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Forum: "Schulzeitverkürzung - Ein Brief an Marie"
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 | @missmarpel |  | von: janne60
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erstellt: 19.01.2014 14:26:25 geändert: 19.01.2014 14:31:02 |
Bin ich ganz bei dir, die Sache ist ja nur die, dass wir immer im Moment entschieden haben, was gerade gut fürs Kind ist und nicht mit dem Vorlauf "was könnte in 5-8 Jahren gut sein?" (was 1. keiner tut weil das 2. niemand wissen kann).
Da Tochter Ende Klasse 4 sehr gute Noten hatte und überdies recht musisch beschlagen, wählten wir ein Gymnasium mit Musikzweig. Diese Wahl haben wir, was die Schule betrifft, auch nicht bereut. Es gibt in der Nähe sogar ein reines Oberstufengym., mit dem wir kürzlich einen Moment geliebäugelt haben, aber es ist ein technisch orientiertes Gym., und da passen halt wieder die Fächer nicht.
Fazit: Das Prinzip ist immer ganz einfach, nur der Individualfall gestaltet sich dann doch komplizierter und zuweilen eben auch nicht durchführbar.
Übrigens: Die Zeitersparnis in Kl.9/10 spüren wir momentan ganz schön. In allen Fächern wird durch den Stoff gejagt, dass einem fast die Luft wegbleibt. Gerade hierzu hatte mir der Artikelschreiber aus dem Eingangspost aus der Seele geschrieben: Der Ruf nach Langeweile! Welch ein Segen für die Kreativität ist die Langeweile. Und die bleibt bei den heutigen Schülern einfach auf der Strecke. |
 | ich bin selber |  | von: fruusch
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erstellt: 19.01.2014 23:56:37 |
an einem G8-Gymnasium bechäftigt, allerdings sehe ich die Sache nicht ganz so krass wie in diesem Brief beschrieben.
Wir sind eine Ganztagsschule (größtenteils) ohne Hausaufgaben. Mir haben schon mehrere Eltern berichtet, dass ihre Kinder Probleme hätten, Freunde zum Spielen zu finden, wenn sie um 16.30 Uhr nach Hause kommen, weil ihre Kumpels aus G9-Schulen da immer noch über ihren Hausaufgaben sitzen würden.
Darüber hinaus bieten wir auch AG- und Freizeitangebote innerhalb des Stundenplans an, um eben das kontinuierliche Lernen und konzentrieren Müssen gezielt zu unterbrechen. Die Schüler können ihre Mittagspause nach eigenen Wünschen in Lern- und Freizeitphasen aufteilen. Wir arbeiten mit der örtlichen Musikschule zusammen und bieten spezielle Musikklassen (Streicher und Bläser) an. Seit diesem Schuljahr gibt es auch eine Sportklasse, mit dem Ziel Breitensport statt Spitzenleistungen. Sport spielt sowieso eine große Rolle bei uns, es vergeht kaum eine Woche, in der mal keine Schülergruppe bei irgendeinem "Jugend trainiert für Olympia" Turnier teilnimmt.
Darüber hinaus geht es bei uns sowieso nicht um ein ganzes Jahr Verkürzung, sondern lediglich um ein halbes. G9 schreibt im Januar Abi, G8 im Juni. Der Lehrplan wurde an manchen Stellen gestrafft, mehr oder weniger sinnvoll...
Mag sein, dass andere Bundesländer das nicht so gut umgesetzt haben. Aber einfach alles nur auf G8 zu schieben, halte ich für zu kurz gedacht.
Was ist denn mit der Angst der Eltern, ihre Kinder könnten später den Anschluss verlieren? Heutzutage bekommen Kinder Nachhilfe aufgebrummt, die einen Notendurchschnitt von 2,0 oder besser vorweisen können! Alles, was nicht "1" ist, ist für deren Eltern "schlecht"! Ich habe schon so oft entsetzte Eltern gesehen, denen ich erklärt habe, dass "3" oder "4" für mich als Lehrer keine wirklich schlechte Note sei, denn die "4" heißt "ausreichend", und damit reicht die Leistung für mich aus, der Schüler hat mir zwar gezeigt, dass er Fehler macht, aber im Großen und Ganzen hat er verstanden, um was es geht. Und auch mit einer Note "3,x" im Abitur kann man heutzutage die meisten Fächer studieren, mit ein bisschen Glück und örtlicher Flexibilität sogar NC-Fächer.
Diese Angst fängt ja auch nicht erst in der Schule an. Selbst im Kindergarten wird ja heutzutage schon Englisch, Französisch oder gar Chinesisch gelernt! Es gibt spezielle Kindergärten für "Fast Track Kids", in denen Nachwuchs-Manager gezüchtet werden sollen. Und wem das noch nicht reicht, der kann Kurse a la "Englisch für Babies" besuchen, damit schon Säuglinge sich an das permanente Büffeln gewöhnen. Ich bin heilfroh, dass wir für unsere Tochter einen Waldkindergarten gefunden haben, in dem sie statt Englischvokabeln lernt, wie toll sich Baumrinde anfühlen kann, was man daraus alles basteln kann, wie sich Regentropfen auf der Haut anfühlen und wie magisch die Herbstfärbung wirken kann.
DAS ist für mich das Hauptproblem, G8 ist da nur eines der vielen Symptome. Im Prinzip hat das der Autor des Briefes sogar so geschrieben - G8 ist aus der Angst von Erwachsenen heraus entstanden, die ihre Probleme auf ihre Kinder abwälzen. Wenn man das Ganze konsequent zuende denkt, hilft G8 dann den Kindern sogar, sich ein Jahr früher aus diesem von ihren verängstigten Eltern verursachten Dauerstress zu verabschieden. Denn auch in G9 sind diese Ängste genauso vorhanden - wenn nicht gar stärker, denn die Kinder kommen dann ja "1 Jahr zu spät" ins Berufsleben und müssen entsprechend noch mehr gedrillt werden, um nur ja zu den Besten der Besten zu gehören. |
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