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Forum: "Frontalunterricht"
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| . | | von: palim
erstellt: 25.05.2008 01:00:31 |
Ich glaube, Frontalunterricht hält sich so hartnäckig,
... weil Lehrer sich gerne reden hören.
... weil es viel weniger Vorbereitung kostet, einen Vortrag für alle zu halten, als Differenzierung für Viele anzubieten.
... weil es viel weniger Arbeit macht, alle über einen Kamm zu scheren als 30 Mal zu beobachten, diagnostizieren, zu fördern ... und wieder von vorne.
... weil unselbstständige Schüler still sind, solange der Lehrer spricht ... oder schnell lernen, sich still anderweitig zu beschäftigen (hauptsache sie stören nicht den Lehrer in seinem Selbstgespräch)
... weil die Stofffülle der Lehrpläne so gigantisch ist, dass Lehrer den Eindruck bekommen, nur im Frontalunterricht ließe sich alles - wenn auch nur kurz - ansprechen und "durchnehmen", mit Lernen hat das weniger zu tun, aber immer gibt es das Argument "DAs habe ich ihnen doch gesagt. Das haben wir gemacht!"
... weil die eigene Unterrichtserfahrung bei vielen Lehrern auch die spätere Lehrbetätigung prägen
... weil vereinzelt ein Lehrervortrag auch mal kompakt Wissen darstellen kann oder Frontalunterricht gemeinsame Inhalte schafft, sich Absprachen treffen lassen, Erkenntnisse der Schüler gebündelt werden können, Erklärungen für viele dargelegt werden, Projektergebnisse präsentiert werden ... und somit der Rahmen für eigenständiges Lernen gegeben wird.
Palim |
| es gibt anscheinend | | von: bernstein
erstellt: 25.05.2008 09:05:41 geändert: 25.05.2008 09:13:46 |
ein starkes Gefälle in den Meinungen hinsichtlich der idealen Unterrichtsformen, das auch abhängig von den Jahrgangsstufen ist.
Und: ich bitte doch darum, jegliche Polemik zu unterlassen, was die angebliche Bequemlichkeit des Lehrers und die angeblich für den Lehrer anstrengenden und weniger anstrengenden Unterrichtsformen betrifft.
Ich habe volles Verständnis für die Notwendigkeit offener Unterrichtsformen in der Grundschule und bin froh über die Fähigkeiten zum selbstständigen Arbeiten, die die meisten Kinder aus der GS-Zeit mitbringen.
Und: neben den offenen Unterrichtsformen kommen jetzt, ab Klasse 5 auch noch andere hinzu, darunter auch der Lehrervortrag. Die gute Mischung macht es, wie rhauda sagt, auch die Abwechslung, die gerade nottut, damit die Kinder es überhaupt in diesen Klassenräumen aushalten, die für Klassenstärken von 24 ausgelegt sind, in denen sie aber zu 30 und mehr sitzen müssen und in denen allein schon aus räumlichen Gründen offene Unterrichtsformen zur Qual, zum hoffnungslosen Unterfangen werden.
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| Grundproblem | | von: rhauda
erstellt: 25.05.2008 09:27:19 |
Das Grundproblem vieler anderer schülerzentrierten oder handlungsorientierten Sozialformen ist, dass sie oft nur den Anschein von Schüleraktivität und Lernen erwecken.
Eine Klasse, die motiviert schnippelt, Plakate entwirft, zeichnet, sieht wunderbar aktiv aus und mag auch Spaß an der Sache haben. Ob dann wirklich immer auch ein Lernzuwachs da ist, ist fraglich.
Wichtig ist immer, dass hinterher die Kontrolle da ist. Da mag ich Lernzirkel oder Wochenplanarbeit wesentlich lieber als diese unsäglichen furchtbaren Lernplakate oder Powerpointpräsentationen, wo komplexes Wissen von Schülern auf das Niveau von Schlagworten heruntergedampft wird und wo man als Lehrer die Hälfte der Präsentationszeit damit verbringt, völlig falsch dargestellte Sachverhalte zu korrigieren, damit sie sich nicht in den Köpfen der Schüler festsetzen.
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| gegenüberstellungen | | von: rolf_robischon
erstellt: 25.05.2008 11:16:26 geändert: 25.05.2008 11:17:20 |
Hier wird eigentlich Frontalunterricht anderen gelenkten Verfahren gegenübergestellt.
Bei Frontalunterricht müssen die Belehrten eine Weile mal nix tun. Bei gezielten Anweisungen und Arbeitsaufträgen müssen sie Aktivität zeigen.
Eine Klasse, die motiviert schnippelt, Plakate entwirft, zeichnet, sieht wunderbar aktiv aus und mag auch Spaß an der Sache haben. Sie führen Aufträge aus.
