Zusammenfassung vom 28.2.06
Neue Bildungsstandards für Deutschland sind heraus gekommen, in vielen Bundesländern arbeitet man an neuen Curricula oder sie sind bereits veröffentlicht und werden an Schulen umgesetzt.
Der Schwerpunkt der Curricula hat sich verschoben, es geht nicht länger um Ziele, die zu erreichen sind, sondern die Kompetenzen der Schüler sind der Maßstab.
Es reicht also nicht, darzustellen, was man gelehrt hat, sondern Tests sollen zeigen, dass die Maßnahmen und der Unterricht auch effektiv waren.
Auch Schulprogramme sollen immer wieder neu überprüft werden, Inspektionen besuchen die Schulen und schauen, wie sie arbeiten.
Evaluation ist in aller Munde. In einigen Bundesländern wird dieses Wort groß geschrieben – in anderen zwar auch, aber noch nicht reell in allen Schulen durchgeführt.
Was wird evaluiert?
a) Fähigkeiten (Kompetenzen) der Schüler mit Hilfe von
großen Studien (Pisa, Timms),
Vergleichsarbeiten in verschiedenen Klassenstufen (VERA, Vergleichstest der Landesregierungen),
Förderdiagnostik und Förderpläne (dazu gibt es viele neue Materialien von Verlagen – angesprochen wurden Mildenberger – Eingangsdiagnostik, Programme von Bettinger und Ledel)
b) Qualität der Arbeit, Schulklima
c) Schulprogramme
d) Wünschenswert wären auch Studien über die Lehrerarbeitszeit, die Zeit die für Konferenzen, Förderkonzepte, Organisation von Förderbändern, Evaluationen etc. benötigt wird
Igellady hat angeboten, dazu Bögen aus Holland zu organisieren, eine übersetzte Version wird es dann irgendwann hier geben
Wer evaluiert?
- Vera und Vergleichsarbeiten über zentrale Aufgaben, die an Schulen geschickt werden und anschließend ausgewertet werden
- Lehrer im täglichen Unterricht über Beobachtungen, Tests, Screenings, Diagnosebögen etc.,
zu dokumentieren in Förderberichten
- Steuerungsgruppen der Schulen, die Schulklima u.a. evaluieren, Brandenburg/Berlin gibt es dazu z.B. eine Fortbildung zum Evaluationsberater für Lehrerinnen
- externe Evaluation z.B. über die Bertelsmann-Gruppe
SEIS (
http://www.das-macht-schule.de/ )
- in Zusammenhang mit VERA gibt es auch Inspektoren/Teams, die Schulen mit besonderen Ergebnissen besuchen
- Inspektoren der Landesregierungen, die die Schulen besuchen – Beispiel Niedersachsen
(
http://www.mk.niedersachsen.de/master/C13998547_N13998072_L20_D0_I579.html)
Wie wird evaluiert?
Zu den Zielen soll überlegt werden, wie man den Erfolg messen kann.
Die Messinstrumente werden durchgeführt.
Beobachtungen, Tests, Screenings, Diagnosebögen etc.,
zu dokumentieren in Förderberichten
Inspektionen über Fragebögen, Datenerhebung, Unterrichtsbesuche, Gespräche mit Eltern, Lehrer, Schülern, Schulleitern
Die Ergebnisse werden
den Lehrern mitgeteilt, ausgehängt,
verschwinden im Ministerium in der Schublade,
werden zur Schulinspektion hervorgeholt und mit angegeben,
werden den Schulleitern mitgeteilt, der sie weitergeben kann,
werden in der Presse veröffentlicht,
Kritische Anmerkungen
- die Test und vor allem das Dokumentieren nehmen viel Zeit in Anspruch, die für die andere Arbeit, z.B. das Erstellen konkreter Aufgaben für die Schüler, das Bereitstellen von Materialien etc. fehlt.
- Das Beschreiben von Problemen ist zwar der erste Schritt, um Problemlösungen und Hilfen zu entwickeln, leider bleiben die folgenden Schritte aber aus. Die konkrete Förderung an sich gerät nicht oft genug in das Blickfeld, sondern es bleibt beim Diagnostizieren.
- das stetige Erfassen von Schülerleistungen darf nicht dazu führen, dass nur noch auf die Tests hin unterrichtet werden, andere Leistungen innerhalb der Schulen aber zu kurz kommen
- das Testen von Leistungen an sich, das Diagnostizieren bringt allein keine Verbesserungen
- es sollte nicht dazu kommen, dass man im Schulprogramm allein evaluierbare Ziele verankert, um die Überprüfung erleichtern oder gewährleisten zu können – z.B. ist soziales Lernen schwierig zu evaluieren, trotzdem aber ein sehr wichtiges Ziel
- auffällig ist, dass Schulklima, Schülerleistungen etc. evaluiert werden, andere Bedingungen an Schulen z.B. Belastung der Lehrerinnen, wird nicht ermittelt
- viele Fähigkeiten lassen sich mit Massen-Testverfahren nicht erfassen, Messverfahren, die Schülerleistungen individueller erfassen benötigen aber häufig mehr Aufwand
- fraglich ist, ob die Erziehungsziele von Grundschulen mit üblichen Messinstrumenten erfasst werden können. Wie evaluiert man soziales Lernen (ohne es z.B. auf Konfliktsituationen auf dem Schulhof zu reduzieren)
- im Chat klang an, dass die Forderung nach Evaluation sehr vieler Bereiche – oder sogar aller Bereiche ein Gefühl der Überforderung bei den Lehrern entstehen lässt – alles auf einmal ist einfach zu viel
- über das Evaluieren kamen wir auch (mal wieder) zum Thema Fördern – frustrierend ist, dass die Ressourcen an Schulen immer weiter zurückgebaut werden, dennoch aber eine intensive Förderung vonnöten ist,
Es beteiligten sich igellady, hops, rooster, jaszo, sth, murmel730, chrisch, Palim
Gerne dürft ihr das Protokoll ergänzen.
Außerdem bitte ich alle, im Forum "GS-Chat um 20 Uhr" ihr Statement abzugeben, damit wir einen guten Überblick bekommen, wer lieber um 19 Uhr und wer lieber um 20 Uhr chatten würde.
Palim
Eine persönliche Bemerkung am Schluss:
Das Protokoll ist nicht ganz so sachlich wie sonst, da mich dieses Thema zur Zeit sehr beschäftigt und auch bei uns an der Schule „brodelt“
Mein Eindruck ist es, dass in vielen Ländern erst einmal drauf los getestet wird.
Schülerleistungen werden zwar abgetestet, führen aber kaum zur Verbesserung der Förderung von Schülern. Viele Lehrer fühlen sich bei der Förderung allein gelassen, zusätzlich durch die Evaluationen sehr belastet.
Zur Evaluation von Schulprogrammen gab es im Chat kaum Anhaltspunkte. Externe Evaluation seitens der Bertelmann-Gruppe/SEIS wird an einigen Schulen durchgeführt. Berlin bildet Evaluationsberater aus – letztlich haben aber viele Lehrer das Gefühl, sie würden erst mal in den blauen Dunst testen und evaluieren, ohne ein Ziel vor Augen zu haben und ohne anschließend konkrete Hilfestellungen und Beratung erwarten zu können. Selbst die Kultusministerien wechseln ihre Angaben hin und her und ein Konzept lässt sich nicht generell erkennen.
Die Schulen ziehen sich an ihren eigenen Haaren aus den Sumpf, verbessern das System mit eigenen Ressourcen.