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Forum: "Lernen versus Unterrichtsbedingungen?"
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| Lernen versus Unterrichtsbedingungen? | | von: jamjam
erstellt: 10.11.2005 17:32:17 |
In einem anderen Forumbeitrag wird, soweit ich es nicht missverstanden habe, eine "Unterrichtsbedingung" wie 5 Minuten still sitzen nicht als etwas zu lernendes eingestuft.
Ich muss da mal aus der Sicht einer Mutter von kleineren Kindern etwas zu sagen.
So sehr ich offene Unterrichtsmethoden schätze und befürworte - sie selber versuch als Lehrerin in der Unterrichtsstufe einzusetzen, so sehr bin ich auch der Meinung, dass ein großer Anteil eines funktionierenden Offenen Unterrichts die Disziplin ist.
Mit Kindern, die nie gelernt haben stillzusitzen und einfach mal aufmerksam zuzuhören und/oder zu beobachten, ist ein offener Unterricht meines Erachtens kaum durchführbar.
Dieses Stillhalten müssen die Kinder unbedingt im Kindergarten oder auch zu hause lernen.
Ein Beispiel dafür ist meine Tochter (4Jahre), die damit
echte Probleme hat. Dies führt dazu, dass sie viel weniger Freiheiten geniesst, als z.B. mein Sohn in dem Alter, weil sie z.B. sich Erklärungen zum Straßenverkehr weder anhört, noch danach handelt.
Wir haben vor einem halben Jahr sehr zielgerichtet damit begonnen sie stärker zu disziplinieren (wenn sie z.b. mit uns memory spielen möchte (gesamtspielzeit besagte 5 min) - ihr Lieblingsspiel- dann hören wir sofort auf, wenn sie meint sich andersweitig beschäftigen zu müssen). das hat dazu geführt, dass sie seit einiger zeit viel mehr dinge erfasst, die wir ihr sagen- was für sie die anzahl an erfolgserlebnissen erhöht. ich denke dass ist ein sehr wichtiger und altersgerechter lernerfolg.
dieses problem des 5 Minuten stillsitzens kenne ich auch aus der Oberstufe. Man kann den Schülern kaum noch Arbeitsaufträge mündlich mitteilen, weil sie nach spätestens einem Satz dazwischen reden müssen. Wie soll denn dann Freiarbeit möglich sein, wenn die Schüler es nicht gelernt haben bestimmte "unterrichtsbedingungen", die auch wichtige arbeits- und lebensbedingungen sind einzuhalten
(merkwürdige unterscheidung zwischen unterricht - arbeit und leben???? hier meine ich das familienleben)
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| Still sitzen | | von: poni
erstellt: 10.11.2005 19:45:32 |
oder einfach nur in Ruhe etwas anschauen, beobachten, etwas erlauschen....
Eine kleine Geschichte: Beim Arzt im Wartezimmer
Eine Mutter kam mit ihrem ziemlich kleinen Kind herein. Dies stand einfach nur an der Hand der Mama vor den wenigen anderen Leuten und guckte. Guckte sich die Menschen an. Die Mama fing aber ziemlich bald an, das Kind zu bespielen, guck mal hier, mach mal das, was gehört denn wohin? usw. dabei wollte das Kind nur gucken. Dann wundert es mich nicht, wenn Kinder nicht mehr still sein, still sitzen können.
Ein ganz kleines Kind auf dem Arm von Papa, eigentlich völlig zufrieden, wird hin und hergeschuckelt und geschaukelt und nicht in Ruhe gelassen, warum?
Kinder können viel mehr, aber es wird ihnen vieles abgewöhnt, weil wir Erwachsenen zu wissen glauben, was für sie gut ist. Und dann sollen sie es irgendwann wieder lernen, wie umständlich!!! |
| Selbstkontrolle bei uns Lehrern | | von: rhauda
erstellt: 10.11.2005 20:00:31 |
poni hat schon in gewisser Weise Recht.
Nach vielen Jahren fiel mir auf, dass sich bei mir folgendes eingeschlichen hat:
Man gibt eine Anweisung oder erklärt etwas. Schüler fragen sofort "Wie geht das jetzt noch mal?"
