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Forum: "Mehr Lehrkräfte: Nur wie? Wie kommt der Lehrkräftemangel zustande?"
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| Mehr Lehrkräfte: Nur wie? Wie kommt der Lehrkräftemangel zustande? | | von: wanderpanda
erstellt: 31.07.2024 13:16:20 |
Hallöchen, es stehen Wahlen an, und die SPD wirbt mit "Mehr Lehrer." Hab mir im Wahlprogramm auch mal die Punkte angeschaut, mit denen sie den Mangel bekämpfen wollen. Ich habe aber so das Gefühl, dass die Politik immer die falschen Punkte angeht - oder ich bin noch zu unerfahren. Daher: 1. Wie kommt (eurer Meinung nach) der Lehrermangel zustande? Was macht den Job für viele so unattraktiv? 2. Was müsste sich ändern? Oder geht ihr mit den Punkten aus dem Wahlprogramm mit? Schreibt gerne dazu, ob ihr bereits "vollständige" Lehrkraft seid (bzw. seit wann), noch im Ref oder Studi (gerne mit Semester). Vielleicht kennt jemand aus dem Umfeld Personen, welche entweder in den Beruf wollten, sich jedoch umentschieden haben, oder das Studium vorzeitig beendet haben/nach dem Stex 1 nicht weitergemacht haben. Derer Meinung würde mich auch super interessieren. Liebe Grüße! |
| Weil Politik immer für 4 Jahre plant | | von: caldeirao
erstellt: 31.07.2024 13:41:28 geändert: 02.08.2024 00:30:31 |
Für Brandenburg: Wir haben etwa 2000 in den Lehrerzimmern gesessen und uns gefragt, wie es in 10 Jahren weiter gehen soll, wenn viele LuL in Rente gehen und kein Nachwuchs da ist. Ich war fast 20 Jahre die Jüngste im Lehrerzimmer. Es wurden bis kurz vor 2010 so gut wie keine LuL eingestellt. Wer studiert schon für die Arbeitslosigkeit. Das hatte natürlich Auswirkungen auf die Studienplätze. Sie schrumpften zusammen. Mein Neffe wollte etwa 2020 mit einem Lehrerstudium (Sachsen) beginnen. Keine Chance, er hätte ein NC von 1,7 gebraucht. Davon war er weit entfernt. Ich glaube aber, dass er ein guter Lehrer geworden wäre. Nun versucht man krampfhaft LuL zu finden- bei uns sogar durch Radiowerbung. Jeder der nicht bei 3 auf dem Baum ist, wird LoL. Ob geeignet oder ungeeignet, das ist ganz egal. Ob das Seiteneinsteiger oder Referendare sind. Manchen sieht man meilenweit an, dass das nichts wird. Die sind früher mal durch Prüfungen gefallen. Heute kann man sich das gar nicht mehr leisten. Und das Problem ist, sie besetzen für Jahrzehnte eine Stelle. Mein Vater hat immer gesagt: "Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen." Das wäre jetzt angebracht. Die Lösung ist aber aus meiner Sicht nicht, dass die Klassen voller werden, die Förderstunden gestrichen werden, jeder Lehrer werden kann, die Lehrer nicht mehr in ihren wohlverdienten Ruhestand dürfen usw. Es bräuchte Mut für ungewöhnliche Maßnahmen, um mit dem klar zu kommen, was man hat. Aber kein Politiker wird irgendein Experiment wagen. Schon mit der Idee, die nicht in den Kram passt, ist er weg vom Fenster. Was macht den Beruf so unattraktiv? Ich finde den Beruf des Lehrers nicht so unattraktiv. Man hat ein gutes und sicheres Gehalt, viele unterrichtsfreie Zeit, relativ flexible Arbeitszeiten, was die Tagesgestaltung betrifft- daher auch relativ familienfreundlich, eine abwechslungsreiche Arbeit usw. Schwierig ist aus meiner Sicht die gesellschaftliche