viele Menschen immer unsicherer in der Rechtschreibung?
Darüber lohnt es sich m.E. einmal nachzudenken.
Bestimmt hat die so genannte Rechtschreibreform daran einen Anteil. Obwohl ich mich persönlich da ganz gut mit arrangiert habe, meine ich schon, dass der Duden keine eindeutige Orientierung mehr gibt, sondern verunsichert und uns einen "Markt der Möglichkeiten" anbietet. Vieles scheint jetzt erlaubt zu sein. In der Konsequenz "basteln" sich viele ihre Rechtschreibung. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein recht lesenswertes Buch hinweisen: Claudia Ludwig/Karin Pfeiffer: "Der große Blöff". Es kann über den Stolzverlag oder die einschlägig bekannten Internetanbieter gekauft werden.
Wenn ich mich in Internetforen oder in den sozialen Netzwerken umsehe, werde ich in meinem Eindruck von der anscheinend grenzenlosen Rechtschreibfreiheit bestätigt. Fast unwidersprochen darf dort inzwischen jede(r) so, wie sie/er möchte. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber selbst in seriösen Foren wie diesem gibt es offensichtlich keine einheitlichen Standards mehr. Genauso wie es für mich selbstverständlich ist, kein Papier achtlos auf den Boden fallen zu lassen, lese ich Texte immer noch Korrektur. Das ist mir sehr wichtig und hat etwas mit "Haltung" zu tun. Dennoch können mir natürlich auch noch Fehler unterlaufen. Aber ich habe mich zumindest bemüht, sie zu finden und zu verbessern. Das ist manchmal anstrengend und auch lästig, aber am Schluss freue ich mich dann immer wieder über das Geschriebene. Oftmals können SchülerInnen heutzutage gar nicht mehr "Korrektur lesen", weil sie nicht mehr spüren, was falsch sein könnte. Vielen Zeitgenossen scheint es inzwischen vollkommen egal zu sein, was sie da schriftlich abliefern. Ich glaube einfach, dass die Anonymität im Internet diese Entwicklung noch gewaltig fördert. Wenn absolute Freiheit herrscht und es keine korrigierende Instanz gibt, gleiten wir in anarchische Zustände ab. In den bereits erwähnten Foren oder beim privaten Simsen sind wir m.E. an diesem Punkt angekommen.
Aber worüber wundern wir uns? Selbst dort, wo die Rechtschreibung gelehrt und gelernt werden sollte, dürfen ABC-Schützen oft genug so schreiben wie sie wollen. Ich kenne noch Zeugnisse mit einer ausgewiesenen Rechtschreib- und Schreibzensur. Geschadet hat's uns nicht! Später schrieb ich als Lehrkraft zumindest unter die Diktate noch eine Note für "Schrift und Form". Gibt's das heute eigentlich noch? In den Aufsätzen wird die Rechtschreibleistung ebenfalls kaum noch gewürdigt oder gewertet. Kinder nach dem Gehör schreiben zu lassen, fördert (angeblich) die Schreibkreativität. Da frage ich mich einigermaßen verwundert: Was spricht dagegen, sowohl richtig als auch kreativ zu schreiben? Ich war "stolz wie Oscar", wenn ich so etwas zustande gebracht hatte, und dafür dann von der Lehrkraft und meinen Eltern gelobt wurde. Wofür können die Kinder heute gelobt werden? Für einen Text, in dem es nur so von Fehlern wimmelt, und der wegen der krickeligen Schrift kaum zu lesen ist? In einem so abgefassten Bewerbungsschreiben können die kreativen Elemente gar nicht entdeckt werden, weil die Mappe bereits vorher entnervt zur Seite gelegt worden ist. Ich gebe zu, das ist ein wenig überzeichnet, aber es gibt tatsächlich nicht wenige SchülerInnen, die genau aus diesem Grund nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Sie haben in ihrer Schulzeit niemals gelernt, dass inhaltliche Korrektheit und eine ästhetische Form zwei Seiten einer Medaille sind.
Neulich berichtete mir mein Frisör, dass eine Auszubildende eine sehr fehlerhafte Entschuldigung abgegeben habe, die er aber in der Form nicht akzeptierte. Er empfand das als eine regelrechte Beleidigung und Frechheit. Wir unterhielten uns dann über mögliche Ursachen für diese Entwicklung. Meine Antwort habt ihr gerade gelesen.
In diesem Sinne, macht was aus diesem Tag!