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Forum: "Ständig Konflikte in der Pause ... (Grundschule)"

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Ist doch merkwürdigneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: merlot-lagrein Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 23.02.2010 20:35:31


dass immer alle anderen Schuld sind.
Aber dieses Problem haben wir auch öfters und natürlich ist es ja schon gemein von uns bösen Lehrern, dass wir dem Kind nicht glauben.
Ich glaube, dass diese Kinder oft wirklich nicht wissen, wie sie zu anderen Kontakt aufnehmen können. Vielleicht kann man diese Problematik auch in den Sportunterricht aufnehmen. Besonders in der 1. Klasse kann man z.B. mal Pausenspiele zum Thema machen.
Wir geben bei schwierigen Schülern auch manchmal die Parole "Andere berühren ist verboten!" aus. Positive Verstärker sind sehr zeitaufwendig , aber bei vielen Kindern auch sehr erfolgreich. Man kann dabei zur Belohnung die Eltern ins Boot holen, wie oben schon gesagt, aber auch in der Schule belohnen.
Wir lassen uns auch von den betroffenen SchülerInnen selber rückmelden, wie ihrer Meinung nach ihr Pausenverhalten war (Setzt natürlich voraus, dass das Kind etwas ändern WILL)
Wenn alles nichts hilft, bleibt nur die Pause vor dem Lehrerzimmer, was natürlich alles andere als das Gelbe vom Ei ist, aber die anderen Sus haben ja auch Rechte.
Was mich immer wieder erschreckt ist, dass die Kinder, bei denen solche drastischen Maßnahmen ergriffen werden müssen, immer jünger werden. In unseren 1. Klassen sind 2 Kinder, bei denen schon 2 Tage Schulausschluss verordnet wurde (!!!), um die anderen zu schützen.


Vielen Dankneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: blaurot Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 28.02.2010 13:03:31

für eure zahlreichen Meldungen.
Ich war in der letzten Woche krank und komme jetzt erst zum Lesen.

Ich habe dem Schülern nun 2 Pausenverbote verordnet. Eher aus Hilflosigkeit, weil ich es einfach nicht mehr ertrage, meine Pausen mit seinen Konflikten zu füllen. An die Wirkung glaube ich noch nicht so richtig, weil er irgendwie nicht versteht, wo das Problem liegt.
Seine Eltern "unterstützen" ihn in gewisser Weise, da sie der Meinung sind, er sei hochbegabt und sein problematisches Verhalten läge daran, dass die anderen Kinder ihm nicht gewachsen seien. Verquer das alles!!!
Der Arme sucht (Körper-)kontakt, indem ich sich an die anderen heranschmeißt (wortwörtlich zu verstehen). Die anderen Kinder finden das weniger witzig und schon ist der beste Kampf oder die schönste Heulerei ausgebrochen.
In der Klasse wird er erduldet. Von den anderen Kindern heißt es nur "M. lass' mich in Ruhe!" oder "Schon wieder M....".
Beim Kreis will ihn niemand anfassen.
Ich denke, ich setze ihn jetzt allein und gebe ihm Extra-Aufgaben, auch wenn ich Isolation ätzend finde.

Hilflose Grüße
blaurot


Aufgabenneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: tanteerna Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 01.03.2010 16:24:01 geändert: 01.03.2010 18:27:14

Gib ihm aber Aufgaben für Hochbegabte, dann freuen sich wenigstens die Eltern!



Viele Grüße
tanteerna


Regelnneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: janne60 Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 01.03.2010 17:33:34

gibt es denn in eurer Klasse Regeln, auf die du dich berufen kannst? Du schreibst, du reibst dich an seinen Konflikten auf. Wenn er aber gegen Regeln verstößt, muss er selbst sich mit den Folgen auseinandersetzen (notfalls soll er sich aufreiben, aber doch nicht du!)
Wir haben 3 einfache Regeln
- Ich tue niemandem am Körper weh
- Ich tue niemandem an der Seele weh
- Ich vergreife mich nicht an fremden Sachen
Verstoß gegen die Regel bedeutet Konsequenzen (in Form von Wiedergutmachung am Geschädigten bzw. von Verträgen, wie künftig miteinander umgegangen werden soll).
Ist anfangs aufwändig, zahlt sich aber mit der Zeit aus. Gerade solche Kinder werden sonst immer weiter in die Rolle des Buhmannes gedrängt (und entschuldigen irgendwann auch jegliches Fehlverhalten damit, nach der Devise "ist der Ruf erst ruiniert...")


