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Forum: "Homosexualität"
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| Homosexualität | | von: stella73
erstellt: 03.02.2005 19:11:45 |
Ich unterrichte eine 7. Klasse Oberstufe in Deutsch (AHS) und obwohl diese Klasse als sehr "brav" und fleißig bekannt ist, stelle ich in letzter Zeit immer wieder fest, dass das Klassenklima völlig unterm Hund ist.
Es gibt in der Klasse zwei Schüler, die optisch leicht als homosexuell eingestuft werden könnten und es vielleicht auch sind - was dazu führt, dass eine Burschen-Viererbande verbal massiv auf sie losgeht. Im Unterricht nur unterschwellig und kaum zu erfassen (wie gesagt, eine eifrige und durchaus intelligente truppe, die sehr bedacht auf gute noten ist). in den pausen schon heftiger. heute habe ich einen schüler zurecht gewiesen, der laut "schwuchtel" gerufen hat, woraufhin ein anderer schüler des kleeblatts mich daran erinnert hat, dass ich "die einstellung der SuS respektieren müsse und sie nicht beeinflussen dürfe" - in gewohnt höflichem ton, der keinen zweifel am respekt des schülers vor mir ließ. ich bin nun sehr im zwispalt - denn grundsätzlich kann ich gut mit den jungs arbeiten, aber es entspricht nicht meiner natur, hier die augen zuzumachen. in der unterstufe bin ich dieses thema immer mit einem sehr fröhlichen film angegangen und hatte gute erfolge, auch in der anschließenden diskussion. in der oberstufe wurde ich bis jetzt gar nicht mit einer derartigen homophobie konfrontiert.
was könnte man hier tun - ohne das thema zu auffällig in angriff zu nehmen, denn ich möchte ja auch niemanden bloßstellen und für noch mehr "mobbing" sorgen. |
| Hei stella, | | von: hesse
erstellt: 04.02.2005 18:54:24 |
Du bekommst eine Stellungnahme, weil ich finde, das, was du erlebst, ist sehr, sehr wichtig.
Wir Lehrer haben einen Erziehungsauftrag und, damit verbunden, auch eine Vorbildfunktion.
Völlig klar und damit auch in keinster Weise diskutabel ist, daß wir gegenseitig Toleranz üben müssen. Sonst sind wir auf dem Weg in eine totalitäre Gesellschaft!
Das Verhalten Deiner Schüler ist intolerant und völlig unakzeptabel! Da mußt du eingreifen! Und Deinen Schülern solltest du deutlich machen, daß Ihre Einstellung bzw. das Recht darauf Grenzen hat - und die liegen dort, wo die Würde eines anderen Menschen beginnt. Alles andere ist falsch verstandene Toleranz.
Unabhängig davon, daß es nur reine Vermutungen aufgrund von Äußerlichkeiten sind (was im schlimmsten Fall zu Verleumdungen führt), weißt Du, daß Jugendliche in der Pubertät auch sexuell nach Orientierung suchen. Selbst homosexuelle "Ausflüge", so sie denn überhaupt stattfinden, machen noch lange keine sexuelle Neigung. Und selbst wenn! Deswegen ist jemand kein besserer oder schlechterer Mensch!
Laß keinen Zweifel daran, daß du Intoleranz nicht tolerierst, auch wenn Du damit das Verhältnis zu diesen Schülern auf eine harte Probe stellst.
Opfer leiden nicht nur unter der Tat, sondern auch darunter, daß sie keinerlei Hilfe und Unterstützung erhalten!!!
Wenn Deine Schüler wirklich intelligent sind, sollten sie einsehen, daß sie kein Recht haben, andere zu beleidigen.
Was stört sie so an Homosexualität? Wissen sie überhaupt, was das eigentlich ist? Daß die Hochkultur der Antike Homosexualität als etwas Normales ansah und praktizierte?
Vielleicht ist es auch einfach Unwissen. Wenn du ein paar Bilder von Menschen hast, die homosexuell sind, mische sie doch mal mit einigen von Menschen, die bisexuell und heterosexuell sind. Mal schauen, wie hoch die "Trefferquote" Deiner Schüler ist.
Normalerweise sieht man Homosexualität nämlich Keinem an...