Situation, die sich in der Schule relativ schnell abbildet. Bei Situationen, die man mit pädagogischen Mitteln nicht löen kann, sondern durch unterschiedliche Wertevorstellungen verursacht werden, steht der Lehrer alleine da. Er ist der Situation schutzlos ausgeliefert. Ein Beispiel mal nicht aus der Ausländerkiste. Eine ehemalige Kollegin, jetzt Schulleiterin, hat den Sohn eines Reichsbürgers in der Schule. Der Vater hat nichts Besseres zu tun, als ständig irgendwelche Beschwerden zu schreiben, behauptet Dinge die nicht stimmen, dreht das Wort im Munde um usw. Sie als SL muss dann eine Stellungnahme nach der anderen schreiben. Die Schule wird pausenlos beschäftigt. Alle gucken zu. Das Schulamt meint dazu, dass das zur freien Meinungsäußerung dazu gehöre. Unterstützung bekommt sie keine. Wie sich der Junge in der Schule benimmt und welche Leistungen er erbringt, kann sich jeder sicherlich vorstellen und jede Maßnahme wird torpediert. |
| Du | | von: stopherl
erstellt: 01.08.2024 14:07:06 geändert: 01.08.2024 14:14:24 |
bist aus Sachsen... Naja, Lehrermangel gibt es überall, aber im Osten würde ich ja mal gar nicht unterrichten wollen. 30% AfDWähler.... |
| Echt? | | von: maik86
erstellt: 01.08.2024 14:41:35 geändert: 01.08.2024 15:22:39 |
Was hat die Anzahl der AFD Wähler mit dem Thema Lehrkräfte zu tun? Genau solche Aussagen schädigen dem System nur noch mehr. Fakt ist, das die Anforderungen immer schwieriger werden (mehr gewalt und Probleme, Kinder aus sozial schwachen Gefilden benötigen immer mehr aufmerksamkeit, Fehlende oder zu wenig gut ausgebildete Sozialpädagogen, keine Gelder für die Bildungseinrichtungen, etc.), gerade in den Mittelschulen. Der Lehrerberuf ist für viele nicht mehr Interressant oder manche Fühlen sich den Aufgaben nicht gewachsen. |
| oh, oh | | von: caldeirao
erstellt: 01.08.2024 15:49:49 |
@stopherl: Wie soll sich jetzt ein Ossi fühlen? Solche Menschen will ein/e Lehrer/in aus dem Westen nicht mal unterricht? - Ich hoffe, das ist eine Einzelmeinung @lupi: auch das meine ich mit gesellschaftlichen bzw. politischen Einflüssen. Diese Kinder bzw. Jugendlichen und deren Vorfahren sind ja nicht per sè schlechte Menschen, nur was die Gesellschaft bzw. deren Verhältnisse daraus machen, fördert die einen oder anderen Verhaltensweisen, die wir als unannehmbar empfinden und ein Unterrichten fast unmöglich machen. |
| Erfahrungen aus Hamburg und Schleswig-Holstein und darüber hinaus | | von: ulisoz
erstellt: 01.08.2024 20:35:04 |
Mit „darüber hinaus“ möchte ich auf meine beruflichen Erfahrungen verweisen, die ich in 35 Jahren als Berufsoffizier gesammelt habe. Mein großes Thema ist „Menschenführung“. Sie findet in allen Ebenen unserer Gesellschaft statt, im Häuslichen, in der Schule, im Beruf, in der Politik und natürlich auch bei sich selbst. Kurz zu mir: Ich bin Seiteneinsteiger. Nach meiner Pensionierung hatte ich mich in Kiel und Hamburg als Vertretungslehrer beworben. Man hat meine militärischen Referenzen als Lehrer anerkannt. Seit dem darf ich an Gymnasien und Gesamtschulen in Hamburg und Schleswig-Holstein unterrichten (ausgenommen Abitursklassen). In den letzten 10 Jahren begann mein Engagement fast immer als Vertretungslehrer und führte dann zu Jahresverträgen