Schwieriges Problemneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: caldeirao Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 02.03.2010 17:06:28

Ich vermute auch, dass er nicht weiß, wie er Kontakt aufnehmen kann. Die logische Konsequenz ist, dass er es lernen muss.
Die Frage muss m.E. heißen, wie lernt der Junge vernünftig Kontakt aufzunehmen.
Dazu gab es aus meiner Sicht reichlich Anregungen.

Klare Regeln aufstellen. (Aber bitte nicht so wie janne, alles in der Negativform, so macht man Menschen handlungsunfähig, sondern was sie dürfen)Regeln durchsetzen evt. Verstärker einsetzen.
Kinder zum Spielen zuordnen mit klaren Ansagen- anschließende Reflexion,
Handlungsalternativen im Rollenspiel oder bei Methaphergeschichten aufzeigen.
Es gibt verschiedene Gewaltpräventionsprojekte. Da ich in diesem Bereich nicht arbeite kenne ich nur Leo, aber es gibt hier bestimmt viele Leute mit Erfahrungen.
Wenn er so gut ist, vielleicht kann er auch mal als Helfer eingesetzt werden (Du kannst das mit ihm trainieren)- anschließend Verhalten reflektieren

Übrigens würde ich mich nicht darüber lustig machen, dass er hochbegabt sein könnte. Das kann man über den Schulpsychologen abklären lassen. Hochbegabte Kinder zeigen verhältnismäßig oft irgendwelche Verhaltensstörungen und er wäre auch nicht das erste Kind, dass mit einer Hochbegabung in der Schule mit Förderbedarf geistige Entwicklung landet.

Strafen sind m.E. nicht das richtge Mittel, um etwas zu lernen.

Ich wünsche Dir viel Kraft und Erfolg mit dem Kind.


Off topic: Hochbegabungneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: tanteerna Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 02.03.2010 18:16:50

Ja, hochbegabte Kinder zeigen oft Verhaltensauffälligkeiten. Nur gilt der Umkehrschluss nicht unbedingt.

Leider wird die "Diagnose" "Hochbegabung" von Seiten der Eltern allzu oft gestellt, um Verhaltensauffälligkeiten zu entschuldigen.

Empfiehlt man den Eltern dann, dies beim Schulpsychologen abklären zu lassen, besteht oft daran gar kein Interesse - vermutlich aus Angst, das Kind könnte sich vielleicht doch als völlig normal begabt herausstellen.

tanteerna


Hochbegabt oder nichtneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: janne60 Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 02.03.2010 19:52:19 geändert: 02.03.2010 19:53:38

damit darf man kein Fehlverhalten entschuldigen. Er hat sich trotzdem an Regeln zu halten. Eltern kann man sowas immer ganz gut mit Beispielen aus dem Straßenverkehr aufzeigen, dann verstehen sie's am ehesten (in diesem Fall also möge der Vater sich nur vorstellen, er regt sich über den Vordermann auf und braust ihm dann vor Wut hinten rein. Das geht eben nicht, Regeln müssen eingehalten werden, sonst funktioniert Zusammenleben nicht.

