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Forum: "Lernmethode 'Lesen durch Schreiben':"Das ist völliger Unsinn!""
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| Noch eine Anmerkung | | von: bakunix
erstellt: 20.06.2013 17:51:25 |
Im Spiegel von 1984 steht:
Mit der Rechtschreibung wird es immer schlechter, das Ausdrucksvermögen nimmt mehr und mehr ab. Der Niedergang meldet sich nicht nur in den Schulen der Bundesrepublik, sondern längst auch in den Amtsstuben, in Büros oder Betrieben. Betroffen sind Berufsanfänger wie Doktoranden, und Wissenschaftler beobachten eine allgemeine "Abkehr von der Schriftsprache". Ist das Deutsche auf dem Wege zum Kauderwelsch?
Das ist 27 Jahre her. Wer damals die GS besuchte, ist heute jenseits der 30. Wer damals studierte, ist in den 60er Jahren geboren, also schon um die 50. Wie viele der hier Schreibenden fallen darunter? Die meisten. Wenn es schon so lange bergab geht, müssten wir heute alle Analphabeten sein. Oder nicht?
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13508690.html |
| Ich glaube auch | | von: caldeirao
erstellt: 20.06.2013 20:51:34 geändert: 20.06.2013 20:53:13 |
dass die schlechten RS Leistungen damit zusammenhängen, dass stures Üben total verpönt ist, die Anstrengungsbereitschaft und damit das Durchhaltevermögen gesunken ist und viel mehr Wert auf Kreativität gelegt wird und damit hat RS nichts zu tun. Wo sitzen heute noch die Kinder in Reih und Glied und zucken sich nicht, weil sie Angst vor dem Rohrstock haben.
PS: janne, genau das was Du schreibst meine ich mit meinen ersten Zeilen, die haben sich überschnitten.
Ich finde es zum Beispiel ätzend für die Kinder, die schon Bücher lesen können, wenn sie von Anfang an Omi Mama am Haus (Bild) erst mal lernen und mindestens ein Jahr warten, bis sie im Lesen auch mal was lernen.
Weiterhin ist es ätzend, wenn die Kinder schreiben wollen, hoch motiviert sind und gebremst werden, weil die RS mangelhaft ist. Hier kann man pädagogisch sinnvoll in kleinen Nachrichten auch berichtigen.
Wenn ich eine Methode verwende, die für das Kind nicht sinnvoll ist, ist es immer schlecht. LdS funktioniert eben nicht, wenn das Kind nicht ordentlich spricht. Dann muss man eben einen anderen Weg gehen. Das ist eben auch individualisierter Unterricht. Was für das eine Kind gut ist, ist eben für das andere Kind schlecht. Deshalb muss ja die Methode nicht schlecht sein.
Und das Beispiel mit dem Satz der 1. und 3. Klasse hinkt aus meiner Sicht. Ein Kind, dass den traditionellen Unterricht erlebt hat und besser schreibt als eine Drittklässlerin, ist aus meiner Sicht wesentlich begabter, denn in der ersten Klasse einen Text zu schreiben, gelingt nicht vielen Kindern. Und jeder der schon mal Versuchsreihen aufgestellt hat, weiß, dass man aus 2 Beispielen keine Rückschlüsse ziehen kann und auch keine Tendenz.
Die weitere Frage wäre ja auch, wie sich die beiden Kinder insgesamt entwickelt haben. RS ist ja nicht alles. Und wie schon jemand geschrieben hat, gibt es so viele RS-Hilfen, die schon mal jede Menge Fehler korrigieren, dass man auch mit schlechter RS gute Texte schreiben kann.
Auch zu meiner Schulzeit gab es extrem schwache RS-Kinder, die immer eine 5 im Diktat hatten (6 gab es noch nicht).
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| @caldeirao | | von: petty1412
erstellt: 20.06.2013 21:00:42 geändert: 20.06.2013 21:03:51 |
"Und das Beispiel mit dem Satz der 1. und 3. Klasse hinkt aus meiner Sicht. Ein Kind, dass den traditionellen Unterricht erlebt hat und besser schreibt als eine Drittklässlerin, ist aus meiner Sicht wesentlich begabter, denn in der ersten Klasse einen Text zu schreiben, gelingt nicht vielen Kindern. Und jeder der schon mal Versuchsreihen aufgestellt hat, weiß, dass man aus 2 Beispielen keine Rückschlüsse ziehen kann und auch keine Tendenz.
Die weitere Frage wäre ja auch, wie sich die beiden Kinder insgesamt entwickelt haben. RS ist ja nicht alles. Und wie schon jemand geschrieben hat, gibt es so viele RS-Hilfen, die schon mal jede Menge Fehler korrigieren, dass man auch mit schlechter RS gute Texte schreiben kann. "
Ich wollte mit meinem Vergleich zwischen Cousin und Cousine auch keineswegs auf die Allgemeinheit zurückschließen.
Wie sich mein Sohn noch entwickeln wird, kann ich nicht sagen, da er ja gerade jetzt noch in der 1.Klasse ist.
Seine Cousine ist inzwischen 15 und eine ganz passable Schülerin. Keine Überfliegerin, aber sie wird ihren Weg locker gehen. Und intelligent genug, um in den letzten 9 Jahren die Defizite aus den ersten Schuljahren inzwischen ausgeglichen zu haben. Eben eines jener Kinder, die es lernen können, egal mit welcher Methode
Es hat nur eben eine ganze Weile gedauert.
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| Beispiele | | von: palim
erstellt: 21.06.2013 01:02:30 geändert: 21.06.2013 01:07:33 |
Diese einzelnen Beispiele... davon habe auch ich noch einige:
In meiner Klasse (Ende 3. SJ) sitzen ganz unterschiedliche Kinder.