Ich weiß nicht, ob ich dir helfen konnte. Ach ja, eines noch: Am Besten wäre es, wenn es Dir gelänge, daß Deine Schüler selbst herausfinden, wie idiotisch ihr Verhalten ist (siehe Bilder-Beispiel). Versuche Dich dabei zurückzunehmen, Belehrungen wirken da kontraproduktiv. Davon bleibt natürlich das, was ich zu Beginn geschrieben habe, unberührt.
Viel Erfolg!!
LG
Hesse
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| vielen lieben dank für deine worte, hesse | | von: stella73
erstellt: 06.02.2005 13:26:17 |
ich habe versucht, mit dem klassenvorstand über das problem zu reden - und er hat gemeint, wir sollten uns da nicht zu sehr einmischen. was toll ist, denn nun steh ich ja mal wieder alleine da. aber ich kann nur aus tiefsten herzen zustimmen - jedem deiner worte. ich habe schlaflose nächte gehabt, nach diesem vorfall.
seit tagen suche ich nach filmen, die sich mit der thematik beschäftigen; ebenso suche ich songtexte - von interpreten, die den SuS imponieren und die für sie eine vorbild-wirkung haben. sehr genial von chumbawamba "homophobia".
es ist halt total schwer, weil meine selbstsicherheit vor den SuS teilweise noch so eine gespielte ist. ich habe so angst vor verbalen übergriffen während solcher diskussionen, es wäre mir wirklich lieber, ich hätte ein wenig unterstützung. aber es ist definitiv so, dass ich dieses thema nicht totschweigen möchte - also augen zu und durch!!
vorher ferien.... |
| Schade, daß dich der Klassenleiter | | von: hesse
erstellt: 07.02.2005 14:21:57 |
so im Regen stehen läßt, aber laß Dich nicht unterkriegen.
Sicher ist es schwierig immer genau zu entscheiden: "Muß ich mich da jetzt einmischen - oder lieber nicht?" Aber bei so etwas stellt sich mir - nach Deiner Schilderung zumindest - diese Frage überhaupt nicht. Mein Verständnis für den Klassenlehrer pendelt sich daher so am Gefrierpunkt ein.
Ich denke, Du solltest Dich gerade hier so zeigen, wie Du Dich fühlst: Betroffenheit, daß ausgerechnet Schüler, die Du bis jetzt geschätzt hast, so daneben sind, oder auch Zorn über soviel Gehässigkeit und Abgebrühtheit.
Die Schüler merken, daß Du "echt" bist in Deinen Gefühlen. Einige wird das beeindrucken - andere bestimmt nicht. Aber gerade wenn Dich die Schüler auch mögen (wovon ich jetzt einfach mal ausgehe), hast du hier vielleicht einen Hebel zum Ansetzen.
Habt Ihr keinen Vertrauens- (bei uns Verbindungs-)lehrer oder vielleicht einen Religions- bzw. Ethiklehrer, der da ein Ansprechpartner für Dich wäre und evtl. ein paar Tips für eine entsprechende Unterrichtseinheit hätte? In diesen fächern werden solche themen doch immer wieder aufgegriffen.
Ich drücke dir die Daumen
Liebe Grüße
Hesse
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| Zwischen Theorie und Praxis | | von: hesse
erstellt: 08.02.2005 10:06:21 |
liegen in aller Regel Welten. Das ist so ähnlich wie der Erste Hilfe Kurs für Autofahrer: In der Theorie können wir's alle...
Außerdem sind Du und ich doch nur unvollkommene, schwache Wesen, das hast Du ja gerade selbst an Dir erleben müssen: Selber solche Erfahrungen gemacht, voller Vorsätze - und trotzdem "versagt" man ausgerechtnet in einer Situation, auf die man eigentlich vorbereitet ist (vielleicht sogar insgeheim gewartet hat, um seine eigenen bösen Geister zu bannen), und bekommt das u.U. selbst erst nach und nach mit, oder soll ich sagen: Gesteht sich das selbst ein?
Genug (pseudo)psychologisiert: Selbstanklage - u.v.a. schlaflose Nächte - sind sicher nicht das geeignete Mittel, um die Situation in den Griff zu kriegen. Du kannst nun mal nicht alles Übel auf dieser Welt auf Deine Schultern nehmen, das muß jeden auf die Dauer erdrücken (Ich weiß, daß das kein Trost ist, aber dennoch). Du hast ja noch ein Privatleben, und das sollte nicht zu sehr unter den beruflichen Problemen leiden, sonst schaffst Du Dir am Ende noch selbst welche, statt eines zu lösen...
Liebe Grüße
Hesse |
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