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Forum: "erwartungen von lehrern an eltern"

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erwartungen von lehrern an elternneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: sopaed Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 18:29:32

ich bin immer wieder erstaunt über aussagen von lehrern bezüglich der eltern ihrer schüler (auch hier in den foren).

einerseits wird eine erziehungsunfähigkeit seitens großer teile der elternschaft beklagt.

andererseits reflexhaft der erziehungsauftrag der schule geleugnet und nach hause delegiert.

geht beides denn zusammen?
hat das vielleicht was mit schwarzer peter zu tun?

ratlos
mfg
sopaed



hmmneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: wabami Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 18:41:31

Differenzierst du bei deiner Beobachtung auch die Schulformen und das Alter der Schüler?

Also ich unterrichte an einem Gymnasium und dort überwiegend die älteren Schüler.
Da sehe ich meine Aufgabe weniger im erzieherischen Bereich, denn in der Wissensvermittlung.
Natürlich findet auch eine Erziehung statt, aber im wesentlichen implizit!

Selbstverständlich habe ich eine Erwartungshaltung an die Eltern bezüglich der Disziplin, des Anstandes und grundlegender Umgangsformen, die sie ihren Kindern beibringen und die wir an der Schule unterstützend fortführen.
Leider sehe ich mich aber auch immer wieder zu Klagen gezwungen: In Elterngesprächen muss ich z.B. feststellen, dass die Respektlosigkeit einiger Schüler aus dem Elternhaus mitgebracht wird.

Erziehung der Schüler kann immer nur eine Kooperation zwischen Eltern und Lehrern sein.
Das gegenseitige Klagen über das Fehlen von Erziehung zeigt dann ja nur zu deutlich, dass die selbstverständliche Schnittmenge der Erziehungsmaßnahmen nicht (mehr) existiert!
Kommunikation und Kooperationsbereitschaft sind der Ausweg!


Es geht, sopaedneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: veneziaa Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 18:42:16

Es würde gerne so Manches nach Hause delegiert, was eigentlich selbstverständlich an Erziehung zu Hause stattfinden sollte, aber aus Mangel an Unfähigkeit der Eltern oft nicht stattfindet.
Anders: Ein großes Maß Erziehung SOLLTE eigentlich zu Hause stattfinden, was leider nicht so ist...
Wo liegt das Problem, es versteht jeder..



die erstenneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: miro Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 19:51:46

lebensjahre sind wohl prägerd für die entwicklung des kindes. wenn sie in klasse 5 oder 7 in der weiterführenden schule ankommen, sind doch sämtliche verhaltensweisen verfestigt, ich glaube, man spricht davon, dass das soziale lernen in den ersten lebensjahren am entscheidendsten ist! und hier sind die eltern gefordert, da delegiert die schule nichts!

miro


das problemneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: sopaed Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 20:40:57

liegt darin, dass

"der schüler xy durch erziehungsunfähigkeit der eltern ein sehr schwieriger schüler ist"

aber andererseits

"es nicht meine aufgabe als lehrer ist, den eltern die arbeit abzunehmen und erzieherisch tätig zu werden!"

und nun?
deligiere ich etwas an die eltern zurück, von denen ich sage, sie können den auftrag sowieso nicht erfüllen?
wie sieht die lösung aus?

@wabami
in deiner schulform wirst du dank sozialer vorselektion nur promillemäßig mit "erziehungsunfähigen eltern" konfrontiert werden. eine stärke unseres deutschen schulsystems laut pisa.

mfg
sopaed


.neuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: palim Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 21:14:46

Mal ein Beispiel:
Ein Schüler tut sich schwer mit dem Erlernen in verschiedensten Fächern, seine Aufmerksam reicht nicht für den Schulvormittag, er zeigt wenig Interesse. Er kennt die Bedeutung des Wortes "Nein" nicht und meint häufig, er könne durch wiederholtes Nachfragen meine Entscheidung verändern. Durch seine Arbeitsvermeidungshaltung, die er schon ein erhebliches Maß vermindert hat, geht er dem Lernen und Entscheidungen aus dem Weg.

Er bekommt die Förderung, die trotz keinerlei Förderstunden möglich ist, wir haben Belohnungssysteme ausprobiert, viele Gespräche miteinander geführt.
Er bekommt viel Aufmerksamkeit von mir und ein erheblicher Teil meiner Kraft geht am Vormittag in die Erziehung dieses Schülers.
Aus vielen Elterngesprächen - teilweise täglichen Telefonaten - weiß ich, dass sich die Eltern in ihrer Erziehung nicht einig sind. Während die Mutter sehr wohl das Verhalten des Sohnes durchschaut und ihn erziehen möchte, lässt der Vater alles durchgehen. Das erklärt meines Erachtens, dass das Kind gelernt hat, die Eltern gegeneinander auszuspielen und ein Nein nie zu akzeptieren - er bekommt trotzdem immer seinen Willen.
Das Kind sitzt sehr viele Stunden am Tag und auch am Wochenende vor dem PC (einschließlich X-Box, PlayStation etc.) und lebt in dieser PC-Welt - wie seine Äußerungen und Bilder zeigen. Seine Aufmerksamkeit ist auf diese Welten gerichtet - da braucht man kein Mathe und auch kein Deutsch. Das Kind hat auch nie gelernt, sich selbst zu erproben, Erfahrungen zu machen. Es ist nie auf einen Baum geklettert, hat keine Wettrennen gemacht, traut sich kaum etwas zu.
Das Kind hatte vor der 1. Klasse keinen Kontakt zu gleichaltrigen Kindern, außer in dem 1 Jahr Kindergarten. Inzwischen besuchen andere Schüler dieses Kind, um am PC etc. zu spielen. Soziale Kontakte bestehen hauptsächlich aus PC-Spiel-Partnern.