@caldeirao:
du kannst die o.g. Regeln gern umformulieren, es läuft immer darauf hinaus:
Die Würde, der Körper, die Gefühle und das Eigentum des Anderen sind unantastbar.
Damit kommst du an das heran, was unter dem Begriff Menschenrechte überall auf der Welt gilt.
Und je kürzer und griffiger die Regeln, umso besser prägen sie sich ein.
Außerdem finde ich die Formulierung gar nicht negativ (das wäre dann eher ein Satz mit "ich darf nicht..."). Es ist eine Feststellung, eine Tatsache, und da kommt bei mir keiner ohne Konsequenzen dran vorbei (und das sind wohlgemerkt nicht blödsinnige Strafen, sondern Folgen, aus denen die Kinder lernen, ihr Verhalten zu ändern)


so viele Seitenneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: jarliks Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 07.04.2010 21:17:54

sind schon beleuchtet und Vorschlägen sind aus Erfahrungen
heraus geschrieben. Da kann ich nur noch mit der Idee
kommen, die Wahrnehmungsschulung außerhalb von Schule
vorzuschlagen. Alles kann Schule ja mit ihrem knappen Zeit-
und Personalbudget nicht schaffen und kleine förderliche
Einheiten unter weiterer professioneller Anleitung können
hilfreich sein. Ergotherapie fällt mir dazu ein und ist mit dem
Hausarzt abzusprechen. Manche Eltern - diese Eltern - scheinen
ja auch überzeugt von ihrem Prinzen und sind geblendet durchs
eigene Familiensystem - die gehen garantiert nicht freiwillig zur
Diagnostik. (Hausarzt ist harmloser für sie... Leider
bedeutet auch dieser Vorschlag, dass viel Zeit ins Land gehen
wird... die du täglich bewältigen musst. ... aber gesagt haben
wollte ich es mal.
WAS ich mich allerdings frage ist, woher die Eltern auf die Idee
der Hochbegabung kommen ? ... Kindergartenfloh...?
Psychologe ?.
toitoitoi für deinen Alltag


Hier schwimmen viele in einer Suppeneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: beate7866 Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 17.08.2010 13:02:59

Erst einmal Danke! für das Thema. Ich habe es leider erst heute gefunden. Diese Plattform ist einfach riesig.

Danke auch an caldeirao und jarliks für ihre Gedanken.

Ich habe selbst ein auf Hochbegabung diagnostiziertes Kind. Diese ganze Problematik ist mir so vertraut das ich behaupten könnte es wäre mein Sohn.

Hier kommen meine Vorschläge:

- besuchen sie ein Hochbegabtenforum und Chaten sie dort mit Betroffenen, damit Sie verstehen lernen wie diese Menschen ticken.

- laufen sie als Lehrer nicht vor dem Konflikt mit dem kleinen Mann davon, stellen sie sich der Aufgabe.

- Fragen sie die nächste Ergotherapeutin nach STOP-Karten oder erstellen Sie sie selber.
1. Karte Stopzeichen
2. Karte "Was ist los?"
3. Karte "Wie mache ich es anders"
4. Karte SUPER geschafft.

- Geben sie diesem Kind die Antworten nicht vor.
- Situationen die sie einmal erklärt haben mit Lösung zu Ihrer Kritik, nicht noch einmal erklären. Lassen sie den Kopf von diesem Kind arbeiten. Schicken sie ihn mit der zusätzlichen Hausaufgabe weg -> schreibe mir 3 Lösungswege für dein Verhalten auf. Geben sie dem Kind am nächsten Tag 3 Minuten Zeit mit Ihnen in Ruhe darüber zu reden.

- Fragen sie ihn doch einfach einmal warum er so agressiv ist.
Mein Sohn gab dann zur Antwort: " Weil alle so laut sind und mein Kopf dann so voll ist. Ich verstehe dann nicht mehr was der andere sagt. Das macht mich wütend."

Viele Hochbegabte denken mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Ihr Kopf kommt selten zur Ruhe. Um eine relative Ruhe zu erreichen, träumen sie oft und vernachlässigen sich selbst und ihr Umfeld.
Ihre Nervenbahnen sind noch lange nicht ausgewachsen und reagierten als Gegner zu ihrem IQ. Die Nerven ertragen diese Geschwindigkeit noch nicht und reagieren mit Agression. Ihr Verhalten aber ist altersgerecht.