Man sagt es noch einmal. Sollte man aber nicht. Sie sollen lernen, dass Unterricht kein Videofilm ist, den man beliebig zurückspulen kann.
Man teilt ein Ab aus oder gibt eine Aufgabe aus dem Buch. Meine Frage: "Also, was soll ihr da jetzt machen?" Schüler sagen noch mal, was verlangt ist.
Schüler wissen, dass sie eigentlich die schriftlichen Instruktionen gar nicht lesen müssen, es wird ja sowieso erklärt.
Schüler sagt: "Versteh ich nicht, was sollen wir jetzt machen?"
Man erklärt es noch mal.
Schüler wissen, dass sie nicht aufpassen müssen, es wird ja alles zwei Mal gesagt.
Überprüft Euch einmal. Als ich meine "Selbsterkenntnis" mit den Kollegen besprochen habe, sagten viele: "DA hast du eigentlich recht, ich mache das auch oft so."
Nachdem ich mich in solchenb Situationen mehr disziplinierte, traten schnell Verbesserungen in den Situationen ein.
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| @jamjam | | von: brigitte62
erstellt: 11.11.2005 15:37:33 |
Ich denke schon, dass du insofern Recht hast, dass Lern- und Arbeitsverhalten sehr früh - noch früher als in der Kita geprägt wird. Aber: Ich denke es wird nicht funktionieren, Kindern stillsitzen beizubringen. Was sie erfahren müssen ist, dass bestimmte Situationen mit bestimmtem Verhalten gekoppelt sind. "Memory spielen mit den Eltern funktioniert nur, wenn ich nicht weglaufe." "AB bearbeiten in der Schule funktioniert nur, wenn ich nicht dazwischen rede." etc. Ich kann das dem Kind auch begründen. Manchmal ist die Begründung auch "Es macht mich unruhig, wenn du dauernd herumläufst und dann vergesse ich, was ich euch erklären wollte." Es ist auch manchmal, wie wir alle wissen nötig das zu trainieren, weil Schule nun mal eine Gruppenveranstaltung ist und es selbst beim freiesten Lernen sicherlich auch noch gemeinschaftliche Aktivitäten gibt. Aber das Stillsitzen an sich ist einfach kein Wert, den ich vermitteln möchte. |
| zwei dinge | | von: jamjam
erstellt: 13.11.2005 20:15:28 |
1. meine schwersten unterrichtsstunden sind die mit der freiarbeit. wenn man einen arbeitsauftrag erteilt hat und dann nur noch auf informative fragen eingeht, aber nicht mehr auf:
das verstehe ich nicht, was soll ich machen, ist das richtig so, was ist hier falsch ...
es stimmt schon, dass das sehr schwer fällt, weil die schüler und wir lehrer es verlernte haben, dass das selbständige denken der schüler wichtiger ist, als die erklärung des lehrers oder eines anderen erwachsenen und als der inhaltsstoff, der spielfilm, die info überhaubt.
2. wenn unterricht nicht lernen ist, was ist er dann. und ich meine mit unterricht nicht das absitzen von stunden und das auswendiglernen von stoff. für mich ist unterricht auch, dass ich meinen kindern ein neues spiel oder das radfahren beibringe, dass ich meinen schülern zeige, dass etwas zu lesen sehr spannend sein kann. im sinne von "um etwas aus dem ärmel zu schütteln, muss ich da erstmal was rein getan haben" (womit ich nicht das anfüllen von infos meine, nur dass ich nicht wieder missverstanden werde) |
| wenn unterricht nicht lernen ist, was ist er dann? | | von: rolf_robischon
erstellt: 13.11.2005 21:54:28 |
sieht wie eine frage an mich aus, oder?
unterricht ist: machen dass jemand tut was ich will.
belehren ist, zu veranlassen, dass jemand einen sachverhalt so sieht wie ich und so damit umgeht wie ich es will.
lernen ist etwas anderes, selbstständig, eigen, frei.
lernen ist wie erobern, entdecken, erfinden, aufbauen.
unterricht ist wie übernehmen, kaufen, mieten, leihen, befolgen, gehorchen, erben.... |
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