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Forum: "Grundschulchat am Dienstag: Leistungserziehung-Soziales Lernen"
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| Herzlich Willkommen | | von: sth
erstellt: 06.11.2005 18:21:53 |
sind bei unserer Chat-Runde natürlich Kolleginnen und Kollegen aller Schulstufen.
In allen Schularten gibt es Lehrerinnen und Lehrer, die hart arbeiten und sich für ihre Schüler einsetzten.
Ich bitte alle Teilnehmer als mitverantwortliche
GS Chat-Redakteurin, harte Worte zu Hause zu lassen. Je härter die Worte, desto geringer die Gesprächsbereitschaft - zumindest die meine.
Es geht uns nicht darum, uns sagen zu lassen, was bei uns falsch läuft. Unser Ziel ist es, gemeinsam Ideen zu haben und im Interesse der Schüler an einem Strang zu ziehen.
Mit unserer Einladung zur Diskussion wollen wir uns nicht als Zielscheibe präsentieren. Unsere Aufgabe ist es, einen Bogen zu spannen zwischen den Kindern und ihren Fähigkeiten, zwischen Leistung, die gefordert wird und emotionalen Bedürfnissen, die sie haben. Unsere Schüler sind nämlich wirklich noch Kinder. Wer Grundschullehrer in ihrer Gesamtheit angreift, meint auch uns.
Es wäre schön wenn wir es schaffen, ein wenig Einblick in unsere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen und so keine Fronten aufzubauen und zu verhärten, sondern uns als Team zu sehen.
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| Protokoll | | von: rooster
erstellt: 09.11.2005 21:14:24 |
Grundschulchat vom 8.11.05
Das Thema war:
Soziales Lernen und Leistungserziehung - Gegensätze oder Aspekte?
Dieses Mal waren ausdrücklich auch Kollegen anderer Schulformen eingeladen (die sonst natürlich auch gerne teilnehmen dürfen.)
Beteiligt haben sich rhauda, sth, murmel730, rooster, igellady, meike, rfalio, hops, elgefe, Cath1, bibbe, chrisch, jaszo und Palim
Der Chat begann sehr pünktlich ohne das übliche Anwärmen, weil einige Interessierte nur einen Teil der Chat-Zeit bleiben konnten. Eröffnet wurde der Austausch mit dem Beschreiben der Erfahrungen mit 5.Klässlern: Sie rennen schreiend durch das Gebäude und kennen keine Grenzen, sie können nicht ruhig sein und längere Zeit arbeiten, sie können keine Arbeitsanweisungen umsetzen. Die neuen Beginner in der Sekundarstufe werden jedes Jahr schlimmer. Zusammenfassend: Was bringt die Grundschule Kindern bei? Warum können sie weniger als vor 10 Jahren?
Im Chat wurde deutlich, dass es in vielen Orten zu wenig Austausch über den Übergang und die Arbeit in den verschiedenen Schulformen gibt, woraus sich offensichtlich Missverständnisse oder Probleme ergeben können.
Für Niedersachsen ist die Situation neu, dass in Klasse 4 die Schüler an die weiterführenden Schulen abgegeben werden (2. Jahrgang ohne Orientierungsstufe). Dadurch wird vieles erst jetzt geregelt. Hinzu kommt, dass die Einführung sehr schnell und mit wenigen Vorgaben kam. Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen kam nur schleppend voran, Fortbildungen werden z.B. zur Beratung der Eltern werden erst jetzt angeboten ... verpflichtend für Lehrerinnen der 4. Klassen.
Schwierig ist, dass die Schulen nach verschiedenen Rahmenplänen arbeiten, die wenig abgestimmt sind. Ein Austausch zwischen den verschiedenen Anforderungen der GS und der weiterführenden Schulen ist nötig, findet aber auch nicht überall statt.
Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule wird mit Schnupperstunden betreut... in einigen Schulen gibt es diese Praxis auch für den Übergang von der GS in die weiterführenden Schulen.
Den Lehrern der weiterführenden Schulen fallen die neuen 5.Klässler durch ihr Verhalten auf:
Es wird berichtet, die Kleinen seien frecher, schlügen etc.
Ein Grund ist sicher, dass die Kleinen ihre Ängste darüber kompensieren und in einer neuen Umgebung versuchen, sich zu behaupten.
Ein weiterer Grund kann sein, dass sie aus einer recht persönlichen Atmosphäre der GS, an der jeder jeden Namen kennt, in ein großes, anonymes System kommt.
Möglich ist auch, dass die Schüler in der 5 zunächst ihre Grenzen testen, Grenzen, die ihnen in der GS klar gesetzt wurden und an denen immer wieder neu gearbeitet wurde.
Der andere Fall, dass schon in der GS manche Lehrer zu wenig an den sozialen Kompetenzen der Schüler arbeiten, tritt auch auf und macht sich im weiteren Schülerleben bemerkbar.
Auch die Umstände, die allgemein als veränderte Kindheit zusammengefasst werden, wurden in diesem Zusammenhang angesprochen (vor dem TV geparkte Kinder, veränderte Familienstrukturen, etc.)
Einige Kinder benötigen permanent starke Reize, um sich selbst überhaupt wahrnehmen zu können, haben Ruhe und Entspannung nicht kennen gelernt und müssen erst mühsam zu diesen Erfahrungen gebracht werden.
Dazu gehört sicher auch, dass Kulturformen (z.B. Essverhalten und Tischsitten beim gemeinsamen Frühstück oder auf Klassenfahrten) immer weniger verbreitet und gepflegt werden.