und darüber hinaus. So viel scheine ich also nicht „falsch“ gemacht zu haben. Alle hier vorgebrachten Argumente kann ich gut nachvollziehen, besonders den Verweis auf die Gesellschaft als die eigentliche Ursache, warum Lehrer, Kinder und Eltern es so schwer haben. Ich habe sehr schnell begonnen, meine Erfahrungen als Lehrer in kleinen Geschichten aufzuschreiben. Geschichten zu gesellschaftlichen und politischen Themen folgten. Sie sind meines Erachtens alle mit dem großen Thema Menschenführung verbunden. Die Not, die wir heute an Schulen erleben, ist für mich kein Managementproblem, sondern ein kulturelles. Die Postulate der Leistungsgesellschaft haben Menschenführung in allen Bereichen auf Zwecke reduziert. Dabei ist das Eigentliche, Menschenliebe, verloren gegangen. Ich habe in diesem Sinne eine Auswahl meiner Geschichten in Buchform gebracht und veröffentlicht. Es wird hier vorgestellt. Die Leseprobe erklärt, worum es geht. P.S. Sollte jemand Interesse haben und scheut die Geldausgabe, ich habe noch eigene Probe-Exemplare, die ich gern verschenke. Mir geht es nicht ums Geld verdienen, sondern um die Botschaft. |
| Arbeitszeiterfassung | | von: palim
erstellt: 02.08.2024 23:17:38 |
Ich habe nicht den Eindruck, dass Lehrkräfte viel Freizeit hätten. Die Arbeitszeitstudien zeigen deutlich, dass dem nicht so ist, sonderen viele Lehrkräfte weit mehr als 40 Stunden arbeiten. Aber eine Arbeitszeiterhebung und den entsprechenden Ausgleich gibt es vorerst nicht. Die Unterrichtszeiten sind vorgegeben, kurzfristig frei zu nehmen für etwas anderes ist kaum oder nie möglich, je nach Schulleitung. In anderen Bereichen hat man zumindest die Chance, sich entwickeln zu können, das ist in der Schule sehr begrenzt und in Grund- und SekI-Schulen noch weniger möglich, es sei denn, man möchte Schulleiter:in werden. Dass die Einstellungen nicht zum Bedarf gepasst haben, dass man die Zahlen heruntergerechnet hat, die Unterrichtsversorgung aber rauf, dass keine Reserven im System sind, kommt alles noch hinzu. Arbeitskräfte sind rar, da suchen sich die jungen Erwachsenen eben das, was ihnen besser gefällt und weniger aufreibend ist. In der Schule müsste sich etliches ändern, um den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten. Statt "das kann doch jeder" müsste man die Professionalität der Lehrkräfte stärken, indem man ihre Aufgaben festsetzt und anderes an andere Kräfte abgibt, indem man die Expertise der Lehrkräfte schätzt und nicht fortwährend in Abrede stellt. Es sollte deutlich werden, dass man die Lehrkräfte gerne halten möchte, dann wird man auch neue finden. |
| Eine Ursache von vielen: | | von: amann
erstellt: 03.08.2024 15:19:30 |
Nicht nur Lehrer fehlen. Ingenieursmangel wurde seit langem diskutiert, Pflegekräfte werden gesucht und auch in Afrika und Südamerika rekrutiert, Bäcker gibt es keine mehr und kürzlich hörte ich, dass sogar die Friseure keinen Nachwuchs mehr haben. Eine Population kann ihren Bestand erhalten, wenn pro Paar bzw. pro Frau etwas über 2 Kinder geboren werden. In Deutschland sind es seit langem knapp 1,5. Die Lehrer und alle anderen Facharbeiter fehlen also auch, weil sie nie gezeugt und geboren wurden. |
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