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Forum: "Systematische Grundlagen überflüssig?"
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| Starker Tobak | | von: meike
erstellt: 10.01.2007 20:19:28 |
1.: Sprachwissenschaftlerin.
Jaja, ich habe auch Wissenschaften studiert. Leider deckt sich die Theorie nur selten mit der Praxis.
2.: habe während des Studiums einige Didaktikseminare besucht
Herzlichen Glückwunsch, die haben wohl alle besucht, die auf Lehramt studiert haben. ABER: Es ist eine Sache, Didaktik aus Büchern zu lernen und eine andere, Didaktik in der Praxis umzusetzen. Der Besuch einiger Didaktikseminare bedeutet nicht, dass man dann Ahnung von Didaktik oder Unterricht hat.
3.: Crashkurse
Die sind ungefähr genauso haltbar wie eine Haartönung Stufe 1. Im Klartext: Das Wissen ist so lange da, wie es gebraucht wird.
4.: Sicher haben die betroffenen Lehrkräfte ihren Dienst nach Vorschrift gemacht, aber auch nicht mehr.
Sicher, machen denn nicht alle Lehrer nur Dienst nach Vorschrift???? Also ehrlich, so etwas in einem Lehrerforum zu schreiben....
Ich mache Dienst nach LEHRPLAN. Es gibt Stufen, in denen die Grammatik nur eine begleitende Aufgabe hat. Da kann ich nicht mal eben eine schöne, lange und dann auch sinnvolle Grammatikeinheit einschieben, da dann u.a. Prüfungsthemen zu kurz kommen.
5.: Mittelhochdeutsch
Als Germanistikstudentin habe ich ebenfalls Mittelhochdeutsch gelernt, studiert und unterrichte es in der Oberstufe, da es im Lehrplan steht. Ich mochte MHD im Studium nicht und mag es immer noch nicht. Bin ich jetzt also eine Lusche? Trotzdem bin ich in der Lage, es vernünftig zu unterrichten. Aber MHD ist fast wie eine weitere Fremdsprache, also: Schüler schalten da ab.
7.: Aha-Erlebnisse
Aha-Erlebnisse haben die Schüler immer dann, wenn sie einen Stoff wiederholen müssen. Die vergessen das einfach.
Zusammenfassend lässt sich doch folgendes feststellen:
** Ich werde immer wieder entsetzt angeschaut, wenn ich nach Büchern im Elternhaus frage. Nicht vorhanden. Zeitungen? Nicht vorhanden. => Es wird nicht mehr gelesen.
** Häufig wissen die Schüler nicht mehr, wie sie lernen müssen, um etwas langfristig zu behalten. Auswendiglernen geht im schulischen Kontext gar nicht mehr. Hier frage ich mich immer, wie man die Charts, die Handymodelle und alles andere behalten kann. Musiktitel können die übrigens mitsprechen! Und ich rede da nicht von einem Song.
** Ich habe Schüler, die nach neun Jahren in unserem Schulsystem nicht wissen, dass man eine Seite umblättern muss, wenn der Text am Ende einfach aufhört. Die hören dann auf zu lesen.
** Ich finde es unverschämt, einfach den Lehrern die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Schüler sehen den Sinn nicht darin, da viele von ihnen gelernt haben, dass sie vom System aufgefangen werden. Gehe mal an ein Berufskolleg und höre Dir mal ein paar Pausengespräche an - da fliegen Dir die Ohren weg.
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| ...räusper... | | von: ishaa
erstellt: 10.01.2007 23:27:27 |
Also, ich haue ja hier auch gerne mal in den Foren, habe aber das Gefühl, dass thornberrycake hier Haue kriegt, die er/sie so nicht verdient hat.
Unabhängig davon bin ich der Ansicht, dass alle KollegInnen, die sich hier geäußert haben, die Schulwirklichkeit genauso beschreiben, wie ich sie wahrnehme.
Nur: Meiner Ansicht weiß thornberrycake wirklich nicht, wie das ist. Ich habe den Eingangsbeitrag so verstanden, dass er/sie (ja nicht erst seit gestern angemeldet), annahm, wir würden seine/ihre Meinung teilen. Tun wir nur teilweise oder gar nicht. Davon ist thornberrycake aber nicht ausgegangen. D.h. er/sie wollte uns hier nicht unbedingt was vorwerfen. Es war seine/erste Aktivität hier im Forenbereich und vielleicht nach dieser Resonanz auch die letzte. Fände ich schade.
