|
Forum: "Klassen überspringen"
Bitte beachte die Netiquette! Doppeleinträge werden von der Redaktion gelöscht.
|
| Ketzerisch | | von: veneziaa
erstellt: 26.05.2006 10:33:02 |
muss ich deinen Beitrag ergänzen, oblong!
Das größere Problem bei "Kindern mit besonderen Leistungsfähigkeiten" sind die Eltern, da vornehmlich die Mütter.. grr! Nicht die Schule, nicht die Freunde, nicht die übrige Umwelt - nein, den grässlichsten Druck auf die Kinder üben oft diese ehrgeizigen Mütter aus, die selbst sooo stolz sind auf ihr außergewöhnliches Kind, dass sie es oftmals wissentlich und betont in eine besondere Rolle heben..
Habe gerade im 6. Schuljahr so ein Bespiel: Junge, gerade 10 Jahre alt, hat schon in der Grundschule den "Schnelldurchgang" hingelegt.. Das hat mir die Mutter schon anlässlich des Info-Abends zum Übergang von Klasse 4 nach 5 öffentlich erzählt. Und immer wieder: "Mein ... kann das schon.. der ist ja hochbegabt..". Allein dieser Stolz der Eltern, dieses Puschen .. Manchmal denke ich schon: Arme Kinderseelen! Ihnen bleibt ja gar nichts anderes übrig als etwas "komisch" zu sein - oder?
|
| und nun die mutter | | von: elgefe
erstellt: 26.05.2006 10:55:36 |
auch ich habe so ein kind, aber ich bin nicht von dieser sorte "mutter", die oben beschrieben wird....
meine tochter geht seit 3jahren in eine klasse, eine projektklasse für g8, und ich halte sie nicht für hochbegabt.
ich wollte nicht, dass sie ein schuljahr überspringt und dafür haben mich die lehrer verwirrt angeschaut....
ich wollte kein kind, das immer über den büchern hängt und nix anedres im kopf hat außer schule...
das leben kann soooo schön sein.....
und ich wollte nicht zum kreis derjenigen eltern gehören, die kaum noch laufen können, weil ihre kinder soooo intelligent sind....nänänä....
ich habe auf anraten der lehrer mein kind in diese klasse gehen lassen und weil mein kind das so wollte....
inzwischen kann ich damit leben, dass ich ein kind (eins von 4 kindern) habe, das ausgesprochen gerne und leicht lernt und auch mit dem stoff höherer klassen kein problem hataber ich halte es dennoch nicht für hochbegabt:
es ist fleissig, sozialverträglich und hat auch sonst wenig sorgen, vielleicht etwas weniger als andere kinder....
ich gehe nicht auf elternabende weil ich die anderen eltern nicht aushalte (ich gebe nicht an mit diesem kind) und weil ich es nicht aushalte, dass sich auch lehrer immer wieder dazu versteigen, den eltern honig um den bart zu schmieren, wie toll doch diese kinder sind....
mein kind ist sowas von normal: 14 jahre und völlig verzickt - wie die meisten! wer's nicht glaubt, darf sie sich gerne leihen... |
| @ elgefe | | von: oblong
erstellt: 26.05.2006 12:10:55 |
Ich habe befreit aufgelacht, als ich deinen letzten Eintrag gelesen hatte. Es gibt sie noch, die Mütter mit Humor und einer "ruhigen Hand", was ich auch bei ishaa und veneziaa gefunden habe.
@ bernstein
Du bist doch eine musisch versierte Lehrerin; wie verhält sich denn dein hochbegabter Knabe im Musikunterricht und im Bereich Bildende Kunst (so heißt das bei uns in RLP)?
Ist er sozial gut integriert, hat er ein reifes Verhalten für sein Alter?
Wie gut verhält er sich in ungewohnten Situationen?
Um Himmels willen, du musst mir nicht darauf antworten; ich wollte durch die Fragen nur ausdrücken, dass beim Überspringen im Gymnasium dies berücksichtigt werden sollte.
Nebenbei gefragt: Welchen Eindruck hattest du von der Zielsetzung dieser Fortbildungsveranstaltung?
Hattest du den Eindruck, die Referentin glaubt an das, was sie sagt?
