft. Als ich noch dort gearbeitet habe, hatten wir in unserer Abteilung auch so 2-3 Minderleister, die einfach mit durchgeschleppt wurden. Was die Kriterien zur Beurteilung angeht, würde ich zu amanns Argumenten noch oben drauf setzen, dass eine solche Beurteilung komplett unmöglich ist, zumindest wenn sie auch nur ansatzweise fair sein soll. Da gibt es den Kollegen mit seinen Leuchtturmprojekten, der ständig lobend in der Zeitung erwähnt wird, der aber einen katastrophalen Unterricht macht und auch sonst keinen Finger krumm. Da gibt es die Kollegin, die keinerlei Sonderprojekte macht, und völlig unsichtbar im Schulbetrieb bleibt. Sie setzt alle Energie in einen hervorragenden Unterricht, bei dem die Schüler:innen nachhaltig etwas lernen. Da gibt es den Kollegen aus der erweiterten Schulleitung, der vor lauter Sonderaufgaben von höchster Dringlichkeit kaum noch dazu kommt, überhaupt mal ans Unterrichten zu denken - der aber trotzdem nur 2 Entlastungsstunden erhält. Sein Unterricht ist natürlich grottig. Da gibt es die Kollegin, die im Kollegium und bei den Schülern und Eltern total beliebt ist, ihre Kuschelnoten täuschen nur leider darüber hinweg, dass man bei ihr nichts lernt. Wie soll man das bewerten? Im Industriebetrieb, für den ich mal als Projektmanager gearbeitet habe, gab es für alle Mitarbeiter:innen jährliche Zielvorgaben, die die Höhe von sog. "Boni" (in Wirklichkeit eher variable Gehaltsanteile) bestimmten. 70% des Gehalts waren fest, 15% machten die persönlichen Ziele aus (da konnte man bestenfalls volle Punktzahl erreichen, ansonsten gab es weniger Gehalt) und weitere 15% waren an die allgemeine Geschäftsentwicklung gebunden (das konnte tatsächlich sogar mal einen Bonus geben). Die Ziele wurden in einem jährlichen Mitarbeitergespräch zusammen mit dem direkten Vorgesetzten "gemeinsam festgelegt", was hieß, dass der Chef die Ziele festgelegt hat und man sich abmühen musste, mit jeder Menge guter Argumente noch das Schlimmste zu verhindern. Sie waren grundsätzlich darauf ausgelegt, dass man Gehaltsabzug bekam. War das Sytem fair? Nie im Leben. War es leistungsbezogen? Auch nicht, auch bei den besten Mitarbeitern, die sich überall reingehängt haben, gab es Abzüge. Hat das System motiviert, sich zu engagieren? Ganz im Gegenteil, es sorgte nur für Frust und vergiftete nachhaltig die Stimmung in der Abteilung. Ich finde schon die offiziellen Dienstlichen Beurteilungen durch den Schulleiter höchst fragwürdig, um das Wirken einer Lehrkraft zu bewerten. Wenn die dann noch Auswirkungen auf ein Gehalt haben sollen... nein Danke. Das würde der Ungerechtigkeit bei den Beförderungen nur eine weitere Ungerechtigkeit bei der Bezahlung hinzufügen. |
| Ich schließe mich fruusch an. | | von: mitzekatze
erstellt: 14.05.2023 18:34:23 |
Hinzu kommt nach, dass es dann manchen KollegInnen schwerer fallen wird sich Hilfe bei Problemen im Unterricht u.ä. zu holen, weil man dann eine schlechte Beurteilung befürchtet. Oder jemand ist aus verschiedenen Gründen (z.B. Schwerbehinderung, keien Kapazitäten wegen Pflege von Angehörigen, ...) nicht in der Lage diese "Aussenwirkung" für die Beurteilung zu leisten. |
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