Zum Thema: Vielleicht kann ich thornberrycakes Ansicht ein bisschen nachvollziehen, weil ich in grauer Vorzeit an der Uni auch in Linguistik gebadet habe. Es war mein absoluter Lieblingsbereich, ich habe darin geschwelgt, abstruseste Grammatiktheorien miteinander zu vergleichen. Und ich war richtig gut, habe Bestnoten bekommen von Leuten, bei denen man eigentlich nicht Examen machte, weil das so "schwer" war. Die Seminararbeiten, die ich damals geschrieben habe, verstehe ich heute nicht mehr, und diese Aussage ist keine Koketterie oder Ironie sondern die reine Wahrheit. Wenn man mir damals eine Doktorandenstelle angeboten hätte, ich hätte zugeschlagen. (Man hätte ja vielleicht sogar, wenn das nicht schon ein völlig anderer Fachbereich gemacht hätte, in dem ich zu der Zeit meine Brötchen verdiente. Ich habe letztendlich dankend abgelehnt.)
Ohweia, ich werde wieder langatmig. Also: Heute entwerfe ich für meine Englisch G-Kurse an der Hauptschule ohne mit der Wimper zu zucken (und es tut auch nicht wirklich mehr weh...) so Baupläne für englische Fragen nach dem Muster "Fragewort/Verb/Person/Verb/Rest" (Begriffe wie Hilfsverb oder gar Prädikat sind sinnlos), mit den Ausnahmen "Who ohne do" (Frage nach dem Objekt wird in G-Kursen geschlabbert....) und "is, are, was, were" (Formen von to be ist auch sinnlos). Das ist die Realität.
Wenn jemand diese Realität nicht kennt, dann muss man ihn/sie nicht gleich hauen. Finde ich. Jedenfalls nicht, wenn er/sie nicht zuerst gehauen hat... . Und das war nicht der Fall. Finde ich.
ishaa |
| @klexel | | von: ishaa
erstellt: 11.01.2007 00:08:54 |
Nein, nicht wirklich.
Ich kann mir vorstellen, dass jemand, der ganz viel mit Grammatik lebt und arbeitet und weiß, dass das alles so schön in unseren Lehrplänen steht und dann feststellt, dass bei den SchülerInnen nichts vorhanden ist, zu solchen Annahmen kommen kann, ganz ohne Böswilligkeit.
Sie kennt unsere Wirklichkeit nicht, wir ihre schon ein bisschen mehr.
Ich bin übrigens mittlerweile der Ansicht, dass man Grammatik nicht unbedingt zum Sprachenlernen braucht. Sprachgefühl oder wie immer man das nennen will, scheint auch zu reichen. Einziges , statistisch natürlich unerhebliches Beispiel ist mein eigener Nachwuchs, sprachlich begabt, grammatisch dermaßen unbeleckt, dass es mir die Schuhe auszieht. Das vierte Schuljahr wurde ihm erspart, es folgten drei Jahre völlig grammatikfreier Unterricht (Lehrpläne hin oder her) am Gymnasium. Irgendwann fragte er, was eigentlich "Präsens" sei (neuer Deutschlehrer...) und es stellte sich heraus, dass er die Begriffe Akkusativ und Dativ noch nie gehört hatte, von Subjekt, Prädikat und schlimmeren Dingen ganz zu schweigen. Ich habe ihm (jetzt Klasse 8) mal eine Grammatikarbeit gegeben, die ich in Klasse 5 an der HS geschrieben hatte (ja, Lehrerskinder sind ein gebeuteltes Volk), und er hätte schlechter abgeschnitten als fast alle meine Schüler! Soviel zum Wert von Grammatik. Das weiß ich jetzt. Aber im Studium hätte ich mir das nicht träumen lassen. Natürlich ist dieses Kind mit einer sprachbegeisterten Mutter geschlagen, es wurde immer viel geredet,es lebt in einem Haushalt, in dem man von bedrucktem Papier erschlagen wird und liest selbst (manchmal zwangsweise, weil halt die diversen faszinierenden Geräte mit den Bildschirmen nicht immer available sind, auch diesbezüglich sind Lehrerskinder gebeuteltes Volk). Solche Faktoren wurden hier schon angesprochen. Wüsste ich das ohne eigenen Nachwuchs, ohne meine Tätigkeit an der HS? Ich bin mir nicht sicher.
Grüße
ishaa |
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