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Forum: "Müssen Schüler unter Amateuren leiden?"
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| Müssen Schüler unter Amateuren leiden? | | von: cyrano
erstellt: 30.05.2005 21:32:33 geändert: 30.05.2005 21:44:55 |
Unter http://www.kfmaas.de/ger_pra2.html wird im Forum Englisch unten abgebildete "Übung" veröffentlicht, vermeintlich zur Einübung des Gerunds.
Der Test - denn darum handelt es sich tatsächlich - ist ein Paradebeispiel für fehlgeschlagene Methodik, die eine komplette Desorientierung des Schülers zur Folge haben dürfte. Übungswert: Null. Das Ding beweist einmal wieder mehr, wie selbstherrlich, unüberlegt und leider auch unprofessionell einige unserer Kollegen vorgehen, wenn es darum geht, einzuüben (bzw. abzutesten), was sie vermutlich noch nicht einmal konsequent vermittelt haben. Die folgende kurze Analyse stellt dies hoffentlich unter Beweis.
Hier ist der Originaltest:
Practise some gerunds:
Can you fill in the gaps?
For some reasons X-ing Gerund has been ................ great difficulty in ................ ................ lately. Last night he thought it might help if he went to bed even earlier than usual. So at 9.30 he lay down, closed his eyes hopefully, and began ................sheep. ................ of all those energetic little animals ................over fences made him ......... energetic himself, so he stopped ................, went downstairs and found the most ................ book he had. It was a book ................ 'Home Rug-................'. At the end of an hour he had become quite interested in ................ rugs. He put the book down in desperation. Then he remembered someone ................ him once that if he repeated "Sleep" often enough, it would finally come. 15 minutes later the people in the bedroom above him tapped angrily on the floor.
At 2 o'clock he took a ................tablet. It had absolutely no effect.
At 3 he got up and walked around his room at least 20 times. At 4 he did a deep................ exercise. At 5 he stared at a spot on the ................ until his eyes began ................
At 6 his eyes began ................heavy and, finally, he dropped off. His alarm-clock rang at 7. This morning at work his boss looked at him gravely, shook his head, and said in a critical tone of voice: "See here, Gerund, you have been ................very tired lately! Obviously, you haven't been ................ enough sleep. I really think you ought ................ ................ to bed earlier!"
Say why these and no other forms are used. State whenever another solution is possible.
Perhaps you need some hints? Here are most of the original verbs. Mark the following lines with your mouse to make the solution appear!
Start here! to have, to get (2), to sleep (2), to count (2), to think, to jump, to bore, to feel(2), to call, to make (2), to tell, to breathe, to ceil=to furnish with a lining (the overhead inside lining of a room) , to hurt, to look, to try, to go This is the ending.
(Ende der Original-Aufgabenstellung)
Spaßeshalber versetze ich mich mal in die Rolle eines Schülers und versuche, den Test zu lösen. Ohne mir besondere Mühe zu geben, das Setting zu erraten, das der Autor vor Augen hatte (Schlaflosigkeit).
For some reasons X-ing Gerund (wer ist das?) has been confronted with great difficulty in London ................ lately. Last night he thought it might help if he went to bed even earlier than usual. So at 9.30 he lay down, closed his eyes hopefully, and began to think of his sheep at home, of all those energetic little animals crying over fences made him ??? energetic himself, so he stopped -------, went downstairs and found (wäre looked for nicht angebrachter?) the most interesting book he had. It was a book on 'Home Rug-(Hier Angabe des Verfassers als Hilfestellung: to ceil=to furnish with a lining (the overhead inside lining of a room) . At the end of an hour he had become quite interested in ---------- rugs. He put the book down in desperation (besser: despair) . Then he remembered someone telling him once that if he repeated "Sleep" often enough, it would finally come. 15 minutes later the people in the bedroom above him tapped angrily on the floor.
At 2 o'clock he took a -------------- tablet. It had absolutely no effect.
At 3 he got up and walked around his room at least 20 times. At 4 he did a deep. knee-bending? exercise. At 5 he stared at a spot on the ear-lobe of his wife until his eyes began to hurt .
At 6 his eyes began to become heavy and, finally, he dropped off. His alarm-clock rang at 7. This morning at work his boss looked at him gravely, shook his head, and said in a critical tone of voice: "See here, Gerund, you have been ---------- very tired lately! Obviously, you haven't been allowed enough sleep. I really think you ought to go to bed earlier!"
Dieser Test enthält also maximal 2 (zwei) Gerunds, ohne daß man mit bösartiger Absicht vorgehen müßte, um dem Autor ein Bein zu stellen. Die Arbeitsanweisung lautete jedoch: Practise some gerunds.