Diesen Teufelskreis können sie nur mit absoluter Konsequens und Ruhephasen durchbrechen.

Dazu müssen sie die Eltern in den Hintern treten.
Bestehen sie darauf das der Junge ausgetestet wird. Die Psychologen können ihnen sagen wo es hakt.
Bei uns ist es die optische und akustische Differenzierung mit einer schlechten Motorik. Hier setze ich als Mutter zu Hause an. Sie sollten mit dem Arzt und den Eltern im beisein einer Ergotherapeutin sich einmal beraten.

Malen sie die Zukunft des Kindes ruhig einmal in düsteren Farben aus bei den Eltern. Vielleicht können sie sogar über das Jugendamt einen Beisitzer für das Kind bekommen. Der dieses Kind während des Unterrichts und in den Pausen helfend begleitet.

Ich denke damit wäre Ihnen, dem Kollegium und den Mitschülern geholfen. Ich kann ihnen versichern das sie am Anfang viele Nerven lassen aber dann sprunghafte Erfolge sehen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

Eine geplagte Mutter




Etwas spät - aber nicht minder aktuellneuen Beitrag schreiben zur Forenübersicht   Seitenanfang
von: helene912 Userprofil anzeigen Nachricht senden erstellt: 05.05.2024 20:29:44

Ich habe alles durchgelesen in diesem Thread. Ich habe Verständnis, dass man als Lehrkraft manchmal wirklich an seine Grenzen kommt und auch Dinge tut, von denen man weiß, sie lindern nur das Symptom (Pausenverbot z.B.), nicht aber die (unbekannte) Ursache.

Mit seinem Verhalten wird solch ein Kind, wie oben beschrieben, immer bei seinen Altersgenossen auf Widerstand stoßen; noch schlimmer, wenn gleich zwei oder mehrere Kinder so "ticken". Meistens werden solche Kinder es nicht auf die gymnasiale Oberstufe schaffen.

Eines aber finde ich wichtig: So ein Kind sollte in seiner Lehrkraft immer einen guten Freund finden. Das ist natütrlich viel verlangt. Aber nicht unmöglich.

Was, wenn man zum Beispiel nach Marshall Rosenberg vorgeht und das zwischen den Streithähnen in der Giraffensprache regelt? Die Fortbildung ist teuer, aber jeden Cent Wert, finde ich.

Nur mal so als Beispiel aus einem Kiga, in dem ich mit etwa 26 Jahren als Praktikantin gearbeitet habe im Rahmen der Logopädie-Ausbildung (und ja klar, Lehrer haben oft nicht die Zeit, aber ich denke, es könnte etwas veranschaulichen):

Ich spielte mit einem Kind auf dem Bauteppich, als - nennen wir ihn mal Aaron - zu uns trat. Er schrie plötzlich und fegte unseren mühsam erbauten, 60 cm hohen schönen Turm mit einem Schlag in Trümmer. Das Kind neben mir wollte anfangen zu weinen, protestierte und sah mich an.

Aaron war bekannt dafür, "immer alles nur zerstören zu wollen". Niemand mochte ihn, kein Kind, kein Erwachsener. Aaron war im Grunde völlig allein. Und verstand, ebenso wie das Kind in Eurem Beispiel oben, gar nicht, was an seinem Vorgehen falsch war.

Ich wollte, dass ihm einfach mal jemand eine Hand reicht, es machte mich total traurig, wie er da stand und darauf wartete, von mir angemault zu werden.

In meiner Ausbildung hat eine sehr kluge Lehrlogopädin einmal Folgendes gesagt:

"Ihr müsst schauen, wo Euer Patient sich gerade befindet. Ihr könnt nur von ihm verlangen, was er kennt und beherrscht. Ihr könnt keinen Elefanten zum Fliegen bringen, es sei denn, er heißt Dumbo und ist nicht real. Wenn jemand ein [sch] nicht aussprechen kann, dann kann er es auch nicht, wenn ihr es einfach noch einmal von ihm verlangt! Ihr könnt es auch 100mal verlangen, das wird nichts ändern. Und wenn Ihr es 100mal geschafft habt, ihn scheitern zu lassen - glaubt mir, er wird euch nicht mögen! Die Krux ist: Wenn er Euch nicht mag, dann werdet Ihr ihm wahrscheinlich nichts beibringen können, weil er es ablehnt.