Ein zweites Beispiel:
Ein Schüler lernt in der 1. Klasse gut, dann stagnieren seine Leistungen. Er wird auf dem Schulhof zunehmend verhaltensauffälliger.
Seine Eltern sind im laufenden Schuljahr 6 mal für mehr als 1 Woche verreist, der Schüler weiß nicht, wo sie sich genau aufhalten, wann sie zurück kommen. Er ist bei verschiedenen Familien untergebracht oder verschiedene Personen kommen zu ihm nach Hause, um ihn zu betreuen.
Obwohl seine Eltern zu Hause sind (wenn denn), steht dieses Kind jeden Morgen alleine auf.
Von seinen Eltern erfährt es mehr Strafen als Zuwendung, der Vater schlägt das Kind.
Es ist vorherzusehen, dass dieses Kind große Schwierigkeiten hat, sich aufs Lernen zu konzentrieren und angemessen mit anderen Schülern zu agieren.
Die Erziehung erfordert viel Fingerspitzengefühlt - und letztlich würde ich mir wünschen, dass jemand den Eltern die Augen öffnet.

Ein drittes Beispiel:
Ein Schüler wird abgeschoben (nach Kirchenasyl) und kommt nach 18 Monaten zurück, bekommt nach kurzer Zeit eine andere Wohnung zugewiesen und muss nach wenigen Wochen die Schule wechseln. Die Familie ist von einer weiteren Abschiebung bedroht. Sie leben auf engstem Raum. Die Eltern und Geschwister und auch der Schüler selbst sind sehr bemüht, dennoch fällt dem Schüler das Lernen schwer - was nicht weiter verwunderlich ist, wenn täglich die erneute Abschiebung droht.


Wenn ich bei solchen Schülern der Meinung bin, dass keinerlei Erziehung in der Schule geleistet werden kann, so liegt es wohl daran, dass die schulische Erziehung nur dann greifen kann, wenn auch die häuslichen Verhältnisse ein Lernen und angemessenes Verhalten unterstützen.

Es ist reichlich plakativ, Lehrern generell zu unterstellen, sie würden die Schüler nicht erziehen wollen.
Hinzu kommt, dass Lehrer mit dieser Aufgabe alleine stehen, es gibt hierzulande (zumindest in meiner Region) so gut wie keine Anlaufstellen, außer dem Kinderschutzbund und der Erziehungsberatungsstelle, die beide überlaufen sind.
Ähnliches ist mit Logopäden, Psychologen, Pädaudiologen etc., die ebenfalls überlaufen sind und/oder 100 km entfernt - für einige Eltern ein unüberwindbares Hindernis.
Schulpsychologen, Sozialpädagogen, Förderstunden wurden eingespart.

Ein sehr erhebliches Maß meiner Arbeit besteht darin, die Schüler zu kennen, ihre familiären Verhältnisse zu erkennen und zu beachten und (dennoch) einen großen Teil der Erziehung zu leisten.
Am Ende einer Woche mit vielen Regenpausen und kurz vor den Ferien weiß ich sehr wohl, was ich getan habe ... und träume von mehr Erziehung im Elternhaus - zumindest in vielen Elternhäusern.

Ich träume auch von mehr Unterstützung seitens der Umwelt - und verstehe die Anfeindungen nicht.
Mögen sich die Menschen, die sich fragen, was Lehrer den ganzen Tag tun, doch in die Schule begeben und eine Woche hospitieren!

Palim


plakativneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: sopaed Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 21:19:48

ich zitierte nur.

und tat meine ratlosigkeit ob der zitate kund.

mfg
sopaed


@palimneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: veneziaa Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 21:42:57

Ein sehr gefühlvoller Beitrag, der mir gefällt.
SOOO ist es!!


@palimneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: ankajo Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 22:11:39

Wie schön, dass es Lehrer wie dich gibt!


Schöner Beitrag von Palim!!neuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: wabami Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 30.03.2006 22:15:51

Daran sieht man sehr gut den Alltag und die Probleme.
Man kann auch herauslesen, dass bei undifferenzierter Zusammenfassung das 1. Zitat von sopaed Zustande kommt!

Aber woher stammt das 2.??
Wir Lehrer können ja nicht leugnen, dass wir unsere Schüler auch erziehen und dies auch müssen.
Andersrum sieht man bei genauer Betrachtung, dass alles seine Grenzen hat. So resigniert wie im 2. Zitat von sopaed solte es aber nicht sein, wenngleich klar ist, wir können die Erziehungsaufgabe die die Eltern haben nicht erfüllen nur ergänzen!!


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