Vielleicht bin ich manchmal einfach schon zu misstrauisch, wenn ich gewissen Menschen zuhören muss, die mir angeblich neue Impulse zu meiner Arbeit geben wollen und schon lange keinen Unterricht mehr gehalten haben - wenn überhaupt.
Liebe Grüße,
oblong |
| danke für eure bisherigen Beiträge | | von: bernstein
erstellt: 26.05.2006 13:01:59 geändert: 26.05.2006 13:17:31 |
ich möchte noch etwas klarstellen:
1. Die Idee, den Jungen springen zu lassen, habe ich vor wenigen Tagen in meinem Innern ganz alleine aufkeimen lassen.
2. Der Junge ist in der körperlichen Entwicklung normal, allerdings etwas kleinwüchsig.
3. Ihm mangelt es erheblich an Selbstkontrolle. In solchen Phasen flippt er total aus, stört den Unterricht, ärgert andere Kinder bis aufs Blut, schmeißt Sachen im Klassenraum umher etc. Er ist hingegen im Zeiergespräch vernünftig ansprechbar und zeigt eine SEHR hohe Reflexionsebene und Analysierfähigkeit, kann sich auch hervorragend ausdrücken - wie so mancher Erwachsene es niemals könnte.
4. Diese Zankerein passieren vorrangig in den kleinen Pausen, in denen keine Lehrkraft anwesend ist, aber auch in Phasen des Unterrichts, wenn er seine Sachen schon fertig hat.
5. Er befindet sich - das sehe ich klar - in einem chronischen Zustand der Unterforderung. Zumindestens kann ich das für die Sprachen sagen. Hier bringt er gute bis hervorragende Leistungen trotz seiner starken Verhaltensstörung.
6. Ich stelle mir vor, wenn er wirklich mehr zu knacken hätte, dass er dann weniger auf dumme Gedanken käme.
7. Bei der Fortbildung, die wir neulich hatten, sagte Frau Dr. Heinbokel klar, dass der zensurenschnitt von 2 nicht das alleine ausschlaggebende kriterium fürs Springen sein sollte.
8. Ich setze großes Vertrauen in die Arbeitsfähigkeit und -willigkeit des Jungen. Daher würde ich es ihm ohne weiteres zutrauen, den Stoff der 7. Klasse, die er ja dann überspränge, binnen kurzem nachzuarbeiten.
9. Die Eltern wissen von diesen meinen Gedanken noch nichts. Und die Idee kam auch nicht (s. o. ) von ihnen.
10. Sie hatte ihn ja mal während der Grundschulzeit testen lassen. Vielleicht müsste dieser Test wiederholt werden, weil er ja ein paar Jahre zurückliegt, vielleicht auch nicht.
Montag will ich versuchen, ein zunächst unverbindliches Gespräch mit meinem Schulleiter darüber zu führen.
viele Grüße und vielen Dank nochmal für eure gedankliche und argumentative Begleitung.
Ulla |
| Fördern - fordern ... | | von: veneziaa
erstellt: 26.05.2006 13:04:08 geändert: 26.05.2006 15:37:12 |
das sollten wir AUCH die Hochbegabten.
@elgefe
Deine Einstellung finde ich total klasse. Wenn bloß alle Mütter ihre Kinder so gelassen und doch aufmerksam begleiten würden!
@birgit
Richtig, die Teilleistungsbegabungen fördern! Die Kinder möglichst im sozialen Umfeld lassen...
Also: ALLE Kinder da abholen, wo sie stehen und ab da weiter begleiten, sie fördern, sie fordern!!
Wir haben bei uns das Zentrum für Hochbegabtenförderung... alle 14 Tage samstags lernen die Kinder Chinesisch! Toll!
Und gleichzeitig nicht toll: Damit kann man im Alltag nämlich nicht bestehen. Die Herausforderungen sind sehr vielseitig, an manchen "scheitern" auch sehr intelligente Kinder.
Der Begriff "hochbegabt" ist ohnehin kein treffender. Jemand, der gut Fußball spielt, singt oder zeichnet kann auch hochbegabt sein - teilleistungsbegabt (so wie Teilleistungsstörungen Legasthenie, Dyskalkulie).