Holt also Eure Patienten dort ab, wo sie sind. Wenn sie nörgelig sind oder vorlaut, ignoriert es! Wenn sie einen Laut nicht beherrschen, ignoriert es! Aber wenn er den Sprachlaut auch nur ein einziges Mal aus Versehen richtig produziert, lobt ihn! Wenn er ein schönes Hemd anhat, lobt das schöne Hemd! Wenn er ein hübsches Gesicht hat, lobt das! Macht Euch auf die Suche nach etwas, das ihr wirklich an dieser Person gut leiden könnt! Ihr werdet bemerken, dass das eine positive Beziehung zwischen euch und eurem Patienten ermöglicht. Und nur, wenn diese Beziehung gut etabliert werden konnte, nur dann werdet ihr erstaunliche Therapieerfolge erzielen. Mit welcher Methode ihr danach weitermacht, ist fast schon egal."

Ich hatte diese Worte gerade frisch eingebläut bekommen und sah ein paarmal zwischen dem zerbrochenen Turm und den beiden Kindergesichtern hin und her -

Dann schrie ich: "Oh nein, ein Tornado! Oh nein! Polizei! Feuerwehr!"

Okay, danach musste ich erst einmal erklären, was ein Tornado ist, aber dann sah ich Aaron an und rief: "Hast du eine Ahnung, wo die Polizei bleibt? Wir haben hier Opfer, der Turm ist eingestürzt! Krankenwagen, schnell!"

Aaron sprintete zur Fensterbank, da lagen Feuerwehrautos und Krankenwagen. Ein weiteres Kind hatte das Chaos mitbekommen und lief mit einem weiteren Polizeiauto herbei. Dann wollten die beiden Aaron verhaften, aber ich sagte:

"Nein, der Aaron war doch nur der Wirbelsturm, stimmt's, Aaron?"

Und der Kleine nickte so heftig, dass ihm die Brille herunterfiel.

Anschließend haben wir Kranke, also ein paar Puppen, ins Krankenhaus gebracht, Aaron hat das Feuer mit dem Feuerwehrauto gelöscht und alle drei Kinder haben danach zusammen den Turm wieder aufgebaut. Ich war eine Woche lang da gewesen, aber es war das erste Mal, dass ich Aaron mit anderen Kindern habe spielen sehen.

Übrigens hat danach das 3. Kind den Turm wieder "weggepustet", da war er dann der Wirbelsturm. Aaron hing mir von Stund an an der Hose und was auch immer ich ihm sagte, saugte er auf wie ein Schwamm. Er war nicht so dumm, wie alle in der Gruppe meinten, und er weinte, als ich ging.

Stigmatisierung ist sicher nicht etwas, das Lehrkräfte wollen oder verursachen; aber Isolierung kann immer nur eine seltene Übergangslösung sein. Eigentlich ist es keine Lösung, im Gegenteil, das Problem wird nur fester verknotet.

In einem ruhigen Gespräch mit allen Parteien (also, den beteiligten Kindern) kann man immer mal ein paar positive Seiten des Störenfrieds erwähnen, zum Beispiel:

"Du bist doch ein recht schlauer Bursche." oder

"Wolltest du spielen? Das wäre kein Problem, wenn du nur ein bisschen vorsichtiger bist, nicht jeder ist so robust wie du." oder

"Zeigt ihm mal, wie ihr angesprochen werden wollt." an die anderen Kinder.

Das sind übrigens nicht einmal Beispiele aus dem Programm von Rosenberg, das ist auf meinem Mist gewachsen.