Ich stelle diesen Belehrungen und Anweisungen, Aufträgen und Erklärungen nur das selbstständige Lernen, das Kindern und Jugendlichen nur freigegeben werden muss (müsste) gegenüber.
Die Haupteinwendung wird immer nur sein "Die tun das ja nicht von selber" oder "Die lernen dann ja nicht was ich für die Stunde vorgesehen habe, vorsehen soll, vorsehen muss".
Meine Erfahrungen damit: Sie tun das nicht von selber, weil in sehr vielen Schulen Kinder zunächst und vor allem daran gewöhnt werden sollen, zu tun, was man ihnen sagt, was "dran" ist, was kontrolliert werden soll.
Natürlich klappt das bei manchen nicht. Die sind dann eben "schwierig".
Und die anderen haben bald raus, dass man sich nicht erwischen lassen darf, wenn man im Buch schon drei Seiten weiter ist oder gar in einem anderen Buch oder sonstwo nach etwas Interessantem sucht.
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| . | | von: ing_08
erstellt: 25.05.2008 13:02:14 |
Es ist doch aber Unfug, jene "Kompetenzen" bspw. schon in der Unterstufe in einer unerträglich leistungsstagnierenden Art und Weise den Kindern überzubraten.
Eigenverantwortliches Lernen kommt stückweise mit dem Alter, erfordert hohes, anwendungsgerechtes Wissen - und das will erstmal etabliert werden.
Es ist widersinnig und in keinster Weise logisch zu begründen, in den unteren Klassen, dort also, wo das Fundament FÜR ALLES gelegt werden muß, die Kinder mit freiem Unterricht in einer Tour zu überfordern.
An der Universität ist es nicht anders --
ich kann erst in einer Mathematikübung mehr oder minder eigenverantwortlich rechnen, wenn ich die hochanspruchsvolle Mathematikvorlesung gehört und nachbereitet habe;
ich kann erst in einem Praktikumsversuch mehr oder minder eigenverantwortlich Anwenden, Messen und das Colloquium bestehen, wenn ich das nötige Wissen erfaßt, begriffen und verinnerlicht habe.
Je höher der Grad des eigenverantwortlichen Wissenserwerbs ist, desto höher muß der Vorlauf an Fachwissen sein, auf dem aufgebaut werden kann.
Deswegen läuft das Praxissemester im Diplomstudiengang auch immer zum Schluß.
Die Realität ist völlig verdreht worden;
mit einem Ruck will man in der Unterstufe "Kompetenzen" vermitteln, statt den gesunden Menschenverstand zu benutzen und einzusehen, daß eine derartige geistige Emanzipation allerhöchstens ein schrittweiser Prozeß sein kann.
Kinder sollen zu Arbeitsweisen befähigt werden, die das vorhandene Wissen und das vorhandene Sozialverhalten weit übersteigen.
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| . | | von: ing_08
erstellt: 25.05.2008 15:54:13 geändert: 25.05.2008 15:54:37 |
Wissens"vermittlung" ist das eine.
Und zwar der zentrale Aspekt.
Das Wort heißte LEHRE, nicht LERNE.
Wissenserwerb
Muß umso gelenkter erfolgen, desto jünger Kinder sind.
das Finden von Fähigkeiten
Fähigkeiten findet man nicht, sondern vielmehr hat man Fähigkeiten. Es gilt diese auszubauen und durch profunde Methodik, Logik sowie anwendungsgerechtes Wissen einschließlich gewisser Fertigkeiten zu unterlegen und möglichst auszuschöpfen.
Eigenverantwortliches, selbstgesteuertes Lernen kommt mit der Zeit, und zwar durch pädagogische Erziehung einerseits und andererseits durch das Vermögen, auf einen exzellenten Wissensstand als Fundament zurückgreifen zu können.
Guter Frontalunterricht, der vor allem die schwächeren mitzieht, sichert nicht nur ein einheitlich hohes Niveau, sondern erreicht einen hohen Durchsatz in der Stoff-Zeit-Relation.
Manche werden vom Kindergarten an daran gehindert, weil ihnen etwas "vermittelt" werden soll, viele werden vom Schulanfang an daran gehindert.
Klingt wie einer dieser intellektuell flachen Slogans der FDP - Hauptsache entgrenzen, das System reguliert sich schon alleine.
Und natürlich immer zum Wohle aller, denn das egoistische Wohl des einzelnen führt ja - jeden Tag sichtbar! - zum Wohl aller.
Es hat auch bei mir etliche Lehrerjahre gedauert bis ich das gesehen und verstanden habe.
Nunja, ich brauche keine etlichen Jahre, um zu erkennen, daß ein solch anarchistoides Wolkenkuckucksheim völliger Unsinn ist.
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