Es ist ganz einfach Differenzierung gefragt - ich komme wieder auf meine Plus-Kurse:
Jedes Kind der Förderstufe hat bei uns z.B. die Möglichkeit, 2 Stunden pro Woche in einen Englisch- oder Mathe- Stütz-, Liftkurs zu gehen. Gleichzeitig besuchen die Kinder "mit besonderen Begabungen" die Plus-Kurse. Ich habe schon Englisch-Plus-Kurse gehabt, da haben die Fünftklässler nach 3 Monaten englische Theaterstücke aufgeführt-unglaublich eigentlich!
Ich plädiere auch dafür, die Kinder nicht KOMPAKT zu fordern, sondern "schonend" in ihren Teilleistungsgebieten gezielt zu fördern.
(Nebenbei: Habe als Mutter auch Erfahrung mit einem "hochbegabten" Sohn, aus dem ein glücklicher Mensch geworden ist, heute 25). |
| Schade, dass eine wichtige Aussage von dir, veneziaa, ... | | von: oblong
erstellt: 26.05.2006 14:37:28 |
fast untergegangen wäre:
(Nebenbei: Habe als Mutter auch Erfahrung mit einem "hochbegabten" Sohn, aus dem ein glücklicher Mensch geworden ist, heute 25).
Das ist es ja, was bei unseren Kindern - ob eigene, ob anvertraute - wichtig ist: Wir sollen ihnen helfen, glücklich zu werden.
@ bernstein
Vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen zu deinem begabten Kind; das hört sich wirklich förderungswürdig an. Solltest du in der nächsten Woche schon mit den Eltern sprechen können, dann wäre ich gespannt, was diese von deinen Überlegungen halten.
Vor zwei Monaten haben wir in einer Klassenkonferenz beschlossen, die Eltern von zwei Mädchen auf die Möglichkeiten des Überspringens hinzuweisen; beide Elternpaare wollten dies aber nicht, weil ihre Töchter mit der Klassensituation mehr als zufrieden sind.
Eine Mutter sagte sinngemäß: "Was hat denn meine Tochter davon, wenn sie ein Jahr eher Abi macht?"
Die Töchter selbst hatten durchaus nichts dagegen, aber sie haben sich ohne große Diskussion der Meinung ihrer Eltern angeschlossen (8.Klasse).
Liebe Grüße,
oblong |
| Zwischenbericht | | von: bernstein
erstellt: 09.06.2006 08:32:17 geändert: 09.06.2006 08:40:56 |
so, inzwischen sind viele Gespräche kreuz und quer geführt worden. Ich selbst habe auch einen Spaziergang mit dem Schüler gemacht und ihm den Rücken gestärkt. Die Eltern bekamen von mir Adressen von vier erfolgreichen Springerinnen unserer Schule, um sich mit ihnen über ihre Erfahrungen auszutauschen.
Parallel dazu nehmen sie zurzeit auch eine Erziehungsberatungsmaßnahme wahr und bringen dieses Thema auch dort zur Sprache.
Jetzt weiß ich seit gestern Abend ihre vorläufige Entscheidung. Gegenwärtig will der Schüler noch nicht springen. Er hält sich diese Option aber offen, eventuell für nächstes Schuljahr. Er kann quasi zu jeder Zeit im Schuljahr springen.
Ich habe aber auch beobachtet, dass er seitdem wir das Springen mit ihm thematisiert haben, überhaupt nicht mehr in der Klasse stört. Wahrscheinlich hat dies alles seinem Selbstbewusstsein sehr gut getan.
Eventuell, wenn jetzt diese Situation anhalten sollte, kann es ja dann durch seine geänderte Verhaltensweise in den Dreier-Fächern auch zu besseren Zensuren kommen.
Übrigens: er arbeitet sehr strukturiert und diszipliniert, in einer Weise, wie es sonst keiner der Klasse macht, bis auf ein Mädchen, was ein weiteres Argument fürs springen wäre.
Ich war hocherfreut über die Antwort der Mutter gewesen, die so sehr differenziert und völlig frei von Schwarz-Weiß-Denken war.
Ab dem nächsten Jahr werde ich die Klasse nicht mehr haben, aber wenn ich was weiß, werde ich an dieser Stelle weiter berichten. |
Beitrag (nur Mitglieder) |
|
|