Deutlich wird, dass die Grundschule an anderer Stelle bei der individuellen Entwicklung der Schüler ansetzen muss, als noch vor 15 Jahren. Viele Leistungen, die Schüler früher bereits zur Einschulung mitbrachten, müssen nun erst in der Grundschule angebahnt und vermittelt werden, wodurch die Leistungen insgesamt, die nach 4 Jahren Schule erbracht werden, auch verringert sind. Dabei leistet die GS eine erhebliche Erziehungsarbeit (Warten können, Umgang miteinander, Ruhe bewahren, Konzentration über längere Zeit...)
Auffallend sind auch explodierende Anzahlen der Kinder, die Artikulationsprobleme haben, Bewegungsmangel, Haltungsschwächen etc. Oft bemühen sich Grundschullehrerinnen auch, den Eltern Erziehungsbeistand zu geben.
Einige Schulen haben Konzepte entwickelt oder nutzen fertige Konzepte, die sich mit Sozialem Lernen beschäftigen.( Faustlos, Antigewalttraining der Polizei, Konfliktlotsen, Streitschlichter, auch: Kooperation, Vertrauensspiele im Sportunterricht )
Faustlos ist ein Konzept, dass bereits im Kindergarten begonnen werden kann. Dabei wird mit allen Kindern ein Programm durchlaufen, dass in der Woche ca. ½ Stunde in Anspruch nimmt. In einer Einheit werden meist Situationen auf Bildern gezeigt und die Kinder müssen dazu Gefühle der Personen beschreiben und im Rollenspiel überlegen, wie die Person handeln könnte.(sth)
Durch die Standardisierung findet in jeder Klasse etwas statt und es gibt auch für das Kollegium eine Grundlage der Verständigung.
Einigen Schülern sind anscheinend in der 5. Klasse grundlegende Sozialformen (hier: Stuhlkreis, Stationslernen, Meditation) nicht bekannt. Es kann sein, dass betreffende Grundschullehrer wirklich überwiegend frontal arbeiten, andererseits gibt es große Klassen und kleine Klassenräume, die das Einrichten eines Stuhlkreises nahezu unmöglich machen.
Von Seiten der Grundschule wird auch gelegentlich angeführt, dass gerade das Selbstständige Arbeiten und die vielen verschiedenen Sozialformen trainiert würden, dann in den höheren Klassen aber nicht weitergeführt werden.
Tatsache ist, dass Schulen und auch Lehrer überall sehr unterschiedlich arbeiten, weshalb Absprachen nötig werden.
Bei beiden Sichtweisen würde ebenfalls ein stärkerer Austausch und die Bereitschaft, voneinander zu lernen, weiterhelfen.
Eine weitere Überlegung im Chat war, ob die aufnehmenden Schulen sozusagen ein Konzept für den 2. Schulanfang erstellen müssen, um mit den neuen Schülern grundlegende Kompetenzen zu erarbeiten. An einigen Schulen gibt es z.B. für die 5.Klässler nach den ersten Schulwochen Kompaktkurse zum Thema Lernen lernen , in denen grundlegende Arbeitstechnicken vermittelt werden und auf die dann alle Lehrer der Schule aufbauen können.
Als Thema für den nächsten GS-Chat wurde gewählt:
Rechtschreiben: Methoden Leistungskontrolle Zensuren Umgang im Kollegium
Wie immer hoffen wir, dass wir nichts und niemanden vergessen habe, ihr dürft aber gerne noch Ergänzungen schreiben.
Palim ein wenig unterstützt von rooster
PS: Und: DANKE palim für diese tollen protokolle, die du qualifiziert und zuverlässig schreibst!
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| . | | von: palim
erstellt: 10.11.2005 00:01:47 |
ups... wann sich wohl bei mir jemand beschwert, in Klasse 2 und 3 kommen 6 Sätze oft vor.
Ich glaube auch, dass die von rhauda beschriebenen Arbeitsblätter die Schreibmüdigkeit noch fördern. Nicht nur knappe Kopierkontingente sollten einen überlegen lassen, welche AB die Schüler selbst schreiben, zeichnen etc. können. Leere, nur mit Überschriften versehene AB muss man nicht kopieren, da können die Schüler die Überschrift auch selbst schreiben. Ab der 1. Klasse können Schüler z.B. im Sachunterricht Pflanzen oder Tiere, die beschriftet werden sollen, zeichnen. Das kostet Zeit und Übung, ist aber m.E. eine wichtige Technik, die es zu lernen gilt... es zählt nicht allein das Sachwissen der Begriffe.
Erstaunt bin ich auch über die Schüler, die mit mangelnder Feinmotorik zur Schule kommen, die nicht schneiden, reißen, malen können... und darüber, mit welchem "Werkzeug" manche Schüler geschickt werden (1 Pinsel reicht doch, oder?)
Für mangelndes Arbeitstempo, unsaubere Schrift etc. finde ich immer auch einen Hinweis für das Zeugnis. In Niedersachsen ist es aber so, dass es für den Bereich Arbeitsverhalten Floskeln gibt, die es dem einzelnen Lehrer bequem machen: er muss die Floskeln benutzen, Erläuterungen, die viel deutlicher wären, muss er nicht geben.
Außerdem: Gerade auf die Abgangszeugnisse sollen keine negativen oder stigmatisierenden Bemerkungen. ... da kann man so ein Feld also auch offen lassen, wenn man diesen Hinweis missversteht.
Palim |
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