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Forum: "Was wissen wir eigentlich vom Lernen?"
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| @heidehansi @ rolf robischon | | von: ninimu
erstellt: 28.07.2005 20:49:10 |
Ich finde heidehansis Auflistung nicht schlecht und durchaus praxisrelevant!
rolf robischon:
Kritisch zu denken und zu hinterfrangen halte ich für äußerst wichtig.
In aller Kürze muten deine Ansätze dennoch etwas idealisierend an - Persönlich kann ich nur dagegensetzen: Was denn tun, wenn das Kind "schon in den Brunnen gefallen ist"?
Ich denke wir müssten in dieser Diskussion stark zwischen Grund- und weiterführenden Schulen differenzieren. Wir sprechen hier einerseits von den sensiblen Phasen, in denen Kinder (noch) sehr leicht Wissen aufnehmen und ihrem neugierigen Urinstinkt folgen. Andererseits gibt es zahlreiche Pubertierende, die - aus diversen Gründen - bereits am Schulsystem "gescheitert" sind, Schulunlust haben etc.
Wenn man an Förderschulen bisherige Schwänzer, Schulverweigerer, schulängstliche und schulmüde Jugendliche aufzufangen hat, muss man da ansetzen, wo diese jungen Menschen stehen (ich weiß, ein vielgenutzter Satz!). In der Sodnerpädagogik spricht man ja permanent vom Förderbedarf - und hier ist anzusetzen.
Und erschreckend viele Jugendliche sind eben nicht in der Lage bzw. geübt, Nachschlagewerke (selbst den Schulatlas, Branchen- bzw. Telefonbücher, U-Bahn-Netzpläne der eigenen Stadt usw.) oder das Internet erfolgreich zu nutzen. Sie verstehen diese Welt nicht - und man muss sie ihnen unabhängig von ihrem Alter noch verständlich machen; Das verstehe ich auch unter der viel zitierten "Erziehung zur Mündigkeit". Viele (und oftmals die vermeintlich größten "Gangster") haben auch nach einem intensiven Rollenspieltraining kaum den Mumm ein Telefonat zu führen, um nach einer Praktikumsstelle zu fragen. Dann "nehmen wir sie eben an der Hand", gehen mit zum Betrieb und besuchen sie im Zweifelsfall täglich...
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| Eine gewagte These | | von: kfmaas
erstellt: 28.07.2005 21:01:19 |
Lernen geschieht nach dem homöopathischen Prinzip:
"similia similibus curentur" (Ähnliches möge durch Ähnliches kuriert werden).
Man beachte den Konjunktiv.
Die "Dummheit der Kinder" wird durch die potenzierten homöopatischen Globuli D4-D13 täglich in 4 - 6 Stunden genau abgezählt, wohl dosiert und lernzielorientiert verschüttelt rituell dargereicht, und nach einigen Wochen immer wieder auf die Wirksamkeit überprüft (allerdings noch nicht im Doppelblindversuch) mehr oder weniger objektiv, valide und reliabel.
Sollte ein Schüler lernresistent sein, darf er eine Warteschleife absitzen, bis seine Konstitution bereit ist, die intendierte Wirkung zu zeigen.
Irgendwie wirkt es, ohne dass jemand in die black box schauen kann. Ich habe meine Physik auch erst 15 Jahre nach Schulabgang plötzlich verstanden (bis auf einige wenige, unwesentliche Ausnahmen )
In diesem Sinne nicht verzweifeln, es wird schon. Zählen wir weiter unsere Globuli ab und verabreichen wir sie unseren Schülern. Ob rhus toxicodendron oder arsenicum album oder belladonna... Im Zweifelsfall haben wir ja auch noch arnica oder cimicifuga. Und seien wir nicht so furchtbar selbstkritisch: Schließlich haben wir doch alle eine Unbedenklichkeitsprüfung durch den Staat hinter uns gebracht, dass wir nach dem Referendariat keine bleibenden Schäden verursachen würden - oder hat schon jemand einmal pädagogene Krankheiten bei Schülern nachgewiesen?