Ich wurde einmal als Kind von einem Jungen und seiner "Bande" in einer Telefonzelle eingesperrt (für alle Jüngeren: kleine gelbe Zellen aus Hartplastik mit einem Telefon drin, das in der Öffentlichkeit auf Plätzen oder am Straßenrand stand, weil es ja noch keine Handys gab). Ich erkannte den Jungen, nennen wir ihn "Max", denn er war ein Mitschüler. Ich winkte ihm zu und gab zu erkennen, dass ich es bin und er mich doch kannte. Er schickte sofort seine Bande weg und wollte mit mir spielen. Was wir dann auch taten. Ich fühlte mich zwar dazu gezwungen, aber ich wusste auch noch viel mehr über ihn, als er vielleicht selbst wusste.

Sein Vater war im Knast. Seine alleinerziehende Mutter fuhr nackig auf dem Fahrrad durch unseren Stadtteil. Sein älterer Bruder war im Jugendstrafvollzug. Wen hatte er schon, der sich um ihn kümmerte? Wer hätte ihm Regeln, Benimm oder was auch immer beibringen können?

Unsere Lehrerin hatte ihn bei uns vor die Klasse gestellt und uns gepredigt:

"Ich will, dass ihr euch den Max genau anschaut! Ich will, dass niemand jemals so wird wie er!"

Hart, ne? War aber in meiner Kindheit durchaus gängige Lehrerpraxis.

Und ich sah in die Augen dieses sommersprossigen Jungen, der so allein war und nicht einmal genau verstand, was die alte Frau da gerade tat - aber er verstand genug, dass es ihn schmerzte. Es war der Tag, an dem ich meine Lehrerin nicht mehr wirklich leiden mochte. Aber da war ich eher allein.

Als Max und ich 21 Jahre alt waren, haben wir uns wiedergesehen. Ich war auf der Uni und jobbte gerade an einer Trinkhalle. Er war arbeitslos und heroinabhängig und ging so, wie nur Heroin eine Gangart verursacht, mit krummem Rücken und eingeknickten Knien. Einen Monat später war er tot. Er wurde nur 21 Jahre alt. Goldener Schuss.

Immer, wenn ich auf "böse Kinder" stoße - ich weiß, auch ihr würdet sie nie so nennen, aber die Mitschüler*innen tun das sicherlich und wenn sie älter werden, haben sie noch ganz andere Begriffe parat -, dann bin ich tieftraurig, weil ich den meisten, wenn sie nicht IQ-eingeschränkt sind, ihre Einsamkeit förmlich ansehe. Ich würde mich immer auch einem Täter in Wohlwollen zuwenden, nur um ihm aufzuzeigen, dass er kein Täter sein muss, dass es etwas wie Menschenliebe gibt, für die es sich aus den widrigsten Situationen herauszukämpfen lohnt.

Ich will eigentlich niemanden hier belehren, ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen, wenn das so rüberkommt, dann habe ich nicht die richtigen Worte gefunden und entschuldige mich. Dennoch möchte ich dafür plädieren, solche Kinder nicht allein daran messen, wie hart sie den Frieden in der Gemeinschaft stören, sondern auch stets dem etwas entgegenzusetzen, das diese Kinder so tief in ihrem Inneren verletzt hat, dass sie ihre eigenen Gefühle nicht mehr ausleben können außer in Gewalt.

Es mag auch Kinder geben, die eine schöne Kindheit hatten und trotzdem ausklinken - aber, wie sagte der Arzt, der mich in der Logopädie ausgebildet hat: häufig ist häufig und selten ist selten. Und ganz selten haben Leute Läuse und Flöhe.

Im übrigen finde ich die Ausgangsfrage hier total gut, denn das zeigt ja, wie wichtig es war und ist, das Thema hier zu besprechen. Und auch viele der Antworten fand ich kreativ und richtig. Mir selbst war einfach extrem wichtig, diesen Aspekt der kindlichen Psyche zu durchleuchten. Danke fürs Lesen.



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