Liebe Petra,
ich verstehe, dass dich diese Situation völlig mitnimmt. Ich bin weder Lehrerin noch Mutter, aber eine engagierte Tante, die ihre Nichte bei schulischen Problemen unterstützt. Erfahrung mit herausfordernden Kindern habe ich vor Jahren aber durch Hausaufgabenbetreuungen und als Gruppenleiterin im Verein machen können, da ich in einem Stadtteil aufgewachsen bin und gelebt habe, der nur als "sozialer Brennpunkt" bezeichnet werden kann.
Ich habe mit Gruppen von Kindern zwischen 8 und 14 Jahren zu tun gehabt, deren aggressives, freches, stures und unbändiges Verhalten mich ständig herausgefordert hat. Mein Verhalten diesen Kindern gegenüber war immer gleich: ich habe immer konsequent durchgegriffen und war unerbittlich, wenn es um die Einhaltung von Regeln und Vereinbarungen galt. Es bestand nie ein Zweifel darüber, wer die Oberhand hatte. Nie. Und ich hatte auch keine Angst vor den Kindern, auch wenn sie mich aus der Fassung gebracht haben. Ich war offen und ehrlich und ich glaube, sie haben nie an meiner Zuneigung zu Ihnen gezweifelt - auch wenn ich streng war. Ich glaube, gerade meine Konsequenz ist bei Ihnen letztendlich als Interesse und Zuneigung angekommen. Meine Erfahrungen waren letztendlich immer gut, aber vielleicht habe ich auch Glück gehabt.
Ich denke, dir würde vor allem helfen, wenn du deine Angst in den Griff bekommst. Angst lähmt dich und hilflose Kinder reagieren auf die Angst Erwachsener noch hilfloser. Und ist dieses aggressive Verhalten nicht Ausdruck der Hilflosigkeit deines Schülers? Das schlimme ist ja, dass ALLE hilflos sind: Schule, Ämter, Lehrer, Eltern und vor allem das Kind.
Ich habe irgendwo gelesen, dass man alle Gefühle herunter brechen kann auf zwei: Angst oder Liebe. Und bei allen Versuchen, die richtigen und wirkungsvollsten Wege zu gehen, glaube ich, dass du auch einen Weg finden musst, wie du mit diesem furchtbar hilflosen Kind und seinen Ausbrüchen kompetent umgehst. Das ist eine persönliche Geschichte zwischen ihm und dir. Ich hoffe, dir gelingt es, stark zu bleiben und ihm ein wenig Stütze dadurch geben zu können. Auch wünsche ich dir viel Kraft beim Überwinden deiner Angst.
Alles Liebe,
Valeria