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Forum: "Lektüretipp!"
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| Lektüretipp! | | von: suziq
erstellt: 01.05.2005 20:57:08 |
Hi!
Ich lese gerade mit meiner 10. Klasse den Briefroman "The Perks of Being a Wallflower" von Stephen Chbosky, den ich nur empfehlen kann. Es handelt sich um Briefe eines High School Schülers, in denen er beschreibt, wie er mit dem Erwachsenwerden fertig zu werden versucht. Es werden Themen behandelt wie Familie, Freundschaft und Liebe (natürlich), Sex, Drogen, usw., aber auch andere Tabuthemen wie Vergewaltigung, Missbrauch, Psychosen... Ziemlich starker Tobak zum Teil, und man muss natürlich überlegen, ob man als Lehrer/in darüber in der Klasse sprechen will oder die Klasse das überhaupt kann. Meine S haben anfänglich etwas verschämt gekickert, als Themen wie Masturbation u.ä. aufkamen; inzwischen gehen sie damit aber ganz locker um. Das Buch ist natürlich auch (evtl. noch besser) für die Oberstufe geeignet. Es gibt eine Ausgabe in der Senior English Library von Cornelsen mit Annotations und einer Lehrerhandreichung mit Analyse und Unterrichtsideen.
Viel Spaß
Meine 10. ist also versorgt; ich suche jetzt noch eine Lektüre für die 9. Habt ihr in letzter Zeit etwas Empfehlenswertes gelesen? Ich freue mich auf eure Tipps!
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| annotations | | von: cyrano
erstellt: 05.05.2005 18:25:16 |
Solange "annotations" landeskundliche oder lexikalische Hilfestellung anbieten, die nicht einmal der Lehrer parat haben kann, mag das angehn. Ein aufwendiger Apparat von Anmerkungen verrät jedoch unweigerlich, daß der gewählte Inhalt überflüssig esoterisch ist, die Lektüre erschwert und den Erwerb der primären fremdsprachlichen Kompetenz behindert. Daß es mit praktischem, lebensnahem Fremdsprachen-Können an deutschen Schulen nicht weit her ist, wissen wir nicht erst seit Butzkamm ("Psycholinguistik des FU").
Was die Notengebung angeht: ich fand Zensuren für Stellungnahmen der Schüler in moralischen oder weltabschaulichen Fragen - sei es auf Pidgin-Schulenglisch oder auf deutsch - schon immer problematisch. Emotional kommt der Lehrer nicht umhin, spontane wie auch fundierte Äußerungen insgeheim abzuwerten, sobald sie nicht seiner vorgefaßten Meinung entsprechen. Ich habe auch Kollegen erlebt, die sich nicht scheuten, die Meßlatte für Noten im FU ausschließlich hier anzulegen und dies auch nach außen zu erkennen zu geben. Der Vorgang der Interpretation von Texten - erst recht in der Zielsprache - ist m. E. grundsätzlich problembehaftet. Aber die Diskussion dieses total unergiebigen und weltfremden Anforderungsbereiches verdient ein eigenes Forum
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| Ich denke | | von: kfmaas
erstellt: 05.05.2005 22:53:01 geändert: 05.05.2005 22:55:11 |
es steht recht gut um die Sprech- und Sprachperformanz unserer Schüler, so dass man ihnen auch einmal einen etwas schwierigeren Text zumuten kann im Sinne von fordern und fördern. Annotationen sind ja im Endeffekt nur verkürzte Lexika und Trainingseinheiten zum Lesen eines Buches mit Wörterbuch.
"Aller Spracherwerb steht im Zeichen der 'natürlichen Künstlichkeit' des Menschen." ist bei Butzkamm zu lesen und Psycholinguistik untersucht, was in der Psyche eines Menschen vor sich geht, wenn er spricht und ob er das, was er ausdrücken will, tatsächlich in Wörter, Sätze, Töne (Intonationskurven) Lautstärke (stress) usw bringen kann, damit sein Sprachhandeln erfolgreich ist. Ich denke auch, dass das Offenlegen von Gefühlen und intimen Gedanken sehr schwer ist, wenn jedoch ein Lehrer es hinkriegt, dass sich die Schüler äußern, dann äußern sie sich meist auch authentisch. Die Bewertung von Meinungsäußerungen mag Mitte des letzten Jahrhunderts vielleicht noch ein Problem gewesen sein, heute werden jedoch klare Kriterien wie Ausdrucksweise, Gliederung und Gebrauch des richtigen Registers im Vordergrund stehen. Mir ist z.B. die geäußerte Gesinnung völlig gleichgültig.
Ich finde suziq und ginnie mutig.
LG kfmaas
Was machst du im Beichtstuhl, cyrano? Ich habe das nicht richtig verstanden |
| "heute werden jedoch klare Kriterien wie Ausdrucksweise, Gliederung und Gebrauch des richtigen Registers im Vordergrund stehen" | | von: cyrano
erstellt: 06.05.2005 11:42:42 geändert: 06.05.2005 11:44:05 |
Schön wär's. Meine Gutachterpraxis zeigt das genaue Gegenteil. Aber der Glaube kann Berge versetzen. Auch der an die Sprechkompetenz von Schülern.
In der 10. Klasse Interpretation in der Zielsprache durchzuführen - allerorten inzwischen üblich - ist eine komplette Überforderung. In dem Schuljahr sind Schüler kaum in der Lage, sich zusammenhängend zu banalen Alltagsthemen zu äußern. Ihnen differenzierte Stellungnahmen zu entlocken zu schwierigen zwischenmenschlichen Fragen dürfte eine gewaltige Toleranz auf Seiten des Lehrers voraussetzen, sowie eine permanente sprachliche Überformung (im Sinne Butzkamms). Ich glaube allerdings eher, daß solches Vorgehen dazu geeignet ist, Schüler endgültig zu entmutigen.
Neulich durfte ich erleben, wie eine Schülerin der 7. Klasse (in Worten: siebten) aufgerufen war, eine Langzeithausaufgabe zu einem soziologischen Text (Einwanderungsprobleme in Australien) zu erledigen. Die Analyse war m. E. gut gelöst, was auch nicht verwunderlich war, denn sie war stellvertretend verfaßt worden von einer Anglistikstudentin, die die Eltern in ihrer Not zu Rate gezogen hatten. Benotet wurde die Arbeit schließlich mit "4+".
Demnächst haben wir wahrscheinlich Doktoranden mit 10.
Gruß
jp |
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