Folgt man der streng präskriptiven Intention des Autors (verwende Gerund!), so bringt man natürlich soviele Gerunds unter wie möglich und läuft damit möglicherweise in eine Falle. Denn an einigen Stellen ist Partizip verlangt (der Form nach identisch), an anderen Infinitiv, anderweitig reicht eine Lücke. Diese Lücke zu lassen, entstellt an mindestens 4 Slots nicht unbedingt den Satzsinn.
Die Frage ist natürlich, was hier eigentlich dargestellt werden soll. Das Thema (Schlaflosigkeit und die Folgen) soll vom Schüler erraten werden. Getestet wird seine Fantasie, nicht sein grammatisches Verständnis. Stattdessen würde nichts dagegen sprechen, den Sachverhalt vorab zu schildern, notfalls auf deutsch. Der Lehrer gibt dabei kein Terrain preis.
Getestet wird außerdem Vokabular, bzw. die richtige Verwendung von (vorgegebenem) Vokabular. Unter diesen vorgegebenen Vokabeln befindet sich eine neue (to ceil), ein Umstand, der nach akzeptiertem akademischem Verständnis über Testen dem Testgeschehen zuwiderläuft. Tests sollten kein neues Vokabular enthalten.
Die Erklärung (annotation) für diese besondere (und recht seltene) Vokabel trifft im übrigen nicht den Sachverhalt, der hier angesprochen ist, denn es handelt sich um einen Teppichrand, nicht um inside lining of a room. Das ist lehrerproduziertes Chaos, in Medizinerkreisen sagt man iatrogen verursacht durch den Arzt vergeigt.
Um das Gerund tatsächlich zu üben, müßten ganz andere Übungsformen her.
Wie bereits bemerkt, handelt es sich hier nicht um eine Übung, wie der Autor vermutet, sondern um einen Test.
Eine Möglichkeit, die sich andeutet: Verben verwenden, auf die entweder Gerund oder Infinitiv folgen darf. Das würde heißen, man gibt einen Satz wie diesen vor: I began to work und läßt ihn umwandeln in I began working. Wahrscheinlich eine ziemlich stupide Angelegenheit, spätestens nach dem 3. Satz.
Jedoch wäre das immerhin ein produktiver Ansatz für den Schüler. Es gibt dummerweise nur eine Handvoll Verben der angesprochenen Art. Schaut man allerdings genauer hin, so ist nur eine der beiden Formen (Infinitiv ODER Gerund) obligatorisch verwendbar, je nach Sprecherabsicht, Anlaß oder Zeitbezug, um nur einige Variablen zu nennen. Die Illusion zu vermitteln, bei dieser Handvoll Verben sei es in jedem Falle egal, ob Infinitiv oder Gerund folge, ist gefährlich, führt den Schüler aufs Glatteis. Besser wäre es m. E., den kollokativen Charakter solcher Wortkombinationen zu betonen, also weniger auf die Grammatik abzuheben.
Eine zweite Möglichkeit wäre die kontrastive Einübung des Gerunds mit seinem Unterschied zum Deutschen. Denn, wie wir alle wissen, existiert diese Form im Deutschen nicht.
Hier ist wiederum eine klare Unterscheidung dringend nötig zwischen den diversen Verwendungsformen des Gerund: Gerund als Subjekt, als Objekt, mit und ohne Artikel, nach Verben, in präpositionalen Fügungen mit Verb / Nomen, Verb + Possessiv + Gerund etc., um nur einige zu nennen. Das ist keine Korinthenzählerei, es bedarf dieser präzisen Ansprache der einzelnen Verwendungsformen, und es spricht nichts dagegen, dies nach der althergebrachten Grammatik-Übersetzungsmethode zu trainieren. Denn alle Verwendung dieses neuen Phänomens sockelt zunächst auf der Erstsprache auf, bis es entsprechend automatisiert ist.
Ich sehe in der o. a. Übung wenigstens 4 (vier) verschiedene Anwendungen des Gerund. Daneben diverse Partizip-Formen und mindestens eine Verlaufsform, die hier nun wirklich gar nichts zu suchen hat (Obviously, you haven't been getting enough sleep.). Ebensowenig der Infinitiv, der hier einfach ein Bestandteil der ought to-Form ist, wie jeder weiß.
Die Aufforderung des Autors: Say why these and no other forms are used geht an der Sache vorbei. Der Gebrauch der einen oder anderen Form ist festgelegt, keine Verhandlungsmasse, bedarf also auch keiner Erläuterung. Es ist eher der Autor, der erklären müßte, warum er diesen katastrophalen Mix aus Gerund / Partizip / Verlaufsform / Infinitiv und Leerstellen anbietet.