Na seht ihr
Also eine schöne behandlungsfreie Zeit wünscht
kfmaas
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| Lernen | | von: caldeirao
erstellt: 05.08.2005 13:03:50 |
Die Erfahrungen von ninimu kann ich von meiner Arbeit nur bestätigen. Schulverweigerer, verhaltensgestörte und lernunwillige Kinder, viele durch unserer Schulsystem kaputtgemachte Kinder kommen in den oberen Klassen an die Förderschule. Damit werden diesen Kindern für die weitere Zukunft schon riesige Felsen in den Weg gelegt. Das geht los, dass die meisten nicht direkt einen Beruf lernen können, sondern erst in ein berufsvorbereitendes Jahr müssen, dass sie sich beim Bewerben noch hinter den HauptschülerInnen anstellen müssen und diese haben es ja laut Statistik schon schwer eine Lehrstelle zu erhalten usw.
Es ist doch schlimm wie Rolf richtig schreibt, dass traditionelle schule braucht manchmal nur sechs wochen um schulmüdigkeit, ablehnung, gegenwehr gegen "unterricht" hervorzurufen.
Ich glaube schon, dass bestimmte Fakten gelernt werden müssen wie z.B. die Malfolgen, um die Grundrechenarten zu erlernen. Oder bestimmte Fakten aus den natur- oder gesellschaftswissenschaftlichen Fächern zu wissen, um auf diesem Gebiet ein Interesse zu wecken, um weiter zu forschen oder zu lernen.
Die Frage ist doch, wie erwerben die Kinder diese Fakten. Welche Fakten sind wirklich wichtig? Warum muss ich einen Fahrplan lesen können, wenn ich mir bei www.bahn.de die Verbindung komplett mit Bahngleis usw. ausdrucken lassen kann. Warum muss ich im Duden nach verschiedenen Wörtern nachschlagen können, wenn mein Textverarbeitungsprogramm eine Rechtschreibprüfung hat und ich damit meine Fehler viel schneller korrigieren kann.
Mit dem Satz wir haben doch vor 20/30... jahren auch gelernt und sind wohl irgend wie doch etwas geworden oder sind wir nach unserer schulbildung alle untauglich!? habe ich so meine Probleme. Ich habe viel meiner Schulzeit vergammelt, hätte vieles schneller erlernen können und auf manchen Gebieten habe ich zu wenig Zeit gehabt. Clever habe ich mich durch so manches Fach gemogelt. Dabei habe ich leider nicht gelernt zu lernen. Das ist mir in meinem späteren Leben oft auf die Füße gefallen. Und der Buchtitel Trotz Schule lernen trifft die Sache auf dem Punkt. Die meisten leistungsstarken SuS lernen (wie Poni richtig schreibt Unser Gehirn lernt immer, es kann gar nicht anders und tut nichts lieber. - ich meine damit das bewusste Lernen bzw. Auseinandersetzung, Aneignung oder wie man es auch immer bezeichnet) nicht nur in der Schule, sondern viel mehr zu Hause bzw. außerhalb der Schule.
Ich glaube auch dass man durch andere Methoden des Lernens durchaus die schönen Lehrplänen, Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten ... erfüllen kann bzw. gut abschneiden kann. Wenn ein/e SoS forschend, interessierend, selbstständig und selbstverantwortlich Wissen erwirbt, dann hat er/ sie vielleicht nicht über alle Fakten nachgedacht, aber sich damit auseinandergesetzt und weiß mehr, als nach dem Eintrichtern von Fakten. Ich bin doch nicht zufrieden als Lehrerin, wenn ich die Homologe Reihe der Alkane/ Alkene/ und Alkine mal erwähnt habe, aber keiner meiner SuS weiß damit was anzufangen (Vielleicht können sie noch 5 herbeten), wenn ich alle Typen von Prozentaufgaben mal gelöst habe, aber keiner im Laden sich den Rabatt ausrechnen kann.
Deshalb heißt für mich Lernen Wissen anwenden, vergleichen, daraus Schlussfolgerungen ziehen, Meinungen durch Fakten bzw. Argumenten begründen bzw. (be-)werten können, Strategien zur Problemlösung entwickeln, überlegt Handeln können. Das ist sicher nur ein kleiner Ausschnitt und soll zur weiteren Diskussion anregen.
Übrigens fand ich in einem Film folgenden Gedanken interessant.
Zur Bewältigung des Lebens müssen die SuS Kompetenzen erwerben. Kompetenzen kann man nicht lehren, sondern nur erlernen.
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