Einige schon von Beginn an, andere seit kurzem. Unter ihnen sind Kinder, die eine sehr gute, eine gute und eine mäßige Rechtschreibung haben. Die vor den Zeugnissen durchgeführte Schreibprobe zeigt es mal wieder in deutlichen Ergebnissen.
Unter denen, die nicht so gut im RS sind, gibt es
a) Kinder, bei denen zu Hause nicht gelesen wird, wenig erzählt wird, flimmernde Medien den Tag bestimmen, begleiten... und bei denen Kinder ohnehin eher nebenbei mitlaufen.
Diesen Kindern hätte Unterricht mit frühen Diktaten sicher nicht geholfen. In der Regel reicht die vorhandene Übungszeit nämlich nicht. Natürlich kann man auch im Unterricht üben, aber oft erfolgt der Lernzuwachs darüber, dass täglich zu Hause mit den Kindern geübt wird.
Interessiert das zu Hause aber niemanden, dann gibt es auch nur einen sehr geringen Lernzuwachs.
b) Kinder, die von Anfang an aufgefallen sind (phonologische Bewusstheit, Raum-Lage-Wahrnehmung). Diese Kinder haben gar nicht die Voraussetzungen, die sie bräuchten, um RS zu erlernen, um Nuancen zu hören, um Wortbilder zu speichern.
Diesen Kindern hätte Unterricht mit frühen Diktaten ihr Unvermögen sofort vor Augen geführt. Man hätte besonders viel üben können. Angesichts der o.g. Störungen hätten die Kinder aber dennoch viele Fehler im Diktat.
Ebenso könnte man von einem Gehörlosen erwarten, dass er im Diktat Erfolg hat. Mit genügend Übungen könnte er die Worte von den Lippen lesen... aber hören könnte er dennoch nicht.
Nun gehe ich andere Wege,
lasse Kinder möglichst früh eigene Texte schreiben, die auch so wie sie sind, stehen bleiben.
Ich benutze Elemente von LdS, verbinde sie mit anderen Inhalten und Ansätzen.
Eigene Texte bleiben stehen,
abgeschriebene werden aber durchaus korrigiert.
Die Kinder entwickeln Freude am Erzählen, am Mitteilen, eine Schreibkultur. Einige haben 2 Jahre lang nahezu jeden Morgen freiwillig kleine Geschichten geschrieben, die dann morgens oder zum Frühstück verlesen wurden. Einen vollen Ordner mit Geschichten haben wir in der Klasse stehen. OHNE Aufsatz, ohne Diktat, ohne entsprechende Hausaufgaben. Es gab allein die Möglichkeit und das Vorlesen.
Es gab auch Schreibaufgaben, Abschreiben, Wörterbuch und vieles mehr, aber eben auch die Lust am Erzählen und Mitteilen, die geweckt wurde.
Schreiben lernt man durch Schreiben.
Wege entstehen beim Gehen.
Manche Kinder gehen Umwege, aber diese können helfen, anzukommen.
Nun habe ich seit einigen Wochen und Monaten 4 neue Kinder in der Klasse (alle durch Zuzug und Schulwechsel).
1 Kind kommt aus Syrien. Die RS ist noch nicht gut. Wie auch. Das Kind spricht kaum Deutsch.
Die anderen drei haben alle eine LRS- deutlich.
Sie hätten in den ersten Tagen keinen Satz freiwillig geschrieben. Bei einem Kind war es schon mühsam, dass es überhaupt innerhalb von anderen Aufgaben ans Schreiben kam.
Es war schwierig, ihnen zu vermitteln, dass beim Aufsatz oder Geschichtenschreiben erst einmal die Idee zählt.
Erst nachdem sie es bei den anderen Kindern gesehen hatten, dass nicht direkt der Rotstift durch die Geschichte wandert, haben sie geschrieben.
Bei einem Kind war es dann so, dass es gleich mehrere Seiten verfasst hat.
Es gibt Kinder, die auf das Einrad steigen und sofort losfahren. Andere fallen hundert Mal herunter und steigen doch wieder auf, brauchen eine Stütze, bis sie es dann selbstständig schaffen.
Es gibt Kinder, die das System der Schrift schnell begreifen und mit Hilfe einer Anlauttabelle eigene Gedanken verschriften können.
Andere nutzen Hilfen, Silben, Regeln, Ableitungen, Wörterbücher etc., bis sie sicherer werden.
Der Unterricht im Lesen und Schreiben ist eine Wissenschaft für sich. Man muss genau beobachten und unterschiedlichen Kindern verschiedene Möglichkeiten einräumen, Hilfen anbieten, Wege aufzeigen.
Es ist wichtig, sich nicht allein mit der Rechtschreibung auszukennen, es gehört auch viel Sprachwissenschaft dazu, genauso wie Pädagogik und Entwicklungs- und Wahrnehmungspsychologie.
Vielleicht sollte man anerkennen, dass "das bisschen vormittags spielen" und der "Kinderkram" auf einem ganz anderen Niveau reflektiert sein sollte, als es die können, die sich mit den Inhalten nicht auseinander gesetzt haben.
Vor einigen Tagen schrieb schon jemand, wie es wohl wäre, wenn Ergebnisse gymnasialer Bildung von GrundschullehrerInnen beurteilt und in ihrem Ergebnis auf die am Gymnasium unterrichtenden Lehrkräfte projiziert würden.
Wer gut ausgebildete Menschen möchte, sollte nicht argwöhnen, sondern gute Bedingungen schaffen. Möglichst bald und möglichst früh. Das täte nicht allein der Rechtschreibleistung vieler gut.
Palim |
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