Ähnlich sinnlos ist die Aufforderung: State whenever another solution is possible.. Denn sie geht, wie oben erläutert, an der grammatischen Wirklichkeit vorbei. Bei genauerem Hinsehen schält sich heraus, daß nur je EINE Lösung (solution) praktikabel ist.
Verwirrt wird der Proband außerdem durch die Vorgabe der Verben, so nett das auch gemeint war vom Verfasser dieses Tests. Denn selbstverständlich sind andere Verben denkbar, die Hülle und Fülle. Wahrscheinlich haben wir hier wieder einen typischen Fall von Alice im Wunderland:
When I use a word," Humpty Dumpty said, in a rather scornful tone, "it means just what I choose it to mean--neither more nor less."
"The question is," said Alice, "whether you can make words mean so many different things."
"The question is," said Humpty Dumpty, "which is to be master. That's all."
['Alice Through the Looking Glass', Lewis Carroll, 1872]
Um zusammenzufassen: Der Autor begeht mehrere Sünden, die ihre Spuren im Selbstbewußtsein der Schüler hinterlassen werden und damit in ihrem Lernfortschritt. In Wirklichkeit sind aber nicht die Schüler die Dummen, sondern der Meister, der vor der Tafel steht, hat seine Birne nicht genügend strapaziert. Was er demnächst besser hinkriegen muß, ist folgendes:
1 - klare Definition des Vorhabens
2 klare Trennung der Phänomene
3 Zuweisung an angepaßte Übungsformen
4 Beschränkung auf das, was durchgenommen wurde
5 Beschränkung auf das, was zu bewältigen ist
6 Verwirrung durch Mix der Phänomene vermeiden
7 Testform von Übungsform unterscheiden lernen
8 dem Schüler eine Chance geben zu erraten, was man von ihm will
PS.: Dies Ding habe ich mehrfach ändern müssen, weil der Eingabemodus umständlich ist (Fettdruck / Schrägdruck etc.). Man sieht die typografischen Mängel zu spät, nämlich, wenn das alles bereits im Netz ist. Andererseits ist sowas unverzichtbar. Kann man daran nicht was drehen, Reds? Z. B. mit einer Voransicht (wie z. B. bei www.wer-weiss-was.de"?) |
| Müssen Schüler unter Amateuren leiden? | | von: edlerverein
erstellt: 30.05.2005 22:32:27 geändert: 30.05.2005 22:42:43 |
Der Titel dieses Forums hat wenig mit seinem Initialbeitrag zu tun.
Selbstverständlich müssen Schüler hier und da unter Amateuren leiden, auch unter Cholerikern, Luschen, Unausgeschlafenen oder mit Mundgeruch oder Liebeskummer Behafteten. Fast wie im richtigen Leben.
Was hat das aber mit einer bestimmten Englisch-Übung von einer bestimmten Website respektive deren Demontierung zu tun?
Herzlich wenig.
Die Übung ist vielleicht nicht die beste, aber dass sie die bundesdeutsche Schülerschaft in Einsicht, Verständnis oder Motivation massiv geschädigt hätte, ist noch nicht aktenkundig geworden.
Sie wird also als Instrument benutzt um andere Ziele zu verfolgen.
Neben dem Verfolgen persönlicher Ziele schafft sie aber wieder einmal Unfrieden in einem Forum. Es handelt sich hier m.E. nicht um eine fruchtbare Spannung, die irgend jemanden weiterbringt, wie wir sie in vielen kontroversen Foren haben, sondern um eine Spannung, die nur Reibungs-Verluste bringt und die Atmosphäre vergiftet. Persönliche Schlammschlachten sollten hier außen vor bleiben, auch wenn einige Zuschauer sich genüsslich zurücklehnen und, bildlich gesprochen, die Kameras zücken ...
Letztlich wehre ich mich auch als Englisch-Co-Redakteurin dagegen, dass dies in einem Fächerforum stattfindet.
Sollte jemand ein Fächerforum starten wollen mit Regeln und Tipps für sinnvolle, gute Übungen und einer Abgrenzung zwischen Übung und Test (die Grenze verwischt wirklich bei vielen Materialien, auch in Lehrwerken!), mit Fallen, in die man tappen kann, bin ich begeistert dabei. Teile von cyranos Initialbeitrag sind hierzu geeignet, vielleicht sollten wir uns auf sie konzentrieren und ab sofort wieder einen fachlichen Diskurs führen.
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